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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Editor]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 1.1898

DOI issue:
Heft 3 (März 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6363#0085
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ÜB

VER SACRUM.

stellte die frohe Botschaft von der Geburt des Herrn dar.
Es hatte zwei verschiedene Lichtquellen: auf den Bergen
dämmert ein dunkles Abendroth = die Sonne ist schon
lange untergegangen = und in der Ferne schreiten zwei
Engel durch das Korn, von denen ein himmlischer Glanz
über die Landschaft ausstrahlt. Dorthin blicken die Hirten
in sehnsüchtiger Verzückung, nur ein junger sieht weh-
muthvoll der untergegangenen Sonne nach, als sei mit ihr
die Freude der ganzen Welt versunken. Ein alter Hirte
aber berührt seinen Arm, wie wenn er ihn auf die Herrlich-

keit des neuen Lichtes aufmerksam machen wollte, das
bereits aufgegangen ist. „Einen solch zarten, trostreichen
und frommen Sinn hatte Franz für den vernünftigen und
fühlenden Beschauer in das Gemälde zu bringen gesucht."

Waldscenen locken den wandernden Maler besonders.
Er denkt sich die schattigen Gründe beseelt durch irgend
einen leidenschaftlich menschlichen Vorgang, so aber, dass
doch die Landschaft die Hauptsache bleibt. „Wenn ich mir
unter diesen dämmernden Schatten die Göttin Diana vor-
übereilend denke, den Bogen gespannt, das Gewand auf-

geschürzt und die schönen Glieder leicht umhüllt, hinter
ihr die Nymphen in Eile und die Jagdhunde springend, so
wird mir das von selbst zum Bilde. Oder stelle dir vor, dass
dieser Fussweg sich immer dichter in das Gebüsch hinein-
windet, die Bäume werden immer höher und wunderbarer,
plötzlich steht eine Grotte, ein kühles Bad vor uns und in
ihm die Göttin, mit ihren Begleiterinnen, entkleidet. Da
ist die Einsamkeit, Grün, Felsen und Bäume und die nackte
Schönheit majestätischer, hehrer und jungfräulicher Leiber
vereinigt: füge vielleicht den Aktäon hinzu, so tritt jener

wundersame Schreck und die seltsame Freude noch in das
Gemälde, in seinen Hunden kannst du schon die thierische
Wuth und den Blutdurst darstellen, so ist hier das Wider-
sprechendste in ein poetisches Bild nothwendig und schön
verknüpft."

„Oder hier im tiefen Walde die Leiche eines schönen
Jünglings, und über ihm ein Freund und die Geliebte im
tiefsten Schmerz, vielleicht Venus und Adonis, oder ein
lieblicher Knabe, von wilden Räubern erschlagen; die
dunkelgrünen Schatten, unter ihnen die blendendenJugend-

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