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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Editor]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 1.1898

DOI issue:
Heft 3 (März 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6363#0093
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VER SACRUM.

die Träger der Farbe seien.
Er selbst, sagte er, würde
noch keine Blumen-Compo-
sition ohne menschliche Fi-
guren malen, weil die neue
Kunst noch zu unverständ-
lich sei, um nicht der Vermit-
telung zu bedürfen. Erst all-
mählich würden die Künst-
ler die Symbolik der Natur
so in ihreGewalt bekommen,
dass sie des erklärenden Bei-
werks entrathen könnten.

Beladen mit soviel Ab-
sichten und Ideen, Hess sich
nur schwer und langsam
schaffen. Von einem seiner
Bilder, der Quelle, sagt er,
es solle eine Quelle im wei-
testen Sinn des Wortes wer-
den : die Quelle aller Bilder,
die er noch machen werde,
die Quelle der neuen Kunst,
die er suche, und auch eine
Quelle an und für sich.

Auf diesem Bilde liegt
eine Nymphe an der Quelle
und spielt mit den Fingern im
Wasser, wodurch sichBlasen
bilden; darin sitzen muntere
Knaben und wollen heraus,
und wie die Blasen zersprin-
gen, fliegen die Knaben in
gewisse zu ihnen gehörige
Blumen und Bäume, deren
Charakter sie so völlig aus-
drücken, dass sie ordentlich
körperlich einen Begriff von
ihnen geben. EinOlgemälde,
die Lehrstunde der Nachti-
gall, war durch folgende Ver-
se Klopstocks entstanden:

Flöten musst du, bald mit
immer stärkerem Laute,
Bald mit leiserem, bis sich
verlieren die Töne;
Schmettern dann, dass es die
Wipfel des Waldes durch-
rauscht,

Flöten, flöten, bis sich bei
den Rosenknospen

Verlieren die Töne.

Gustav Klimt.
Damenbildnis

(1897).

Das eigentliche Haupt-
bild stellt eine weibliche Ge-
stalt dar, die im laubigen
Baume auf Amors Flöte
lauscht. Für Runge war aber
beinahe die arabeskenartige
Umrahmung seiner Bilder
das Wichtigste. ,,Ich lasse
unten im Bilde ein Stück von
der Landschaft sehen. Diese
ist ein dichter Wald, wo sich
durch einen dunkeln Schat-
ten ein Bach stürzt; dieses
ist dasselbe in dem Grunde,
was oben der Flötenklang in
dem schattigen Baume ist.
Und in dem Basrelief kommt
oben über wieder Amor mit
der Ley er; dann auf der einen
Seite der Genius der Lilie, auf
der anderen Seite der Genius
der Rose. Auf diese Weise
kommt eines und dasselbe
dreimal in dem Gemälde vor
und wird immer abstracter
und symbolischer, je mehr es
aus dem Bilde heraustritt."
Wahrscheinlich meinte er
aus diesem Grunde, dass das
Bild dasselbe sei, was eine
Fuge in der Musik.

Sein grösstes Werk, die
vier Tageszeiten, in allen
Einzelnheiten gründlich zu
erläutern, bedürfte es Seiten
und Seiten. Kurz gefasst,
sollten sie die vier Dimen-
sionen des geschaffenen Gei-
stes bedeuten.

Der Morgen ist die gren-
zenlose Erleuchtung des
Universums.

Der Tag ist die grenzen-
lose Gestaltung der Creatur,
die das Universum erfüllt.

Der Abend ist die gren-
zenlose Vernichtung der Exi-
stenz in den Ursprung des
Universums.

Die Nacht ist die gren-
zenlose Tiefe der Erkenntnis
von der unvertilgbaren Exi-
stenz in Gott.

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