\ VER SACRUM.
In engster Beziehung zum Buchdeckel steht das alte Ex
libris, das Bächerzeichen, das wieder seit einigen Jahren seine
Auferstehung feierte und jetzt so allgemein beliebt gewor-
den ist unter den Bücherfreunden. Nach altehrwürdigem
Brauch sollen diese Ex libris, die um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts zuerst in Deutschland eingeführt und meistens auf
der Innenseite des Deckels eingeklebt wurden, das eigent-
liche Besitzrecht auf das Buch feststellen. Man suchte vor
ihrem Gebrauch den gleichen Zweck (Documentierung
des Eigenthumsrechtes) durch Aufmalen eines Wappens
oder einer entsprechenden Inschrift auf den äusseren Buch-
deckel zu erreichen. (Siehe hierüber das von F. Warnecke
herausgegebene Werk „Die deutschen Bücherzeichen".)
Die modernen Ex libris, wie sie beispielsweise Künstler,
wie Klinger, Sattler, Nicholson, v. Schennis und andere,
ihren illustrierten Werken beifügen oder für befreundete
Buchliebhaber entwerfen, suchen oft in sinniger Weise
durch Form und Composition eine symbolische Beziehung
zum Charakter, zu den persönlichen Liebhabereien, zum
Beruf oder zum Familienwappen des Bucheigenthümers
auszudrücken.
Eine wichtige und reizvolle, wenn auch nicht unent-
behrliche Beigabe des Buches bilden die künstlerischen
Vorsatzpapiere. Bekanntlich haben die Japaner es darin
zu einer Höhe des Feingefühles gebracht, die kaum zu
überbieten ist. Nicht in directer Verbindung mit Text
oder Deckel, steht das Vorsatzpapier doch in engster Be-
ziehung zum eigentlichen Charakter des Buches in decora-
tiver Hinsicht und namentlich in Bezug auf die Farben-
stimmung. Das künstlerische Vorsatzpapier bildet den
Ubergang von der Aussen- zur Innenseite des Buches: die
Brücke zwischen Buchdeckel und Inhalt.
Wie steht es bei uns nun aber mit der eigentlichen
Buchzier und Buchillustration ? Aufrichtig gesagt: recht
traurig. In den Kinderbüchern herrscht entweder die ödeste
Schablone oder der Struwelpetercharakter vor. Gutekünst-
= LETZTE SONNENSTRAHLEN. £
STUDIE VON J. STANISLAWSKI.
Buchschmuck
v.J.Hoffmaim.
lerische Illustrationen sind seltene Ausnahmen. Die Jugend
wird also von vorneherein um ihren rechtmässigen Antheil
an der Schönheit betrogen. Und die Erwachsenen ? Sie
sind kaum besser dran. Man kann doch die paar Pracht-
werke, mit grossen Kosten hergestellte culturhistorische
Werke oder Reisebeschreibungen und einige wissenschaft-
liche Bücher nicht zur allgemeinen Literatur der Massen
rechnen. Man steht noch fast überall im Banne der alten,
missverstandenen Illustrationsweise, die sich vergeblich
in der platten Darstellung des Gegenständlichen erschöpft
und daher nicht über die geistlose Anekdote hinauskommt.
Diese Art von Bildernbüchern haben zum Schaden un-
serer gesammten künstlerischen Bedeutung und Erziehung
für lange Zeit das Aufkommen einer wahrhaft künstleri-
schen Darstellungsweise hintangehalten. Es wird Zeit,
dass ein Wandel eintritt. Die Bedürfnisse sind schon lange
vorhanden.
Sehen wir uns diese alte Methode einmal näher an,
damit wir uns darüber klar werden, wie ein Buch NICHT
„geschmückt" werden darf. Wir nehmen einen Band lyri-
scher Gedichte zur Hand oder einen illustrierten Roman.
Wie störend, wie komisch, ja wie beleidigend für jeden
feiner und selbständig empfindenden Leser wirken doch
jene „begleitenden Illustrationen", welche uns den Inhalt
einer Erzählung sozusagen „concret" vor Augen führen
sollen! Wir schütteln unwillig den Kopf: „so habe ich mir
das nicht gedacht". Eine solche Darstellung zerstört mir
ja meine ganze Illusion, wirkt banal und ernüchternd. Ich
brauche ja gar keinen Vermittler zwischen mir und dem
Dichter! Seine Werke reden ja unmittelbar ihre eigene
Sprache, ohne Erläuterung. Und da will sich ein anderer
unterfangen, mir breitspurig zu zeigen und zu erklären,
„wie es gewesen ist"! Wozu denn?
Wohl aber bin ich dem Künstler dankbar, wenn er
im Stande ist, dunkle Empfindungen, die beim Lesen aus
der Tiefe des unbewussten Seelenlebens auftauchen, mir
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In engster Beziehung zum Buchdeckel steht das alte Ex
libris, das Bächerzeichen, das wieder seit einigen Jahren seine
Auferstehung feierte und jetzt so allgemein beliebt gewor-
den ist unter den Bücherfreunden. Nach altehrwürdigem
Brauch sollen diese Ex libris, die um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts zuerst in Deutschland eingeführt und meistens auf
der Innenseite des Deckels eingeklebt wurden, das eigent-
liche Besitzrecht auf das Buch feststellen. Man suchte vor
ihrem Gebrauch den gleichen Zweck (Documentierung
des Eigenthumsrechtes) durch Aufmalen eines Wappens
oder einer entsprechenden Inschrift auf den äusseren Buch-
deckel zu erreichen. (Siehe hierüber das von F. Warnecke
herausgegebene Werk „Die deutschen Bücherzeichen".)
Die modernen Ex libris, wie sie beispielsweise Künstler,
wie Klinger, Sattler, Nicholson, v. Schennis und andere,
ihren illustrierten Werken beifügen oder für befreundete
Buchliebhaber entwerfen, suchen oft in sinniger Weise
durch Form und Composition eine symbolische Beziehung
zum Charakter, zu den persönlichen Liebhabereien, zum
Beruf oder zum Familienwappen des Bucheigenthümers
auszudrücken.
Eine wichtige und reizvolle, wenn auch nicht unent-
behrliche Beigabe des Buches bilden die künstlerischen
Vorsatzpapiere. Bekanntlich haben die Japaner es darin
zu einer Höhe des Feingefühles gebracht, die kaum zu
überbieten ist. Nicht in directer Verbindung mit Text
oder Deckel, steht das Vorsatzpapier doch in engster Be-
ziehung zum eigentlichen Charakter des Buches in decora-
tiver Hinsicht und namentlich in Bezug auf die Farben-
stimmung. Das künstlerische Vorsatzpapier bildet den
Ubergang von der Aussen- zur Innenseite des Buches: die
Brücke zwischen Buchdeckel und Inhalt.
Wie steht es bei uns nun aber mit der eigentlichen
Buchzier und Buchillustration ? Aufrichtig gesagt: recht
traurig. In den Kinderbüchern herrscht entweder die ödeste
Schablone oder der Struwelpetercharakter vor. Gutekünst-
= LETZTE SONNENSTRAHLEN. £
STUDIE VON J. STANISLAWSKI.
Buchschmuck
v.J.Hoffmaim.
lerische Illustrationen sind seltene Ausnahmen. Die Jugend
wird also von vorneherein um ihren rechtmässigen Antheil
an der Schönheit betrogen. Und die Erwachsenen ? Sie
sind kaum besser dran. Man kann doch die paar Pracht-
werke, mit grossen Kosten hergestellte culturhistorische
Werke oder Reisebeschreibungen und einige wissenschaft-
liche Bücher nicht zur allgemeinen Literatur der Massen
rechnen. Man steht noch fast überall im Banne der alten,
missverstandenen Illustrationsweise, die sich vergeblich
in der platten Darstellung des Gegenständlichen erschöpft
und daher nicht über die geistlose Anekdote hinauskommt.
Diese Art von Bildernbüchern haben zum Schaden un-
serer gesammten künstlerischen Bedeutung und Erziehung
für lange Zeit das Aufkommen einer wahrhaft künstleri-
schen Darstellungsweise hintangehalten. Es wird Zeit,
dass ein Wandel eintritt. Die Bedürfnisse sind schon lange
vorhanden.
Sehen wir uns diese alte Methode einmal näher an,
damit wir uns darüber klar werden, wie ein Buch NICHT
„geschmückt" werden darf. Wir nehmen einen Band lyri-
scher Gedichte zur Hand oder einen illustrierten Roman.
Wie störend, wie komisch, ja wie beleidigend für jeden
feiner und selbständig empfindenden Leser wirken doch
jene „begleitenden Illustrationen", welche uns den Inhalt
einer Erzählung sozusagen „concret" vor Augen führen
sollen! Wir schütteln unwillig den Kopf: „so habe ich mir
das nicht gedacht". Eine solche Darstellung zerstört mir
ja meine ganze Illusion, wirkt banal und ernüchternd. Ich
brauche ja gar keinen Vermittler zwischen mir und dem
Dichter! Seine Werke reden ja unmittelbar ihre eigene
Sprache, ohne Erläuterung. Und da will sich ein anderer
unterfangen, mir breitspurig zu zeigen und zu erklären,
„wie es gewesen ist"! Wozu denn?
Wohl aber bin ich dem Künstler dankbar, wenn er
im Stande ist, dunkle Empfindungen, die beim Lesen aus
der Tiefe des unbewussten Seelenlebens auftauchen, mir
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