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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 2.1899

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Heft 1 (Januar 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8876#0020
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nicht die Fähigkeit. (Auch das Geniessen
will gelernt sein.) Durch eine gute Mutter
waren ihm mehr reinliche Gewohnhei-
ten anerzogen worden, als dass er sich
dauernd in rohen Genüssen hätte befrie-
digen können. Und zu den feineren fehl-
ten ihm bei aller Sehnsucht die Schlüssel.

Er verkehrte mit Malern und Dich-
tern. Er kaufte Bilder und Bücher
und lud zu kostbaren Diners. Er horchte
auf Kunsturtheile und sprach sie nach.
Er ging fleissig die Galerien ab und
suchte die Nummern, von denen man
ihm geredet hatte. Aber im Grunde
blieb ihm alles eine grosse Wirrniss. Er
irrte umher, that, wie wenn er Freude
hätte, und quälte sich nur.

Er gab sich blasirt, ohne genossen
zu haben.

Und gerade diese scheinbare Blasirt-
heit war das Typische an ihm für unsere
sogenannten Kunst-Enthusiasten. Den
Grund der Blasirtheit suchen heisst viel-
leicht Heilung finden.

Der Grund liegt vor Allem in der
Rathlosigkeit dieser Durchschnittsmen-
schen vor der Kunst. Sie stehen vor
der Kunst als vor den sichtbaren Zei-
chen einer Leidenschaft höchst organi-
sirter Individuen. Finden sich nicht
gleich zurecht und vergessen in ihrer
Rathlosigkeit die natürlichen Fäden, die
dennoch von ihrer Seele in die Kunst-
werke hinüberführen. Die eine grosse
Angst des modernenMenschen: vor einer
Sache als Unwissender zu stehen, „etwas
nicht zu kennen", lässt ihnen nicht Zeit
zum eigenen Suchen. Ausserdem wirkt

Grundrisse zu einem Wohnhausc.

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