So möchte jeder in seinen Sünden fröhlich
weiter dahingefahren sein, wenn nicht der Welt-
untergang wie eine Kanonenkugel in die faule
Brühe geschlagen wäre. Ja, jetzt merkte man erst,
wie der Alte predigen konnte! Mit seiner tapferen
Nase hakte er die Leute fest, dass sie stillhalten
und ihn ansehen mussten und leiden, dass seine
kleinen flammenden Augen geschwind durch sie
hindurchliefen und alles sahen und merkten bis
in den hintersten Schlupfwinkel, dass er es her-
ausholte und angesichts der ganzen Gemeinde wie
alte Pluderhosen ausklopfte, dass der Staub flog
und die Löcher klafften. „Ihr kommt hierher, um zu
Gott zu beten?" rief er. „Das Geld ist euer Gott!
Was habt ihr lieb, was ist euch werth, wofür kämpft
ihr, wofür arbeitet ihr, was beschützt ihr? Wenn
ich von euren Kindern absehe, die ihr wie der
vernunftlose Affe auf Kosten der übrigen Mensch-
heit vergöttert, bleibt nichts als das Geld, das
Geld, das Geld. An Geld denkt ihr, von Geld
träumt ihr, um Geld betet ihr. Gott hat euch
die Gedanken als Engel der Anbetung in euer
Haupt gegeben, ihr habt sie zu Geiern gemacht,
die nach Geld jagen. Denkt euch", sagte er, „ihr
kenntet eine Insel, die jeden Herbst vom Meere
verschlungen würde, und ihr sähet im Frühling
Menschen kommen, die sie besiedelten. Sie rodeten
Bäume, sägten Holz, schleppten Steine, bauten
Häuser, zankten sich wer mehr hätte und regieren
sollte, schlügen und pufften sich, dass Blut flösse,
spuckten sich ins Gesicht und stiessen sich gegen-
seitig ins Wasser. Ihr würdet gewiss aus vollem
Halse schreien: seht die Narren! die Bösewichte!
seid aber weder besser noch klüger als sie. Auch
eure Insel wird untergehen und ein Schiff wird
euch nach dem jenseitigen Strande führen aber
von eurer Habe dürft ihr nichts mitnehmen, da-
mit es nicht zu sehr belastet
wird. Dann könnt ihr eure
Diamanten und Perlen auf die
Strasse werfen, nicht einmal
der Kehrichtsammler wird
sich danach bücken. Und
eure Person, ist die denn
werth, das Schiff auf seinem
weiten, gefahrvollen Wege
zu beschweren? Wer seid ihr
denn? was könnt ihr denn?
Pasteten essen und Malvasier
trinken, solche Künste floriren
drüben nicht. Im Geisterlande
gilt nichts als Lieben, Schauen, Schwingen und
Schweben."
Der Zuhörerschaft, welche von den letztge-
nannten Fertigkeiten bisher wenig gehalten und
durchaus nicht darin bewandert war, tropfte ein
kalter Schweiss von der Stirne; indessen als sie
aus der halbdunkeln, durchräucherten Kirche ins
Freie traten und das Meer sahen, wie es sich unter
dem hohen sonnigen Himmel glitzernd hin und
her wälzte, dass die stattlichen Segel taumelten,
fassten sie noch einmal Muth und meinten, dass
die Sache wohl nicht so dringlich wäre. Hin-
gegen waren die armen Leute, Arbeiter, Bedien-
stete, Bettler und Vagabunden, ganz durchdrungen
und entzündet von den Worten des Jammerbolds,
wallten singend durch die Strassen und wiesen
jede Zumuthung sich nützlich zu beschäftigen mit
Verachtung zurück, so dass die Besitzenden sich
ausserordentlich behindert fühlten und den Pastor
Wolke unter der Hand ersuchten, er möchte doch
das Volk zur Arbeit ermuntern, da ja treue Pflicht-
erfüllung in Gottes Augen nicht anders als wohl-
gefällig sein könnte. Damit hatten sie nun frei-
lich nicht das Rechte getroffen. „Glaubt ihr,"
sagte er, „Gott hielte es für eine wichtige Ange-
legenheit, dass euer Rindfleisch zur rechten Zeit
gebraten auf den Tisch kommt? und dass eure
Stuben am Samstag gescheuert werden und eure
Haube nach der Ordnung gefüttert wird? Ihr
solltet lieber den ganzen Trödel verbrennen, da-
mit ihr der Sorge dafür ledig seid und endlich an
das denken könnt was noth thut." Diese Predigt
hielt der Jammerbold auf dem freien Platz vor
der Kirche von einer steinernen Kanzel herunter,
welche an der Aussenmauer angebracht war; denn
der Zulauf war so gross, dass die Menge in der
Kirche nicht Platz gehabt hätte, und obwohl zu-
weilen ein Regenschauer den
Leuten ins Gesicht schlug, da
es ein warmer aber stürmischer
Frühlingstag war, rührte sich
nicht einer vom Flecke, so
schön und entsetzlich wusste
der Pfarrer zu reden.
Den Anstoss zu der grossen
Umwälzung, welche nun statt
fand, gab Herr Hansjohannsen,
ein Grosshändler in Gewürzen,
der von seinem Vater ge-
waltige Reichthümer, aber
nicht dessen unternehmenden
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weiter dahingefahren sein, wenn nicht der Welt-
untergang wie eine Kanonenkugel in die faule
Brühe geschlagen wäre. Ja, jetzt merkte man erst,
wie der Alte predigen konnte! Mit seiner tapferen
Nase hakte er die Leute fest, dass sie stillhalten
und ihn ansehen mussten und leiden, dass seine
kleinen flammenden Augen geschwind durch sie
hindurchliefen und alles sahen und merkten bis
in den hintersten Schlupfwinkel, dass er es her-
ausholte und angesichts der ganzen Gemeinde wie
alte Pluderhosen ausklopfte, dass der Staub flog
und die Löcher klafften. „Ihr kommt hierher, um zu
Gott zu beten?" rief er. „Das Geld ist euer Gott!
Was habt ihr lieb, was ist euch werth, wofür kämpft
ihr, wofür arbeitet ihr, was beschützt ihr? Wenn
ich von euren Kindern absehe, die ihr wie der
vernunftlose Affe auf Kosten der übrigen Mensch-
heit vergöttert, bleibt nichts als das Geld, das
Geld, das Geld. An Geld denkt ihr, von Geld
träumt ihr, um Geld betet ihr. Gott hat euch
die Gedanken als Engel der Anbetung in euer
Haupt gegeben, ihr habt sie zu Geiern gemacht,
die nach Geld jagen. Denkt euch", sagte er, „ihr
kenntet eine Insel, die jeden Herbst vom Meere
verschlungen würde, und ihr sähet im Frühling
Menschen kommen, die sie besiedelten. Sie rodeten
Bäume, sägten Holz, schleppten Steine, bauten
Häuser, zankten sich wer mehr hätte und regieren
sollte, schlügen und pufften sich, dass Blut flösse,
spuckten sich ins Gesicht und stiessen sich gegen-
seitig ins Wasser. Ihr würdet gewiss aus vollem
Halse schreien: seht die Narren! die Bösewichte!
seid aber weder besser noch klüger als sie. Auch
eure Insel wird untergehen und ein Schiff wird
euch nach dem jenseitigen Strande führen aber
von eurer Habe dürft ihr nichts mitnehmen, da-
mit es nicht zu sehr belastet
wird. Dann könnt ihr eure
Diamanten und Perlen auf die
Strasse werfen, nicht einmal
der Kehrichtsammler wird
sich danach bücken. Und
eure Person, ist die denn
werth, das Schiff auf seinem
weiten, gefahrvollen Wege
zu beschweren? Wer seid ihr
denn? was könnt ihr denn?
Pasteten essen und Malvasier
trinken, solche Künste floriren
drüben nicht. Im Geisterlande
gilt nichts als Lieben, Schauen, Schwingen und
Schweben."
Der Zuhörerschaft, welche von den letztge-
nannten Fertigkeiten bisher wenig gehalten und
durchaus nicht darin bewandert war, tropfte ein
kalter Schweiss von der Stirne; indessen als sie
aus der halbdunkeln, durchräucherten Kirche ins
Freie traten und das Meer sahen, wie es sich unter
dem hohen sonnigen Himmel glitzernd hin und
her wälzte, dass die stattlichen Segel taumelten,
fassten sie noch einmal Muth und meinten, dass
die Sache wohl nicht so dringlich wäre. Hin-
gegen waren die armen Leute, Arbeiter, Bedien-
stete, Bettler und Vagabunden, ganz durchdrungen
und entzündet von den Worten des Jammerbolds,
wallten singend durch die Strassen und wiesen
jede Zumuthung sich nützlich zu beschäftigen mit
Verachtung zurück, so dass die Besitzenden sich
ausserordentlich behindert fühlten und den Pastor
Wolke unter der Hand ersuchten, er möchte doch
das Volk zur Arbeit ermuntern, da ja treue Pflicht-
erfüllung in Gottes Augen nicht anders als wohl-
gefällig sein könnte. Damit hatten sie nun frei-
lich nicht das Rechte getroffen. „Glaubt ihr,"
sagte er, „Gott hielte es für eine wichtige Ange-
legenheit, dass euer Rindfleisch zur rechten Zeit
gebraten auf den Tisch kommt? und dass eure
Stuben am Samstag gescheuert werden und eure
Haube nach der Ordnung gefüttert wird? Ihr
solltet lieber den ganzen Trödel verbrennen, da-
mit ihr der Sorge dafür ledig seid und endlich an
das denken könnt was noth thut." Diese Predigt
hielt der Jammerbold auf dem freien Platz vor
der Kirche von einer steinernen Kanzel herunter,
welche an der Aussenmauer angebracht war; denn
der Zulauf war so gross, dass die Menge in der
Kirche nicht Platz gehabt hätte, und obwohl zu-
weilen ein Regenschauer den
Leuten ins Gesicht schlug, da
es ein warmer aber stürmischer
Frühlingstag war, rührte sich
nicht einer vom Flecke, so
schön und entsetzlich wusste
der Pfarrer zu reden.
Den Anstoss zu der grossen
Umwälzung, welche nun statt
fand, gab Herr Hansjohannsen,
ein Grosshändler in Gewürzen,
der von seinem Vater ge-
waltige Reichthümer, aber
nicht dessen unternehmenden
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