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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 2.1899

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Heft 2 (Feburar 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8876#0055
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pflegten; derselbe war nebst einem stattlichen
Herrenhause von seinen heiligen Besitzern ver-
schmäht und der Verwilderung preisgegeben. Mit
grossen Anstrengungen wurde denn das schwere
Bildwerk auf einen künstlichen Hügel im Parke
gebracht, von wo aus man einen Ausblick über
den Strand und das Meer hatte, und angesichts
einer grossen Menschenmenge feierlich enthüllt.
Im ersten Augenblick sah man nichts als einen
blendenden, im Glänze der Mittagssonne nach
allen Seiten Strahlen schiessenden Goldkoloss, so
dass der Eindruck ebenso heiter wie erhaben war;
erst bei längerem
Schauen offenbarte
das Idol die böse
Natur, die der Mei-
ster mit staunens-
werther Kunst hin-
eingebildet hatte.
Die ganzeFigur des
Ungeheuers liess
sich etwa mit einem
Nilpferd verglei-
chen, soweit sie breit
und ungeschlacht
war, doch lag in
dem prallen Leibe
bei aller Plumpheit
etwas Elastisches
und den säulen-
dicken Beinen die,
sich gegen den
Fuss zu noch be-
trächtlich verbrei-
terten, sah man an,
dass sie sich wie der
Blitz aufheben und
ihr Opfer in den Staub zusammenstampfen könnten.
Was aber vorzüglich mit Schrecken erfüllte war das
Antlitz mit den grossen vorquellenden Augen, die
dumm, grausam und tückisch', nach allen Seiten
zugleich zu blicken schienen. Das weite Maul hatte
einen zweideutigen Ausdruck, so dass man nicht
wusste, ob es in thierischer Weise lachte, oder sich
zum Geheul oder zu mörderischem Biss öffnete. In
der Haltung des Ungethüms war etwas, als lauerte
es auf den Augenblick, wo es sich auf das Volk,
wenn es mit gesenkten Köpfen zur Anbetung
niederkniete, herunterlassen könnte, um es zu
zermalmen und zu fressen. So verschieden nun
auch jeder das Götzenbild betrachten und auslegen

mochte, flösste es doch allen Abscheu und
Grauen ein und es verbreitete sich bald allerlei
abenteuerliches Gerede, wie zum Beispiel, dass man
der Bestie nicht grade ins Auge sehen dürfe, da
sie einen sonst behexe und nicht mehr losliesse,
ferner dass sie Nachts, wenn der Mond ihren
glatten Goldrücken beschiene, lebendig würde, Zu
welcher Zeit viele ein kicherndes Heulen, wie von
hungrigen Hyänen, gehört haben wollten. Dies
aber sowie die Zerstampfung des Bodens umher,
die man wohl des Morgens wahrnahm, mochte
von dem ausgelassenen Toben der Weltkinder

herrühren, die, ob-
wohl es meistens
arme Schelme wa-
ren, unter Scherz
und Jubel um das
Scheusal herum -
tanzten. Ihr An-
führer zu allem war
der Lustbold, der
allmählich immer
mehr ausartete, sich
Baalspriester nen-
nen liess und, das
graue Haupt mit
Blumen geputzt,
dem Götzen schmei-
chelte und opferte.

Als ein denken-
der Betrachter der
menschlichenThor-
heit mischte ich
mich unter die Got-
teskinder wie auch
unter die Weltkin-
der, öfter aber unter
die letzteren, und zwar hauptsächlich aus väter-
licher Zuneigung für die Zwillinge, deren Zustand
ich aus des Tröpfchens zutraulichem Sprudeln und
Plätschern erfuhr. Dass es eben die Kinder des
Jammerbolds waren, die zu den gefährlichsten
Unholden zwischen den Weltkindern zählten,
erregte natürlicherweise grosses Befremden und
Aergerniss, aber weniger deswegen als aus Theil-
nahme für die hilflos in der Irre tappenden
Kinder und ihren Vater, meinen Freund, machte
ich mich eines Tages auf, um ihm die Augen
über ihre Lage zu öffnen. Man fand Pastor
Wolke damals selten zu Hause, weil er stets mit
Predigen, Lehren, Trösten und Helfen beschäftigt

Der
Landsknecht,
 
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