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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 2.1899

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Heft 3 (März 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8876#0103
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eingerahmt von des Abhangs silbergrauen Oliven
nach unten zu und dem weiten dunklen Dach
der Steineichen, die sich mit Reflexen von Metall
in den harten blanken Blättern wölbten.

„Siehst du," die Stimme wurde immer weicher
in ihrem sterbenden Fall, „siehst du, da liegt
meine Stadt; schön wie ich war, lebend wie ich
war, träumend jetzt, während das Spiel der Schatten
hingleitet. Rings um sie zieht der Stunden Tanz —
siehst du, wie es weht, siehst du, wie die Kronen
der Bäume sich sachte neigen? — aber sie lebt
und ist. Sie hat der Schönheit Ewigkeit. Habe
sie lieb, lebe ihr Leben, und du wirst mich nicht
vermissen, du wirst einstmals ebenso ruhig schlafen,

wie ich, in dem Kreislauf der weissen Frauen,
deren Gewänder nicht eine ihrer fliegenden Falten
senken, deren Locken nicht vor dem Atemhauch u£r
der Nachfolgenden erbeben." PACHTI

Ein Schlag wie von einer weichen Schwinge,
ein Seufzer in der Luft. Als Leonzino sich zu STUD
ihr wandte, war sie verschwunden, und da nur
der periweisse Nebel, durchleuchtet und schmelzend
in der beginnenden Abendröte. Die Rose lag
an seiner eigenen Brust, die Hand fing sie auf.

Er hielt sie fest und sah sie an; die Blätter
hatten sich nach aussen entfaltet und waren weich
geworden, und die zwei grössten gaben ihr die
Form eines Herzens. Sie hatte noch Duft, ganz
schwach, aber noch feiner und schmeichelnder als
zuvor. Immer öfter und länger verweilten auch
seine Blicke auf der Stadt, die jetzt dunkler wurde
in des raschen Dämmerns Beleuchtung von tiefem
klargrünen Wasser, während die Nacht sich von
den blauschwarzen Höhenzügen des Westens heran-
wälzte.

„Gefahren drohen ihr," dachte er, „Gefahren
drohen allem, was lebt. Ein ewiger Kampf ist
das Jetzt, und ich will mit dabei sein, um auch
mit in des Verflossenen schöner Sage zu sein.
Was ist es, das meine Stadt so leuchtend ju-ng
erhält in der Sonne, wenn nicht vieler Liebe;
was ist es, das sie aufrecht hält, wenn nicht starke
Herzen, die gleich Flammen aufrecht in der Brust
getragen werden wollen. Nur das macht uns
würdig, einstmals der Stunden Tanz in Schönheit
um unseren Staub zu erwarten."

Er blieb sitzen, die Rose in der Hand, als die
Nacht kam und der Mond, und alles dort unten
ein ungewisses Meer war von kalter Klarheit und
Grösse, und der Schatten schwarzem Dunkel und
des Arnos Silberschlange, die hinausglitt zum
Meer.

PER HALLSTRÖM.
 
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