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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 2.1899

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Heft 4 (April 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8876#0122
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WEBEREI. ZWEIFARBIG.
„DER VOGEL BÜLOW."

— Nur — Männer, Junggesellen der Kunst und
es fehlt eines was den Künstler zum Mehr-als-
Künstler macht.

— Seligste Hingehung. —

Es muss ein merkwürdiges Land sein — Asien.

Hören wir dieses _
Wort — Träume kom-
men zu uns — Jenes
Land wo wir herstam-
men sollen.

Jenes Land, mit dem
alles was heilig und
dunkel ist aufs innigste
verknüpft ist.

Persien — jenes
merkwürdige strah-
lende Reich.

Indien — unaufge-
klärte Geheimnisse, die
in unserer Zeit begraben
zu sein scheinen und
deren Abglanz doch
noch uns leuchtet aus
den tiefen schwermüti-
gen Augen seiner sanften Bewohner.

China — eine Kultur die uns schwindeln macht
durch ihre Grösse und Abgeschlossenheit.

Japan!

Wir sind wie ungezogene Kinder, die ihren
Vater noch nicht verstehen können.

Die Kunst der Japaner ist eine unendlich stille
Kunst. Wenn ein japanischer Maler auch figür-
liche Darstellungen giebt, die Personen scheinen
nie zu sprechen — oder wenn sie das thun, so
doch nur mit merkwürdigen fliessenden Lauten,
als wollten sie eigentlich etwas anderes sagen.
Sie bewegen sich wie Puppen in einem Puppen-
spiel mit seltsamen Bewegungen — ganz real,
aber doch so rätselhaft. Und die Frauen, durch
die Fussbekleidung gezwungen, scheinen uns steif,
biegen nur ihren schlanken Oberkörper hin
und her.

Ich erinnere an einzelne Bilder. „Das Thee-
fest." Unzählige Nachen bedecken den Strom;
am gegenüberliegenden Ufer leuchtende Thee-
häuser, auf jedem Kahn leuchtet ein Lampion
mit jenem zarten weichen Licht. Es ist Nacht.
Eine unübersehbare Menschenmenge strömt über
die hohe Brücke. Es ist unendlich still — trotz
der Fülle — trotzdem man sieht, wie die Men-

schen gestikulieren, sich amüsieren, von einem
zum anderen sich wenden. Es ist kein Lärmen
darin. Es ist die Stille vollkommener Abge-
schlossenheit. Und was diese Bilder so still
macht, das macht sie auch so feierlich. Fast alle

Darstellungen sind ja
dem wirklichen Leben
entnommen; ja man
knüpft immer wieder
daran an, man kehrt
W immer wieder dahin

i Au zurück. Aber wie wenig
'J'^E scheint das, was der
jm a^B Künstler daraus ge-
V macht hat, mit dem

lR irdischen Leben zu

L \ stimmen. Die Farben,

B ^ die Formen, die Kom-
positionen wirken wie
Ahnungen eines höhe-
ren Lebens. Sie scheinen
abgestreift zu haben,
was unirdisch an ihnen
war oder was nur
Augenblickswert besass. Und darum scheinen sie
so versunken in sich selbst. Ich erinnere mich
keiner Kunstwerke, die immer einen so in sich
selbst ruhenden Existenzwert beurkunden, wie die
Werke japanischer Kunst. Sie haben keinen
Schöpfer gehabt, sie brauchen keinen, der sich
in sie versenkt. Sie können sich im selben Augen-
blick auflösen und sind doch gewesen und sind
immer noch. Und so scheinen sie immer in sich
selbst versunken und über ihre Schönheit zu
sinnen. Und darum machen sie einen so oft sehn-
süchtig-traurigen Eindruck.

So feierlich wie vielleicht annäherd nur die
Werke der ältesten deutschen Kunst. Und darum
so ruhig, so ohne Zweck, ohne Wunsch, ohne
Streben.

Die Unendlichkeit, die unabgeschlossene Weite
des Horizonts ist das Wesen dieser Kunst. Wenn
es Melodieen giebt, die man einmal hört und
nicht vergisst und die ewig klingen und nie auf-
zuhören scheinen, so gehen hier die unsichtbaren
Wurzeln bis ins Ungemessene. Was der Künst-
ler berührt, scheint in seiner Wirkung ohne Ende
zu sein. Wir vermögen nicht abzusehen, wie wir
uns dagegen wehren sollen. Unsere in festen
Regeln geschulte Kunstauffassung will nicht

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