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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 2.1899

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Heft 11 (November 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8876#0387
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THEO VAN
RYSSELBERGHE

THEO VAN RYSSEL-
BERGHE. STUDIE
1898

Es könnte mich locken, mit Hintansetzung der
Anekdote und aller oberflächlichen Einzel-
heiten, die Natur dieses Malers direct zu
studieren. Leichtigkeit, Fülle, Raschheit des Ent-
wurfes und Gewandtheit der Ausführung, eine
immerwache Unmittelbarkeit und eine ganz unbe-
streitbare Eleganz characterisieren seinen Anfang.
Er triumphierte im Augenblick, wo er erschien;
doch alsbald begreift er, dass ein solcher Triumph
gemein ist, und sein Glück und sein Erfolg bringen
ihn, anstatt ihn zu befriedigen, zum Nachsinnen.
Schon die erste Ueberschau seiner selbst zügelt in
ihm diese gefährliche Mühelosigkeit, alles zu malen,
ohne jemals zu missfallen. Er begiebt sich mit
Eifer an's Studium; er wird in der Zeichnung straf-
fer; er erwirbt sich eine fast tadellose Technik.
Er macht gute Malerei.

Ein Anderer hätte sich damit begnügt. Theo
van Rysselberghe thut das nicht. Da seine Leiden-
schaft für die Kunst ihn mehr und mehr befeuert,
setzt er sich die Aufgabe, sein Studium des Lichtes
und des Umrisses bis zur Spitze zu treiben. Der

Impressionismus hatte ihn gewonnen. Er versteht
sofort alle dessen Hilfsquellen. Zum erstenmal wird
das Weltall in seinem hellen, beweglichen, leben-
den Aussehen betrachtet. Die Stunden, von denen
man bloss das Erscheinen im Frühlicht und das
Verschwinden in der Dämmerung kannte, sie werden
nun eine um die andere studiert und die Atmo-
sphäre wird in ihren tausend zarten Wandlungen
wiedergegeben.

Was Theo van Rysselberghe an diesem neuen
Bemühen der Kunst um den aufrichtigen Ausdruck
der Dinge gelockt hatte, das war, glauben wir,
die Freude. Manet, Monet, Renoir erleuchten die
Natur und machen sie vor Lustigkeit schreien.
Theo van Rysselberghe, indem er sich zu ihnen
wendet, gehorcht also dem Grunde seines Wesens.
Er hatte sich selbst schon zu sehr überwacht, um
auf diesen neuen Weg nichts anders mitzubringen
als nur Feuer und Flüchtigkeit. Der Impressionis-
mus, der, nicht bei den Meistern, aber bei ihren
Nachahmern, häufig im Entwurf und der Skizze
stecken bleibt, und nichts als unfertige und keim-
 
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