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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 3.1900

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.8877#0110
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WIENER GÄRTEN.

O dachten sie die Künstler wohl, die sie schufen: als geschmack-
volle Scenerie für den höfischen Prunk, als wohldisciplinierte
Coulissen für das Ceremoniell der Zeit, als heiteren Hintergrund
für die goldglitzernde Farbenpracht der seidenen und samm-
tenen Gewänder, belebt von sprudelnden Brunnen und jubeln-

den Göttern.

©©©

© Andere Menschen kamen und damit andere Weisen. Der Freiheits-
drang verfehmte jenen gekünstelten Zwang. Man liebte das „NATÜR-
LICHE". Das kleinste Stück Garten sollte einen Ausschnitt wilden Waldes
oder freier Wiese vorzaubern. Man schuf Natur = künstlich. Und so ver-
loren jene Gärten das Verständnis und die Liebe der Menschen und galten
als blosse Spielerei vergangener Mode. 0©©
© Und doch sprechen diese uns entfremdeten Formen auch eine NEUE
Sprache zu den NEUEN Menschen, und in anderen Tönen klingt ihre
Seele harmonisch an das feinere Ohr. An den langen geraden Alleen gleitet
ungehindert der Blick weithin zum sonnigen Rundplatz; die zusammen-
strebenden Linien leiten das Auge lockend zum fernen Ziel der Sehnsucht.
= In erhabener Ruhe wie in tiefinneren Träumen ragen dunkel die fest-
geschlossenen Formen der hohen Bäume; nach aussenhin sich abschlies-
send, drängt ihre Kraft ins Innere. = Unermüdlich, gleich unserer Seele,

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