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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 3.1900

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Heft 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.8877#0200
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der Verstand; und oft genug = wenn nicht in der Regel -
eine starke, aber einseitige und beschränkte Intelligenz. Cul-
tur brachten sie nicht mit und konnten sie so schnell nicht
erwerben wie ihr Wissen . . . Der blossen Intelligenz steht
vom weiten Reich der Kunst nur eine enge Vorhalle offen".
(Lichtwark.) Je klarer dieser Sachverhalt erkannt werden
wird, desto allgemeiner wird man darauf verzichten, Kunst-
werke mit dem blossen Verstände aufnehmen zu wollen.
© Dann wird sich auch mühelos die Frage der Urtheils-
berechtigung lösen. Vorläufig pflegt man noch zu meinen,
„das Urtheil bestehe in der Anwendung von Erfahrungen
und Regeln, die aus den schon vorhandenen Kunstwerken
gewonnen sind, auf die werdende oder eben neu gewordene
Kunst. In der That lassen sich die allermeisten fehlerhaften
Urtheile darauf zurückfuhren, dass vom Neuen eine Wieder-
holung des Alten erwartet wird". (Lichtwark.) Das erzeugt
natürlich Verbitterung und erschwert die Verständigung.
Wir Künstler sollten aber lieber „mit einem inneren Lächeln
durch diese Welt gehen, in der jedermann ein so über-
raschendes Quantum von Urtheilen hervorbringt," und
sollten uns bemühen, „in der heranwachsenden Jugend die
Seelen zu finden, die uns ein Echo zurückwerfen". ©©©
© Es wurde in diesen Tagen spöttisch gefragt, ob denn
der Künstler nur für Künstler schaffe. Wir antworten ruhig
„Ja!", nennen aber mit dem Ehrentitel Künstler nicht nur
jene Menschen, die mit Palette, Meissel oder Zirkel han-
tieren, sondern jeden, der Kunst „nachzuempfinden, das
heisst nachzuschaffen" vermag, und von dem Glauben, dass
deren Zahl wächst, leben wir ja. V. S.

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