Ikerlkpal.
Der Papst hat sich einem Zeitungsmanns gegenüber etwa
dahin ausgesprochen, daß er ein Urteil über die Vorwürfe der
Grausamkeit und Unmenschlichkeit, wie sie die im Kriege mitein
ander stehenden Völker sich gegenseitig machen, nicht zu fällen
vermöge, so lange nicht die einzelnen Ereignisse in einwandfreier
Weise von unparteiischer Seite untersucht worden seien. Das
haben ihm die Franzosen und Italiener mächtig übel-
genommen: Die deutschen Grausamkeiten seien durch behördliche
Akten festgestellt, es sei eine Beleidigung der Regierungen,
irgendwelchen Zweifel in sie zu setzen. Deutscher- und österreichisch-
ungarischerseits hat man die Ansicht des Papstes als eine solche
angesehen, die dem Wesen wirklicher Neutralität entspreche.
Eine solche Untersuchung wird dem, der ein gutes Ge-
wissen hat, nur willkommen sein.
In der Schweiz hat die Regierung Maßnahmen getroffen,
die eine verhetzende Parteinahme für eine der kriegführenden
Nationen und Beleidigungen dieser verbieten. Die Deutsch-
schweizer haben dem Zugestimmt, indem sie sagen: Der Staat
ist die Vertretung der Gesamtheit der Bürger. Will der Staat
neutral bleiben, so haben sich die Bürger demgemäß Beschrän-
kungen aufzuerlegen. Die französis chen Schweizer haben gegen
solche Maßnahmen heftig protestiert. Sie wollen sich die Äuße-
rung ihrer Ansichten nicht verbieten lassen, verlangen das Recht,
mit Franzosen, Engländern und Italienern um die Wette
schimpfen und — lügen zu dürfen, unbeschadet ihres Wunsches,
neutral zu bleiben, und ihres Zornes darüber, wenn etwa auch
von der Gegenseite geschimpft wird. Es wirkt da die Über-
zeugung mit, daß die Romanen das Schimpfen besser
verstehen, bei den Germanen aber, daß es bei ihnen für
unritterlich gilt, seine Gegner zu beschimpfen.
Vis heute haben nach dieser Richtung die Romanen wenig
Anlaß zum Zorn. Wir Deutsche haben gegen die Versuche, Un-
gerechtigkeit und Unwahrheit in den Dienst des Patriotismus zu
stellen, nur eine Antwort: den festen Willen redlicher Vater-
landsliebe und das laute, behagliche Lachen des Humors, der
unverwüstlichen guten Laune, die Zwar die Schimpfereien der
Gegner einen Augenblick stören, um sie dann um so lustiger wieder
vorspringen zu lassen! — namentlich dann, wenn sie wieder
einmal ihre Hiebe erhalten haben.
Juli 1915. Cornelius Gurlitt.
Der Papst hat sich einem Zeitungsmanns gegenüber etwa
dahin ausgesprochen, daß er ein Urteil über die Vorwürfe der
Grausamkeit und Unmenschlichkeit, wie sie die im Kriege mitein
ander stehenden Völker sich gegenseitig machen, nicht zu fällen
vermöge, so lange nicht die einzelnen Ereignisse in einwandfreier
Weise von unparteiischer Seite untersucht worden seien. Das
haben ihm die Franzosen und Italiener mächtig übel-
genommen: Die deutschen Grausamkeiten seien durch behördliche
Akten festgestellt, es sei eine Beleidigung der Regierungen,
irgendwelchen Zweifel in sie zu setzen. Deutscher- und österreichisch-
ungarischerseits hat man die Ansicht des Papstes als eine solche
angesehen, die dem Wesen wirklicher Neutralität entspreche.
Eine solche Untersuchung wird dem, der ein gutes Ge-
wissen hat, nur willkommen sein.
In der Schweiz hat die Regierung Maßnahmen getroffen,
die eine verhetzende Parteinahme für eine der kriegführenden
Nationen und Beleidigungen dieser verbieten. Die Deutsch-
schweizer haben dem Zugestimmt, indem sie sagen: Der Staat
ist die Vertretung der Gesamtheit der Bürger. Will der Staat
neutral bleiben, so haben sich die Bürger demgemäß Beschrän-
kungen aufzuerlegen. Die französis chen Schweizer haben gegen
solche Maßnahmen heftig protestiert. Sie wollen sich die Äuße-
rung ihrer Ansichten nicht verbieten lassen, verlangen das Recht,
mit Franzosen, Engländern und Italienern um die Wette
schimpfen und — lügen zu dürfen, unbeschadet ihres Wunsches,
neutral zu bleiben, und ihres Zornes darüber, wenn etwa auch
von der Gegenseite geschimpft wird. Es wirkt da die Über-
zeugung mit, daß die Romanen das Schimpfen besser
verstehen, bei den Germanen aber, daß es bei ihnen für
unritterlich gilt, seine Gegner zu beschimpfen.
Vis heute haben nach dieser Richtung die Romanen wenig
Anlaß zum Zorn. Wir Deutsche haben gegen die Versuche, Un-
gerechtigkeit und Unwahrheit in den Dienst des Patriotismus zu
stellen, nur eine Antwort: den festen Willen redlicher Vater-
landsliebe und das laute, behagliche Lachen des Humors, der
unverwüstlichen guten Laune, die Zwar die Schimpfereien der
Gegner einen Augenblick stören, um sie dann um so lustiger wieder
vorspringen zu lassen! — namentlich dann, wenn sie wieder
einmal ihre Hiebe erhalten haben.
Juli 1915. Cornelius Gurlitt.