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fühl schon längst bemerkt hatten, daß
nämlich unser Franz ein leidenschaft-
licher Knderfreund war. Immer
hatte er etwas für die Kleinen: ein
Schneckenhaus, ein buntes Vand, einen
Apfel, ein Mldchen.

Oft saß er auf einer SteinbanK
unter einer mächtigen Ulme, ein kleines
blondes Mädelchen auf dem Lchoße,
das ihm fröhlich kreischend im Barte
zauste. Bei solchen Gelegenheiten blinkte
es immer recht verdächtig naß in seinen
Augen. Ich wußte, er dachte an sein
Kind daheim.

Eines Nachmittags bat ich ihn, zu
einer Geburtstagsfeier eines Kame-
raden einige lustige Lachen vorzu-
tragen. Es war eine seiner vielen
prächtigen Fähigkeiten, auch die ge-
ringste Nichtigkeit mit einer Drolligkeit
wiederzugeben, alle möglichen Eigen-
heiten der lieben Mitmenschen mit einer
liebenswürdigen Komik nachzuahmen,
daß er immer die Lacher auf seiner
Seite hatte. Und weiß vielleicht einer
etwas Gesünderes für den kampf-
matten Krieger als Lachen?

„Natürlich, Freunderl. Komme
gleichentgegnete Franz. Dann raunte
er mir fast verschämt zu: „Aber weißt,
erst will ich noch ein paar Blumen
pflücken und meinem Mädel nach Hause
schicken. Sie hat nämlich in acht Tagen Geburtstag!" Damit eilte er fort. ---

Un unserem Quartier wurde eifrig gezecht. Die Stimmung wurde recht
gemütlich.

Plötzlich ein heftiger, berstender Schlag. Wir fuhren zusammen, die
Fenster klirrten. Rasch eilten wir vor die Tür.

„Aha, eine Fliegerbombe!" Nach Westen eilte im schärfsten Tempo ein
weiß im Sonnenlichte schimmernder Aeroplan, heftig beschossen von unseren
Abwehrgeschützen.

Von der Wiese vor dem Dorfe stieg noch der gelbe Rauch in Schwaden
in die Höhe. Dorthin war die Vombe gefallen.

„Na, der Schaden, den der Kerl in den Grashalmen angerichtet hat,
wird zu ersetzen sein!" meinte lachend ein Kamerad.

„Wer weiß!" entfuhr es mir. Von einer dunklen Ahnung gepackt,
eilte ich mit langen Lchritten der Wiese zu, einige Kameraden mir ver-
wundert hinterher.

Ich wußte es ja. Dort lag Franz auf dem Rücken. Aus einem Loche
in der Stirn und aus der Vrust strömte das rote Blut. In der Linken
hielt er krampfhaft ein SLräußchen Glockenblumen, roten Mohn, Mar-
gueriten. Auf seinem Gesicht lag ein glückliches Leuchten.-

Die Vlumen habe ich seinem Kinde gesandt. Ebenso ein weißes Taschen-
tuch mit einigen Tropfen vom Herzblute des Vaters.

Wenn das Mädel größer ist, dann wird es diese Dinge ansehen und
dabei an den Vater denken, der es fo liebgehabt.

.Oftmals aber, wenn wir beisammen sitzen, kommt das Gespräch unge-
wollt, wie von starken, fremden Händen erzwungen, auf unser liebes Unikum.
 
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