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Walden, Nell [Hrsg.]; Walden, Herwarth [Ill.]
Der Sturm: ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis — Baden-Baden, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.28011#0013
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Schinznach, im Frühling 1950

LOTHAR, LIEBER FREUND!

Mit Deinem Brief hast Du mir eine große Freude bereitet. Deine Worte haben mich
stolz und glücklich gemacht. — In Deinem Brief schreibst Du: wenig wäre der Mensdh,
wenn er nicht Dank sagen dürfte. Du hast recht — So darf auch ich Dir Dank sagen
für Deine Mitarbeit und für Deine Freundschaft.

Als ich im Herbst 1948 das Gefühl hatte: jetzt ist es an der Zeit, daß ich mein Buch
über den STURM und Herwarth Walden schreibe, war mir zugleich bewußt, daß ich
dieses Buch nicht ohne Deine Mitarbeit schreiben konnte oder wollte. — Seit langen
Jahren hatten wir nichts voneinander vernommen. Schweres Schicksal — durch das
Zeitgeschehen bedingt — traf Euch — traf mich... So wußte ich nicht, ob Du noch
am Leben; auch wußtest Du nicht, ob ich wohl noch auf dieser Erde weilte ... Nach-
forschungen brachten mir die Gewißheit, daß Du lebtest. — Etwas Merkwürdiges
geschah nun. Ich schrieb Dir am 21. Oktober 1948 einen Brief, in welchem ich Dir
erzählte, daß ich ein Buch über den STURM und Herwarth Walden in Vorbereitung
hätte und dazu Deine Mitarbeit haben möchte. Ich sandte den Brief ab — allerdings
unter falscher Adresse. Am selben Tage hattest Du, ganz unabhängig davon, an mich
einen Brief gerichtet, den Du über Freunde in Bern an mich leiten ließest. . . Beide
Briefe — am selben Tage geschrieben — kamen trotz falscher Adresse an! Die Ver-
bindung war wieder aufgenommen, und es war, als wären wir keinen Tag getrennt
gewesen . ..

Jetzt ist unser Buch im Manuskript fertig, und nie war bei der Arbeit die geringste
Meinungsverschiedenheit zwisdien uns. Du hast in Hamburg daran gearbeitet — idi
in der Schweiz — und trotzdem glaube ich, daß unsere Leser nie das Gefühl einer räum-
lichen Trennung haben werden; denn die geistige Verbundenheit war immer da. Lieber
Freund, darf ich Dir danken für Deine Mitarbeit, darf ich Dir danken für die alte
schöne Freundschaft, der lange Jahre Trennung nichts anhaben konnten.

Mein Dank Dir, Freund!

Deine Nell

WASSILY KANDINSKY, ANKUNFT DER KAUFLEUTE, HOLZSCHNITT (1906)

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