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Walden, Nell [Hrsg.]; Walden, Herwarth [Ill.]
Der Sturm: ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis — Baden-Baden, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.28011#0015
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Nell Walden

AUS MEINEN ERINNERUNGEN

AN HERWARTH WALDEN UND DIE „STURMZEIT“

Vierzehn Jahre gingen Herwarth Walden und ich gemeinsam durch das Leben. Ich war
seine Gefährtin und Kampfgenossin in den Jahren, die für sein Lebenswerk: der
Neuen Kunstgestaltung zum Siege zu verhelfen, ausschlaggebend waren.

Bereits im Sommer 1911 haben wir uns zum erstenmal gesehen, und zwar in Sdiweden,
in Landskrona, einer schönen Öresund-Stadt an der Westküste Schonens, wo mein Vater
dreißig Jahre lang — bis zu seinem Tode im Jahre 1933 — als Propst amtete.

Rein zufällig könnte man sagen. Wenn mit Zufall „schicksalsbedingt“ gemeint wird,
dann bestimmt.

Da diese Ausführungen Herwarth Waldens Persönlichkeit und Leben gelten sollen, und
nicht meinen Lebensweg beschreiben wollen, streife ich nur kurz die Dinge und
Ereignisse in meinem Leben vorher, die zur Orientierung des Lesers nötig sind.

Nach Absolvierung des Lyceums in Trelleborg, kam ich in sehr jungen Jahren nach
Lübeck, wo ich während herrlichen Sommermonaten die deutsche Sprache studierte.
Man muß Lübeck kennen, um zu verstehen, wie vollständig ein junges, romantisdi
veranlagtes und künstlerisch interessiertes Wesen sidi hier Deutsdiland, der deutschen
Sprache, deutscher Landschaff, Kunst und Natur verschreiben mußte. Daß ich gerade
in Lübeck landete, war schicksalsbedingt. In der Wahl meiner Eltern standen damals
auch Frankreich und England. Letzteres schon deshalb, weil die Familie meiner Mutter
aus Sdiottland stammt. Sie entschieden sich aber für Deutschland — Lübeck —, und
damit wurde auch mein zukünftiger Lebensweg bestimmt. Nach diesem Deutschland-
Aufenthalt studierte ich in Lund Musik und schloß dieses Studium mit dem Organisten-
diplom ab. Als Belohnung hierfür erhielt ich die Erlaubnis, mit meiner jüngeren
Sdiwester nadi Berlin zu reisen, um dort Konzerte, Theater usw. zu besuchen, und um
meine deutschen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Herrliche Ausflüge und Reisen
nach Potsdam, Dresden und andern deutschen Städten und Gegenden vergrößerten
meine Liebe zu diesem Lande nodi mehr.

Später erfolgte noch eine dritte Reise nach Deutschland, die mich weiter nach Böhmen,
Prag usw. führte. Es ist deshalb verständlich, daß sich mein Interesse fast ausschließlich
deutscher Kunst, Literatur und deutschen Menschen zuwandte.

In unserer kleinen Öresund-Stadt lebten einige deutschgeborene, junge Frauen, die nadi
Schweden geheiratet hatten. Es wurde ein Deutscher Club mit wödientlichen Zusammen-
künften gegründet. Eine junge Frau — einige Jahre älter als ich — sehr lebhaft und
temperamentvoll — aus Berlin stammend, schloß bald mit inir eine große Freundschafl.
Wir waren fast jeden Tag zusammen, wohnten nicht weit voneinander. Wir sprachen
zusammen Deutsch, liehen uns Bücher und Zeitschriflen usw.

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