Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Walden, Nell [Hrsg.]; Walden, Herwarth [Ill.]
Der Sturm: ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis — Baden-Baden, 1954

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28011#0194
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Otto Nebel

PAUL KLEE, dem Künstler und dem Freunde zum Gedächtnis.

Ein halbes Erdenleben lang haben sie ihn verkannt oder verhöhnt und verlacht.

Weil er ein Seher und ein Bahnbrecher war, ward er von den Verkrampften verneint.
Doch so hat man es diesseits mit den Auserwählten des Sdiicksals von jeher gemacht.
Denn der Atem der Toren ist kurz und das schwarze Herz der Arglist versteint.

Ein volles Unschuldsleben lang hat er in Sonnenweiten und Brunnentiefen seiner
märchenholden Innenwelt gelauscht.

Seine dunklen Knabenaugen aus Traumland und Sagenwald erschauten ein blühbuntes
Wunderreich.

Und mit dem, was er sah und schaffend ersann in Bildern aus Ur, hat er uns und die
Unsichtbaren in Scharen berauscht.

Seiner roten Geige Jubelsang begleitete lange sein Suchen; — seine kühnen Finderhände
waren weise fürwahr: sie waren witternd und weidi.

Seines wachsamen Wesens Milde meinte immerdar im Menschen den Dichter, meinte
zuinnerst im Former das ewige Schöpferbild.

Er, der klangklare Maler, der reiche Erfreuer, der raunende Zeichner, der feurige Zeiger
des seltsamen Neuen, — er liebte im Tiere das heitere Du und das glückliche Spielkind.
Eine kostbare Kairuan-Katze aus körnigem Kupferkies, deren Karfunkellichter leuditen
im Dunkeln, krönt seinen kreisrunden Zaubrerschild.

Er, der Seher, der aus dem singenden Blute nahe war allem Werden und Wachsen im
Nächsten, blieb indessen gelassen, unnahbar und ferne den Lauen und Grauen und
Krummen, die keine Verkünder sind.

Mahnende Zeichen zückte sein Spukwitz zum hellen Entzücken der würdigen Geister,
die seines innigen Schweigens Tiefengeheimnisse kannten.

Blitzte sein treffender Wortspott in finsteres Dummblau des Luges, mußte er hämisdien
Hexen und trügenden Trollen die schnödesten Schandwerke legen.

Aber wehe! — ein tückisches Ubel mißgönnte dem gütigen Meister die Strahlmacht der
flammenden Seele; das grausame Leiden zermürbte von innen die edlen Gefäße, die
langsam verbrannten.

Oh, wie heldisch blieb er im schrecklichen Schwinden der Kräfle noch Kämpfer und
Schöpfer, noch Vollmensch und Mittler, noch Vorbild: — im Dulden, Ertragen und
Warten, im Sorgen und Hegen!

Freund, du Großer im Jenseits, du wissender Wirker zeitlosen Maßwerks der Farben,
du Wegwart im Reiche der Fülle, wir grüßen in Treue dein Leben!

Gingst uns frühe voraus in die heilige Allwelt des himmlischen Lichtes, aus der allein
wir hienieden des Daseins innerste Wärme empfangen.

Botschaft um Botschaft von oben brachten daeinst schon immer dir helfende Engel, die
deines gläubigen Schreitens schimmernde Gönner waren; sie lehrten dich Fassen und
Halten und Geben und Geben. Und du selber, schenkender Weiser und forsdiender
Form-Schenk des hehren Befundes, du lehrtest die Kleineren Demut, Geduld und das
höhere Heimkehr-Verlangen!

166
 
Annotationen