warum hätte nicht auch einem anderen Künstler dieses Motiv
naheliegen sollen, wenn es im Gegenstand begründet war? Auf-
fallend ist entschieden, dass Beyer, dessen Sache es nicht war,
sein Licht unter den Scheffel zu stellen, unter mehr als 80 Arbeiten
seiner Hand keine einzige Figur aus diesem Kreis in seinen Kupfer-
werken verewigt hat. Meiner Ansicht nach darf Weinmüller, dessen
Arbeiten in Ottobeuren trotz des ganz verschiedenen Stoffgebiets
eine verwandte Vortragsweise zeigen, nicht kurzerhand aus-
geschlossen werden, ebensowenig der feinsinnige Lejeune.
Auf alle Fälle suchen einige dieser kleinen Kunstwerke, aus
dem Alltagsleben in ein lichteres Dasein gehoben, in der Porzellan-
plastik ihresgleichen und erinnern in ihrer heiteren Grazie an die
Terrakotten von Tanagra.
Das realistische Genre tritt in Ludwigsburg im all-
gemeinen zurück, auch fallen die betreffenden Stücke wegen ihres
kleinen Massstabes weniger in die Augen. Eine hübsche, in meh-
reren Variationen vorkommende Rundgruppe stellt die Jahres-
zeiten dar in zwei männlichen und zwei weiblichen Landleuten
mit Kindern. Überaus lebenswahre Figürchen von Bauern, Markt-
leuten, Handwerkern sind von Kennern hochgeschätzt. Mehr im
Meissner Stil ist eine Satire auf das Schneiderhandwerk. Wir
können uns in diese Kleinwelt hier nicht vertiefen.
Am Schluss unserer gedrängten Übersicht ist ein wohl noch
aus den 1770er Jahren stammendes Kabinettstück hervorzuheben,
die sogenannte Musikstunde, interessant auch deshalb, weil die
Dame Franziska von Hohenheim vorzustellen scheint. Sie sitzt
am Spinett, auf dem ein Papagei sich niedergelassen hat, zu ihren
Füssen ein Hündchen; zurückgewandt reicht sie einem galant
hinter ihr stehenden Mann mit getürmter Perücke und an Voltaire
erinnernden Gesichtszügen eine offene Dose dar — das Ganze
ein köstliches Zeitbild.
Noch ein Wort über die Farbengebung an den Figuren.
Lichte, transparente Töne sind dem Material am angemessensten.
Der Fleischton ist ausserordentlich verschieden, vom blassen An-
hauch bis zum derben Auftrag; das Erfreuliche liegt natürlich in
der Mitte, doch mehr nach der ersten Seite hin. Das einzelne,
wie das Gesichtsrot, ist nicht immer gut ausgeglichen. Bei den
Gewändern war in Beyers Periode ein zartes Lila Favoritfarbe,
daneben ein sattes Violett und ein mildes Rosa. Beliebt waren
auf hellem Grunde gemusterte Stoffe. Weniger häufig wird ein
kräftiges Rot angewendet, selten Blau und Gelb. Die grüne Farbe
scheint besondere Schwierigkeiten gemacht zu haben; an Figuren
ist sie manchmal nicht gleichmässig vertrieben; in der Vegetation
wirkt sie nicht selten stumpf. Ist also in einzelnen Fällen der
Tadel begründet, dass Ludwigsburger Farben »nicht ganz klar,
sondern etwas trübe« seien, so gibt es doch Figuren genug, die
uns auch durch delikate Farbenstimmung entzücken.
Haben wir nun in der Ludwigsburger Porzellanplastik im
engeren Sinn neben einer aus zweiter Hand (Paris-Augsburg)
kommenden Rokoko-Unterströmung ein vorwiegendes Hinneigen
zur antiken Formenwelt beobachtet, so wird im Porzellangeräte
die unmittelbare Einwirkung des Rokoko, wie sie von Dresden
ausströmte, zutage treten.
3. Das Porzellangeräte. — Riedel, Steinkopf.
Von dem vielgestaltigen Porzellangeräte fassen wir zunächst
diejenige Gattung ins Auge, welche ins Figürliche hinüberspielt
In erster Linie stehen hier vermöge ihres Umfanges die Tafel-
aufsätze. Mit riesenhaften Werken dieser Art pflegte Herzog
Karl bei den verschwenderischen Hoffesten, welche sich an seinen
Geburtstag anreihten, vor den fremden Herrschaften zu prunken.
Uriot, der bekannte ehemalige Schauspieler, dann Biblio-
thekar und Lobredner des Herzogs, beschreibt uns ein solches Stück
aus dem Jahr 1764. Inmitten des Feenpalastes (palais enchante), in
welchen der grosse Hof des Ludwigsburger Schlosses durch kunst-
volles Zimmerwerk umgewandelt war, erhob sich eine säulen-
getragene Rotunde; unter ihr stand die Tafel, welche der Aufsatz
zierte. »Ce surtout sortoit d'un bassin d'eau long de dix-sept
pieds, sur onze de large; il etoit de Porcelaine b lan ehe et
avoit ete fait pour cette fete par les meilleurs ouvriers de la manu-
facture de Louisbourg. II etoit compose de quantite de figures
dans les quelles l’art de la sculpture sembloit s’etre surpasse. —
La pieee du milieu elevee de six pieds au dessus de l’eau, re-
presentoit Neptune sur un char traine par quatre chevaux
marins atteles de front, et environne de Dauphins, qui tous
paroissoient vouloir se precipiter du haut d’un rocher sur une
cascade formee par les Tritons et des Nayades. Ce rocher
representoit quatre grottes ä jour sous les quelles les Vents
etoient enchaines; et toutes les figures de ce groupe lan^oient
continuellement en tous sens des eaux qui avant de tomber dans
le bassin tra^oient en se croisant quantite de figures differentes. —
Quatre autres rochers simmetriquement disposes soutenoient chacun
un groupe dont la figure principale etoit un grand Fleuve versant
aussi les eaux dans le bassin. Les bords etoient garnis de petits
rochers sur les quels on voyait des Dauphins, des Tritons, des
Enfans et des Pecheurs dont les attitudes et les amusements
etoient varies par I'imagination la plus feconde et la plus pit-
toresque." Hieher dürften u. a. die noch vorhandenen Fluss-
götter gehören.
naheliegen sollen, wenn es im Gegenstand begründet war? Auf-
fallend ist entschieden, dass Beyer, dessen Sache es nicht war,
sein Licht unter den Scheffel zu stellen, unter mehr als 80 Arbeiten
seiner Hand keine einzige Figur aus diesem Kreis in seinen Kupfer-
werken verewigt hat. Meiner Ansicht nach darf Weinmüller, dessen
Arbeiten in Ottobeuren trotz des ganz verschiedenen Stoffgebiets
eine verwandte Vortragsweise zeigen, nicht kurzerhand aus-
geschlossen werden, ebensowenig der feinsinnige Lejeune.
Auf alle Fälle suchen einige dieser kleinen Kunstwerke, aus
dem Alltagsleben in ein lichteres Dasein gehoben, in der Porzellan-
plastik ihresgleichen und erinnern in ihrer heiteren Grazie an die
Terrakotten von Tanagra.
Das realistische Genre tritt in Ludwigsburg im all-
gemeinen zurück, auch fallen die betreffenden Stücke wegen ihres
kleinen Massstabes weniger in die Augen. Eine hübsche, in meh-
reren Variationen vorkommende Rundgruppe stellt die Jahres-
zeiten dar in zwei männlichen und zwei weiblichen Landleuten
mit Kindern. Überaus lebenswahre Figürchen von Bauern, Markt-
leuten, Handwerkern sind von Kennern hochgeschätzt. Mehr im
Meissner Stil ist eine Satire auf das Schneiderhandwerk. Wir
können uns in diese Kleinwelt hier nicht vertiefen.
Am Schluss unserer gedrängten Übersicht ist ein wohl noch
aus den 1770er Jahren stammendes Kabinettstück hervorzuheben,
die sogenannte Musikstunde, interessant auch deshalb, weil die
Dame Franziska von Hohenheim vorzustellen scheint. Sie sitzt
am Spinett, auf dem ein Papagei sich niedergelassen hat, zu ihren
Füssen ein Hündchen; zurückgewandt reicht sie einem galant
hinter ihr stehenden Mann mit getürmter Perücke und an Voltaire
erinnernden Gesichtszügen eine offene Dose dar — das Ganze
ein köstliches Zeitbild.
Noch ein Wort über die Farbengebung an den Figuren.
Lichte, transparente Töne sind dem Material am angemessensten.
Der Fleischton ist ausserordentlich verschieden, vom blassen An-
hauch bis zum derben Auftrag; das Erfreuliche liegt natürlich in
der Mitte, doch mehr nach der ersten Seite hin. Das einzelne,
wie das Gesichtsrot, ist nicht immer gut ausgeglichen. Bei den
Gewändern war in Beyers Periode ein zartes Lila Favoritfarbe,
daneben ein sattes Violett und ein mildes Rosa. Beliebt waren
auf hellem Grunde gemusterte Stoffe. Weniger häufig wird ein
kräftiges Rot angewendet, selten Blau und Gelb. Die grüne Farbe
scheint besondere Schwierigkeiten gemacht zu haben; an Figuren
ist sie manchmal nicht gleichmässig vertrieben; in der Vegetation
wirkt sie nicht selten stumpf. Ist also in einzelnen Fällen der
Tadel begründet, dass Ludwigsburger Farben »nicht ganz klar,
sondern etwas trübe« seien, so gibt es doch Figuren genug, die
uns auch durch delikate Farbenstimmung entzücken.
Haben wir nun in der Ludwigsburger Porzellanplastik im
engeren Sinn neben einer aus zweiter Hand (Paris-Augsburg)
kommenden Rokoko-Unterströmung ein vorwiegendes Hinneigen
zur antiken Formenwelt beobachtet, so wird im Porzellangeräte
die unmittelbare Einwirkung des Rokoko, wie sie von Dresden
ausströmte, zutage treten.
3. Das Porzellangeräte. — Riedel, Steinkopf.
Von dem vielgestaltigen Porzellangeräte fassen wir zunächst
diejenige Gattung ins Auge, welche ins Figürliche hinüberspielt
In erster Linie stehen hier vermöge ihres Umfanges die Tafel-
aufsätze. Mit riesenhaften Werken dieser Art pflegte Herzog
Karl bei den verschwenderischen Hoffesten, welche sich an seinen
Geburtstag anreihten, vor den fremden Herrschaften zu prunken.
Uriot, der bekannte ehemalige Schauspieler, dann Biblio-
thekar und Lobredner des Herzogs, beschreibt uns ein solches Stück
aus dem Jahr 1764. Inmitten des Feenpalastes (palais enchante), in
welchen der grosse Hof des Ludwigsburger Schlosses durch kunst-
volles Zimmerwerk umgewandelt war, erhob sich eine säulen-
getragene Rotunde; unter ihr stand die Tafel, welche der Aufsatz
zierte. »Ce surtout sortoit d'un bassin d'eau long de dix-sept
pieds, sur onze de large; il etoit de Porcelaine b lan ehe et
avoit ete fait pour cette fete par les meilleurs ouvriers de la manu-
facture de Louisbourg. II etoit compose de quantite de figures
dans les quelles l’art de la sculpture sembloit s’etre surpasse. —
La pieee du milieu elevee de six pieds au dessus de l’eau, re-
presentoit Neptune sur un char traine par quatre chevaux
marins atteles de front, et environne de Dauphins, qui tous
paroissoient vouloir se precipiter du haut d’un rocher sur une
cascade formee par les Tritons et des Nayades. Ce rocher
representoit quatre grottes ä jour sous les quelles les Vents
etoient enchaines; et toutes les figures de ce groupe lan^oient
continuellement en tous sens des eaux qui avant de tomber dans
le bassin tra^oient en se croisant quantite de figures differentes. —
Quatre autres rochers simmetriquement disposes soutenoient chacun
un groupe dont la figure principale etoit un grand Fleuve versant
aussi les eaux dans le bassin. Les bords etoient garnis de petits
rochers sur les quels on voyait des Dauphins, des Tritons, des
Enfans et des Pecheurs dont les attitudes et les amusements
etoient varies par I'imagination la plus feconde et la plus pit-
toresque." Hieher dürften u. a. die noch vorhandenen Fluss-
götter gehören.