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C. J. Wawra <Wien> [Hrsg.]
Miniaturensammlung Moriz Mayr: [Versteigerung 16. Mai 1927] (Katalog Nr. 291) — Wien, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.24049#0020
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aufgesteckt hat. Ebenso reichhaltig ist das Oeuvre der drei Brüder The er vertreten,-
vor allem das von Robert, dem Bedeutendsten unter ihnen. Wir sehen von ihm: das
meisterliche, Ton in Ton gemalte Porträt des englischen Harfenvirtuosen Alvars, das
sprechend herausgearbeitete Brustbild des alten Herrn von Rodakowski, das breite, frei
ausspähende Antlitz des Historienmalers Ulbrich, dann das scharferfaßte Bildnis der Mutter
des Künstlers, mit den verstandesklugen, etwas kränklichen Zügen, und nickt zuletzt das
mit Schwung und Anmut ausgeführte Miniaturporträt seiner jungen und schönen Gattin.
Von Albert Theer fällt eine prachtvoll charakterisierte alte Dame mit Haube und
reicher Spitzengarnierung auf — ein Bildnis, in dem ein Hauch Waldmüllerscher Natur-
empfindung nachzittert, von Adolf endlich ein mikroskopisch feines und farbig ausgeglichenes
Selbstporträt. Eine erfreuliche Überraschung bilden die Miniaturen von Saar, die dem
porträtmäßigen Ausdruck des Charakters, feinmalerischen Takt und ein durchaus indi-
viduelles künstlerisches Empfinden leihen. Bildnisse wie etwa: die Dame in weißem Kleid
mit großem schwarzem Hut, die Rotblonde mit weißem Maschenaufputz, die junge ver-
sonnene Wienerin in weinrotem Kleid, mit Scheitelfrisur und gerolltem Zopf, oder das
durchgeistigte Porträt des weltkundigen Matthäus von Collin, Erziehers des Herzogs von
Reichstadt, geben nicht nur eine treffliche Vorstellung von der Künstlerschaft Saars, son^
dern dürfen auch überhaupt zu den besten Miniaturen der Alt-Wiener Schule gezählt
werden. Unter den richtunggebenden Beherrschern der Aquarellkunst treten Krie-
huber mit einem Frauenbildnis von delikater Farbengebung und durchaus miniaturistischer
Technik und mit einem anheimelnden Jugendporträt von Amerling undHähnisch gleich-
falls mit einem Damenbildnis, darin eine virtuose Darstellung von Ruhe und Bewegtheit
auffällt, im besonderen hervor. Zu erwähnen wäre auch noch Eybl, von dem ein natur-
getreues Miniaturbildnis seiner Tochter zu sehen ist. Der Ausklang der Wiener Porträt-
miniatur ist durch die bemerkenswerten Leistungen eines Raab und Wailand gegeben.
Im Anschluß an die österreichischen Kleinbildnismaler sei noch zuletzt auf einige Minia-
turisten italienischer Herkunft hingewiesen, deren künstlerische Tätigkeit mit Österreich, be-
ziehungsweise mit Wien vielfach zusammenhängt. Auch die Miniaturporträts eines Bossi,
Castelli und Monsorno <der letztere steuert ein interessantes, angebliches Doppelbild-
nis Theodor Körners und seiner Braut bei) verdienen spezielle Beachtung und fügen sich,
dank ihrer Qualität, günstig dem künstlerischen Gesamtganzen ein.

Wenn wir die reiche Fülle des Dargebotenen noch einmal zusammenfassend betrachten,
empfinden wir es nachdrtiddich, daß der Sammlung Mayr ein durchaus individueller
und einmaliger Charakter zu eigen ist. Wir dürfen vermuten, daß der heute sdion großge-
wordene Kreis von Miniaturenliebhabern und Sammlern die Gelegenheit benützen wird,
einen gründlichen Einblick in die Kostbarkeiten dieser Sammlung zu nehmen und wir wollen
hoffen, daß nicht nur die privaten Sammler, sondern auch die Museen und öffentlidien In-
stitute aus diesem bedeutsamen Kunstreservoir entsprechend schöpfen werden. Schließlidi
sei es uns noch gestattet, einem von zahlreichen Wiener Kunstfreunden geteilten Wunsche
Ausdruck zu leihen, daß von den zur Versteigerung gelangenden Miniaturen zumindest ein
Teil in Wien verbleibe und womöglich jener, der mit dem bedeutenden Aufschwung der
einheimischen Miniaturbildniskunst aufs engste zusammenhängt.

DR. LEO GRÜNSTEIN.

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