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Weese, Artur
München: eine Anregung zum Sehen — Berühmte Kunststätten, Band 35: Leipzig: Seemann, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.47072#0249
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Ludwig I.

235


Abb. ^54. Reiterdenkmal des Kurfürsten Maximilian I. von
Tborwaldsen P8Z5 im Modell vollendet).

Beschäftigung. Die lebendige, durch gesellschaftlichen Verkehr geweckte Teilnahme
für die Arbeit jener Maler, die man persönlich kannte und die in derselben Stadt
lebten und schufen, war ein höchst bemerkenswertes Symptom der neuen Kunst-
bildung. Das Publikum wollte selbst sehen und beurteilen, was geleistet wurde.
Die Kunst war nicht mehr ein Studienobjekt in Galerien, Kupferstichkabinetten und
Sammlungen. Sie war lebendige Produktion, für die sich das Interesse ebenso
einfand, wie für die neueste Literatur und Musik. Den Münchnern ging ein Ver-
ständnis auf für die wirtschaftliche und geistige Bedeutung der Produktion in den
zahlreichen Ateliers, die
sich immer schneller ver¬
mehrten, je größer die
Nachfrage, namentlich auch
desAuslandes,nachMünch-,
ner Bildern wurde.
Ihren Nährboden fand
diese neue Gruppe des
künstlerisch interessierten
bildungslustigen und em¬
pfänglichen Volkes in dem
Institut des Kunstver-
eins. In München ist
diese genossenschaftliche
Vereinigung der bürger¬
lichen Knnstpflege zuerst
entstanden. Bei den großen
Monumentalunterneh-
mnngen des Königs war
die bürgerliche Welt inner¬
lich so gut wie gar nicht
engagiert. Ihr fehlte in
ihrem größeren Teile die
wissenschaftliche Vorbil¬
dung von paus aus und
das Grgan znm Verständ¬
nisse der hochfliegenden
Pläne des großen Mannes.
Aber das Bürgertum war
doch nun einmal auf dem
bVege, sich in allen Fragen
des geistigen Lebens zu
emanzipieren und auf
eigene Füße zu stellen.
Sogar die materiellen Mittel des Bürgers konnten, wenn sie geschickt konzentriert
wurden, auf dem Kunstmarkte werbend und lockend auftreten. Selbständig
den Kunstmäcen spielen und die eigene Kaufkraft an die Spekulation der Bilder-
käufer wagen, daran dachte wohl vorläufig noch kein Bürger. Die ersten guten
und künstlerisch reifen Privatgalerien moderner Kunst in Deutschland waren in
aristokratischem Besitze. In Berlin sammelte der Graf Raszynski. In München
begründete Graf Schack seine herrliche Sammlung (Abb. tss). Aber in der Form
von Konsortien, von künstlerischen Konsumvereinen, konnte sich das bürgerliche Kunst-
bedürfnis wohl betätigen, wenn es geschickt geleitet wurde. Es war natürlich, daß
in München solche Gedanken zuerst auftauchten, denn hier entstand zuerst eine
 
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