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Noch ist es wenig mehr als eine Woche, daß sie
den feldgrauen Rock tragen: die Rekruten vom
Infanterieregiment 9 in Potsdam, dis
wir an einem regenfeuchten Morgen spät im Oktober
besuchen, vom Turm der nahen Garnisonkirchs hat
es eben acht geschlagen. Am diese Stunde fängt
in Büros und Kontoren gewöhnlich die Tagesarbeit
an. Doch wer Soldat ist, steht in der Regel mit den
Hühnern auf. And wenn einer auch erst acht Tage
Soldat ist, so hat er doch zum mindesten das eine
schon gelernt: flink wie sin Wiesel aus dem Bett zu
flitzen, wenn morgens um halbsechs der Anterossizier
vom Dienst rauh aber herzlich seinen Weckruf von
Stube zu Stube schallen läßt. Von diesem Augen,
blick an gehört der Rekrut nicht mehr sich selbst,
sondern der Nation, die aus ihm ihren Waffenträger
machen will. Auch dieMorgenwäsche ist schon „Dienst",
vis deutsche Wehrmacht will nur reinliche Soldaten.
Danach gibt es allerhand zu tun. Anzug Nachsehen.
Spind, Bett und Stube in Ordnung dringen. And
das „Bsttenbauen" will gelernt sein! Zum Krühstück
bleibt angemessene Zeit. Zu beschaulicher Zeitungs-
lektüre reicht sie freilich nicht aus. Bald heißt es:
Antreten! Zum Krühsport, zum Anterricht oder zum
Exerzieren. Vas macht warm, das macht munter.
And um acht Ahr gibt es bestimmt keinen mehr,
dem etwa noch der Schlaf aus den Augen sieht.
Im Hof der alten Kaserne in der prissterstraße -
Teile des Gebäudes stammen noch aus der Zeit
Kriedrichs des Großen - herrscht reger vienstdetrieb.
Die Rekruten von zwei Kompanien sind beim Lrer-
zieren. Natürlich ohne Gewehr oder gar Maschinen,
gewehr! Soweit ist es noch lange nicht. Bevor die
jungen Vatsrlandsverteidiger die Waffen in die
Hand bekommen, müssen sie erst einmal gründlicb
wissen, wie der Soldat sich hält und sich bewegt.
Dazu dienen Antret, und Richtüdungen, einfache
Marschübungen, einzeln und in der Kolonne, Wen-
düngen und - nicht zu vergessen - das Erlernen
des militärischen Grußes. «MM
Schon das richtige Stillstehenkönnen ist nicht
so einfach für junge Leute, die sich auf der Schul«
bank, am Schreibtisch, in der Werkstatt oder hinterm
Pflug bereits eine nachlässige Haltung angewöhnt
hatten. Da hat der ausdildende Unteroffizier oder
Gefreite oft seine liebe Not, gekrümmte Rücken,
vvrfallsnds Schultern und „nach der Heimat aus-
gedrückte" Knie wieder gerade und straff zu machen.
And erst die Arme und Hände! Ist es doch meist
so, als ob der junge Rekrut gerade mit
Teilen seiner Glieder am allerwenigsten etwas an-
zusangen weiß. Unbeholfen schlenkern sie beim Mar.
schieren hin und her und wie die Hand beim „Still-
gestanden" flach mit deigefügtem snicht etwa weit-
abstehendem!) Daumen an die Hosennaht gelegt
werden soll, das will so manchem angehenden
Schützen gar nicht eingehsn. Aber unermüdlich er-
klären und erläutern die ausbildenden Korporale,
bald herzhaft deutlich, bald väterlich milde, bald
durch persönliches Beispiel, wie es gemacht wirb.
Und die jungen Rekruten sind mit Keuersiser, mit
tiefem Ernst bei der Sache. Mag ihre Haltung da
und dort auch noch etwas verkrampft sein: man
sieht doch schon jetzt, wie sich aus dem militärischen
Embryo der Soldat zu entwickeln beginnt.
Lin Zug der 2. Kompanie übt gerade das An-
treten in Linie. Noch ist nicht jedem der jungen
Leute der Platz, wo er hingehört, so gewissermaßen
in Kleisch und Blut übergegangen, daß er ihn in-
stinktmäßig mit nachtwandlerischer Sicherheit sofort
wisdersänds. Noch gibt es einige Schöflein, die zu-
nächst umherirren, hochroten Kopfes und im Gedächt-
nis suchend „Wer war doch nur mein Nebenmann?"
Aber schon in einigen Tagen wird sich diese Unsicher-
heit gelegt haben, wird der Zug Sekunden nach
dem Befehl zum Antreten stehen, wie aus einem
Guß gefügt.
Lins andere Gruppe ist beim Aden von Wen-
düngen. Rechtsum und Linksum und kehrt. Tiefe
Kurchen bohren die nägeibeschlagenen Absätze in die
MM