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Sin jeder sucht im Kamps zwischen Panzer und Ge-
schoß den anderen zu übertrumpfen: der Sieger von
heute kann — in diesem Kamps — der Unterlegene
von morgen sein. Besonders reich ist die Geschichte
dieses Kampfes aus See und im Kamps des schweren
Geschützes gegen die ßestung. Beide Begriffe sollen hier
außer acht bleiben. Und trotzdem bleibt genug, um die
Wechselbeziehungen von Panzer und Geschoß aus dem
verbleibenden Restgebiet zu betrachten.
Wir gehen in dis Zeit des großen Krieges zurück.
Ist die Einführung des Stahlhelmes, der gegen kleine
Splitter schützt, nicht ein klusschnitt aus diesem Rin-
gen? Die Einführung der Smk-Munition, eines
Spitzgeschosses mit Kern, als Insanteriegeschoß ver-
legte das Duell zwischen Panzer und Geschoß, das bis
dahin doch mehr die Domäne der klrtillerie gewesen
war, in den Insanterieraum. Mit dieser Munition war
es möglich, gegen MG- und Seschützschilde, gegen den
leichtesten Panzer von Kampssahrzeugen und gegen
gepanzerte oder maschinelle Teile von Zlugzeugen
Wirkung auszuüben. Damit ist zugleich angedeutet,
daß der Panzer und das ßlugzeug sich in den Insan-
teriekamps einschalteten, klber zunächst war das neue
Insanteriegeschoß noch überlegen — bis sein Gegner
der Panzer, wieder ein mächtigeres Dort sprach. Die
Technik hatte es — leider nicht aus deutscher Seite —
verstanden, die Wirkung des Lmk-Seschosses durch
eine stärkere Panzerung auszuheben. So wurde der
deutsche Insanterist gegen die gepanzerte Angrisss-
wasse wehrlos. Sr ist es eigentlich bis zum Ende des
Krieges geblieben, wenn er sich auch selbst mit Pro-
visorien hals, wenn ihm auch die Schwesterwossen.
vornehmlich die leichte klrtillerie mit direktem Schuß,
jede nur mögliche Unterstützung zuteil werden ließen.
Sin Lakuum war zu überbrücken, bis die Waffe ge-
sunden war, die den Infanteristen wieder zum aus-
sichtsoollen Kamps gegen den Panzer befähigen sollte.
Massen sind nicht aus dem Boden zu stampsen, sie
brauchen oft Jahre, bis aus der ersten Konstruktion
etwas vollwertiges geworden ist. Und es ist in der
deutschen Massenherstellung immer so gewesen, daß das
Instrument, dessen Konstruktion lange Zeit dauerte, sich
dann auch immer als das beste erwies. Die Geschichte
unserer schweren Zeldhaubitzs, die in ihren klnsängen
bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts hineinreicht,
ist Beweis sür diese Behauptung. Sie war im Kriege
so gefürchtet, daß Versailles es sür bequemer hielt,
uns auch dieses Geschütz verbieten zu müssen. Lin
gnädiges Schicksal hat es nicht sterben lassen.
Unsere Infanterie aber konnte nicht warten. So
gab man ihr zunächst ein seltsames Gebilde in die
Hand, das sogenannte Tankgewehr von 13,25
Millimeter Seelenweite, das ein vergrößertes SmK-
Geschoß verfeuerte. Gberslächlich betrachtet war dieses
Tonkgewshr ein Gewehr 98 in vergrößertem Maßstab.
Ls wog 16 Kilogramm gegen die 4,1 Kilogramm des
Gewehres, war 1,75 Meter lang und mußte zum
Schießen aus eine Stütze gelegt werden. Der Rückstoß
war so groß, daß er beinahe über die körperliche krast
eines Menschen hinausging. Viel vertrauen hatte die
Truppe zu diesem Monstrum nicht, und es ging bald
ein Witz herum, daß das Gewehr sür die Kinnlade
des Schützen gefährlicher sei als für den feindlichen
Panzer.
So war es in der Praxis nun wiederum nicht. Die
Schußleistungen waren durchaus nicht schlecht und
zwischen 100 und 1000 Meter konnte die damals üb-
liche panzerstärke durchaus durchschlagen werden. Juni
Indrandsetzen des Tonkinnern diente eine T-Phosphor-
munition. Diese Wasse sollte nur ein Notbehelf dar-
stellsn. Sie sollte Lückenbüßer sein, bis das Tuf, das
Tank- und Zliegerbekämpsungs-MS, in größeren Liefe-
rungen an die Truppe ausgegeben werden konnte.
Dieses Tus übertrug die T-Munition des Tankgewehrs
aus bas MG, konnte die Eigenschaften des MG nutz-
bringend anwenden und hätte den Kamps der deut-
schen Infanterie gegen Panzer und Schlachtslieger

rum
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wesentlich erleichtern können, klber es kam zu spät.
Der Krieg war zu Ende, als es ln brauchbaren Men-
gen herouskam. Ruch das Reichsheer hatte keinen
Nutzen mehr davon, weil es ihm verboten wurde.
Worum kam es s o s p ä t heraus? Ls lag an den
klnsorderungen, die an eine solche Wasse gestellt wer-
den mußten. Sie mußte leicht und beweglich
sein. Sie mußte niedrig im klusbau sein, um die
eigene Stellung nicht zu verraten. Sein Geschoß sollte
soviel Durchschlagskraft entwickeln, daß keine
panzerstärke ihm widerstand. Ls sollte daneben soviel
Sprengkraft enthalten, daß es im Innern des
durchschlagenen Panzers die lebenswichtigen Llemente.
die Besatzung und das Material, vernichten konnte.
Ls sollte aber noch mehr. Ls sollte auch gegen nicht-
gepanzerten Zeind, gegen MGs und ihre
Nester wirken können. Ls sollte also eine AniVer-
sal wasse sein gegen einen Sesomtseind, der aus
Infanterie oder aus panzern oder aus Schlachtsliegern
oder aus einem „gemischten verband" solcher Waffen
bestehen würde.
Line solche Zorderung zu erfüllen ist schwer. Was
die deutschen Wafsentechniker im Kriege ansingen,
haben andere sortzuentwickeln versucht. Die Masse
aber, dis allen diesen Bedingungen entspricht, ist bis
heute nicht gesunden. Ls ist gleichgültig, ob
die Konstruktion vom Insanteristischen her, d. h. vom
Maschinengewehr aus, oder vom Artilleristischen her,
d. h. von der Revolverkanone ans, an eine solche
Anioersalwosse herangingen. Man stellte zunächst sest,
daß das Kaliber des deutschen Tus zu schwach war.
And man ging dazu über, solche Maschinenwaffen,
die einmal als überschwere Maschinen-
gewehre, das andere Mal als Maschinen-
kanonen bezeichnet werden, mit einem größeren
Kaliber von etwa 20 bis 25 Millimeter Seelenweite
zu entwickeln. Ihr Vorteil mußte darin liegen, daß es
bei diesem Kaliber möglich ist. Geschosse mit Spreng-
ladung und Zünder zu fertigen, die also außer einer
hohen Durchschlagskraft noch durch ihre Spreng-
ladung wirken können. Die Zrage des Untergestelles,
der Lasette, macht dabei die Herzen der Techniker
schwer. Diese Lasette soll sest und doch niedrig sein,
sie soll ein großes Höhen- und Seitenrichtseld haben,
um als Gestell für Flugabwehr und als Schwenkungs-
mittel gegen plötzlich von der Seite austauchsnde
Panzer gleichermaßen zu dienen. Solche Anforderun-
gen, zu denen noch das Absangen des nicht vermeid-

baren Rückstoßes gehört, stehen dem Zwang, mit dem
Gewicht nicht zu hoch zu gehen, sehr entgegen. Da-
bei hat es sich dann ergeben, daß mit einem Lasetten-
gewicht von 300 Kilogramm gerechnet werden muß,
wenn die Wasse brauchbar sein soll. Damit taucht
das Transportprvblem aus. Das verringert aber ihren
Wert als Wasse im Insanteriekampsseld, wo es aus
große Beweglichkeit ankommt. Solche Dinge haben
bisher die Herstellung einer allen Wünschen gerecht
werdenden maschinellen Linheitswasse verhindert.
Der einzige Trost, mit dem sich die Zachleute aus-
polstern können, ist der, daß es ihren Kollegen in
allen Ländern nicht anders ergeht.
Die Infanterie kann aber auch im tzrieden nicht
warten. Sie braucht Massen, wenn sie jederzeit in der
Lage sein so», nicht nur einen modernen Feind an-
zuhalten, sondern auch anzugreifen. Darum mußte
man ihr Sondermassen in die Hand geben.
And man ging - neben Bogenschußwassen - an die
Konstruktion besonderer Panzerabwehrkanonen, bei
denen man noch ein größeres Kaliber wählte und sich
zwischen Seelenweiten von 3,7 bis 4,7 Zentimeter be-
wegte. Ls wurden aus diese Weise sehr brauchbare
Massen entwickelt. So ist die deutsche Pak, die
Panzerabwehrkanone der Panzerabwehrkompanien
der Insanterie und der panzerobwehradteilungen
der höheren verbände eine solche. Andere Staaten
haben sich aus ein 4,7-Zentimeter-Kaliber sestgelegt.
andere schwanken, nach praktischen Erfahrungen der
Truppe, so Frankreich, das zunächst ein 2,5-Zentimeter-
Geschütz gegen Panzer wählte und dann ein 3,7-Zen-
meter-Seschütz sür besser geeignet hielt. Die Flug-
abwehr wählte selbständige Waffen und schuf sich
neben besonderen Fliegerabwehrmaschinengewehren
automatische 2-Zentimeter-kanonen.
Ist der Gedanke an eine überschwere automatische
Aniversalwasfe — mit der man der Insanterie ein
Idealmittel in die Hand gibt, das auch zahlreich
genug vorhanden sein könnte, um allein schon durch
die Masse zu wirken, das nicht wie kostbarere größere
Massen in verhältnismäßig kleine verbände aus-
geteilt zu werden braucht, um den einzelnen Inson-
terieeinheiten Schuh zu gewähren - aufgegeben?
Nein. Als versuchswassen sind solche Neu-
konstruktionen vielerorts in Gebrauch. Dabei ist es
interessant, daß sie zum Teil aus deutschen kriegs-
konstruktivnen beruhen. Ls sind dies die 2-Zenti-
meter-Schnellseuerkanone des Stahlwerkes Becker und
die 2-Zentimeter-Maschinenkanone Ehrhardt, die An-
fang 1918 soweit fertig waren, daß sie als Maschinen-
kanonen sür Flugzeuge brauchbar schienen. Bei dem
starken Bedürfnis der deutschen Infanterie zur Kamps-
wagenabwehr sind solche Kanonen aber auch dieser
Schwestergattung überwiesen worden, vornehmlich
die Becker-Kanone diente dann den Schweizer
Gerlikon-Werken zur Konstruktion ihrer 20-
Millimeter-Maschinenkanvne als Unterlage. Ihre Kon-
struktion soll kriegsbrauchbar sein, und sie ist
gleichermaßen als Insanterie-Begleitwasse wie zur
Fliegerabwehr, wie als ßlugwasse gedacht. Dieselbe
Fabrik hat mit dem Ausgangspunkt „Deutsches Tank-
gewehr" übrigens auch ein Selbstladegewehr
herausgebracht, das bei gleichem Kaliber ein Geschoß
von 128 bis 142 Gramm sSpreng- dzw. Panzer-
granate! mit einer Feuergeschwindigkeit von 40 Schuß
in der Minute verschießen kann und Panzer non
15 Millimeter aus 500 Meter durchschlägt. In Eng-
land will man brauchbare versuche mit diesem Ge-
wehr gemacht haben, das übrigens kürzer und leich-
ter ist als die glsichsalls schweizerische 2-Zentimeter«
Tankdüchse „Solo" der Werke Solothurn, die
noch leistungsfähiger als das Serlikon-Gewehr sein
soll. Ihr Gewicht beträgt 10 Kilogramm, das Magazin
saßt 5 bzw. 10 Patronen. Die Wasse ist nicht nur sür
die Infanterie, sondern auch als Bewaffnung sür
Panzer gedacht. Ihre Panzergranate soll bei einen,
Austrefswinkel von 60 Grad saus den Panzer) pan^r-

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