9. Kortsetzung
Die letzt« zortjetzung schloß: Der schlanke Dann mit dem goldenen Lichenlaub am
Kragen stellte die immerhin sehr kühle jrage: »Sie haben über die klngelsgenhsit der bekannten
Wasssnoernichtung abweichende Ansichten zum Nusdrnck gebracht? Ich bitte um Ihre Nuffaffung.'
„Herr General! Die kldsichtsn des Ksindes zu durchkreuzen, ist meine Wicht. And wenn es sich
um eine kindsrpistole handelt, dis der Zeind an sich dringen und oernichten will: Ich schass« sie in
Sicherheit. Im Za» jener Dassen hätte man sich anders verhallen müssen.'
Hinter diesem Dann stand das Geradeaus seiner Tapferkeit. Der General Hörle ihm jetzt mit
größerem Dohigejailen zu. .Wie hätten Sie es also gemacht!'
.Ich habe zu spät davon srsahren. Ms die Lnlenteossiziere schon in Norbsrg waren. Sonst hätte
ich von mir aus gehandelt. Vas bitte ich mir zu glauben, Herr General.'
.Unbesehen. Ls ist Ihnen bekannt, daß das Wassenlager der zreischärler schon längst verraten war!
Sie hätten es also in der letzten Stunde noch an sich gebracht. Der Verräter hätte Sie beobachtet.
Schwere Behelligungen der Reichswehr wären die Katze gewesen. Ihnen ist auch ein offener Beseht
bekannt, daß kein Ungehöriger der Reichswehr sich in irgendwelche Dassenschiebungen einiassen dars!'
„Bekannt', nickte Degner, „und ich deute mir diesen Beseht im Hinblick aus seine jajt plakat-
mäßige Ssssnheit ebenso wie jeder andere Vssizier.'
..Leutnant Wegner", unterbrach Gran ihn mit schärferem Lächeln, „ich verstehe
Ihre Andeutungen recht gut."
„Zu Befehl. Ich hätte also die Massen aus eine Art und Weise an mich bringen
müssen, die jeden Verdacht von der Reichswehr ablenkte. Ich Hütte mit dreißig
Mann in Räuberzivil einen nächtlichen Übersoll gemacht, die vorhandenen Wächter
unter Schmährusen aus das Kapital und aus die blutrünstige Reaktion halb tot-
geprugelt und einen vorbereiteten Zettel, scheinbar eilig hingekritzelt, am Srt der
Handlung hinterlassen: Rvtsront dankt der treudeutschen Jugend. Wir sehen
uns nächstens wieder. Dann tut es euch bestimmt weniger weh, wenn wir euch
mit euren eigenen Kolben den Schädel einschlagen! — So hätte ich das gemacht,
Herr General."
„vorzüglich, Wegnec! Line bisher von niemand erwogene Aussassung. Man
merkt, wie lange und reislich Sie diesen nicht stattgesundenen Übersoll nachträglich
durchdacht hoben. Kalls aber nun in Ihrer eigenen Truppe ein Schuft den Hand-
streich verraten hätte? Jeder weiß, die Reichswehr ist noch nicht völlig ausgesiebt."
„Dann, Herr General, hätte der ver-
antwortliche Sssiziec eben seinen Kops
Hinhalten müssen. Also ich. Gefahr ist
überall, wo Mut verlangt wird."
Mit dieser Antwort und mit diesem
Mann war der Divisionär sehr zu-
frieden, ohne daß er sich dies sonderlich
anmerken ließ. Geschlissen, biegsam oder
kantig starr: Die Welt der deutschen
Gssiziere war durch den Eisernen Weg-
ner reicher geworden. Dessen höchst
ehrenvolles Soldkreuz zwischen den
Knopflöchern bestach ihn dabei durchaus
nicht, der ganze Mann bestätigte seine
Auszeichnung mit jeder Gebärde und
mit jedem Wort. „Herr Leutnant Wog-
ner! Lins werden Sie sich von jetzt ab
merken müssen, so schwer dies Ihrem
Wesen sollen mag: Der gerade Weg ist
immer der kürzeste. Wie der Kcontal-
ongriss nur selten der richtige ist. Sie
halten es mit dem Drausgängertum und
schonen sich selber dabei nicht. Ls gibt
aber auch eine berechnende Tapferkeit,
die heute zurückweicht und übermorgen
im Rücken des Gegners erscheint. Ihre
Art, Wegner, ist prachtvoll. Sie werden
sich entschließen müssen, die Art Ihrer
Herren Kameraden sür mindestens eben-
so gut zu holten."
Blieb nur noch die entscheidende Be-
sprechung mit allen Sssizieren. üm ihn
her standen diese Wenigen, denen die
Ausgabe des Sämannes zukam:
draußen im Vaterland ging olles drun-
ter und drüber, dos Lhaos breitste sich
aus, drinnen in der Reichswehr wurde
die Saat einer unbekannten Zukunft
ausgestreut. Nicht jedes Gesicht, nicht
einmal entsernt jedes Gesicht, in das
der General blickte, ließ das Wissen um
die Sendung vermuten. Im ganzen
zeigten sich ausgezeichnete köpse, bs-
herrscht und klar: nur wenig ver-
schwommenes darunter.
„Am eine Streitfrage zu beenden,
die Ihre Gemüter erregt hat. Jeder
Ssfizier der Reichswehr, also auch jeder
von Ihnen, wird an einer Stelle seines
IS
Lebens und seines Dienstes unvermutet vor einer Krage stehen, bei deren Lösung
ihm keine übermenschliche Weisheit oder gar das allbeliebte Schema Hilst) sondern
die er nach seiner Einsicht, nach seinem Wesen, nach seinem besten Wissen bewältigt.
Trotzdem wird sein Verhalten Widerspruch finden, manchmal sogar allgemeinen.
Stellen wie uns immer hinter den Täter. Ls ist belanglos, wie man eine Krage
ideal hätte lösen können.
Bedenken Sie in allem, was Sie tun: Niemals dürfen Sie dis Reichswehr in
Schwierigkeiten bringen. Das gelte Ihnen als der oberste Grundsatz, olles übrige
ist von siebenter und achter Bedeutung. Sie werden noch manchmal vor solche Ent-
scheidungen gestellt werden, die Ihre Klugheit fordert, denen Ihr Ehrgefühl auss
bitterste widerspricht.
Sie, Herr Hauptmotiv Shnhaus, haben sich geweigert, verratene Waffen ln
Ihren Besitz zu nehmen. Ich billige Ihr Verhalten durchaus und erkläre offen,
daß ich es selber genau so gemacht hätte. Sie, Herr Leutnant Wegner, hätten
einen anderen, sür die Reichswehr nicht ungefährlichen Ausweg vorgezogen.
Wenn man Sie nicht dabei erwischt hätte, gut. Ls kommt aber auf einen denk-
baren Ausweg an: denn nicht Sie standen vor der Wirklichkeit, sondern der
Hauptmann Shnhaus, dem das Schicksal sie zuschob.
Sie beide werden sich jetzt vor aller Augen als ausrichtige Männer und Kame-
raden die Hand reichen: ich besetzte dies und erbitte es zugleich."
Shnhaus und Wegner gingen ohne Zögern auseinander zu. Der General von
Gran stand bei ihnen allen in hohem Ruf, er galt als ein „Köpfchen", und wenn
er befahl und zugleich bat, so sprach er ein oberstes Arteil über die Angelegen-
heit, die zur Rede stand. Sie war erledigt, es blieb kein Schatten.
Nur der Hauptmann Kranewitt meinte, sie sei noch nicht erledigt, da er doch
durch Verlesung des regierungspräsidentlichen Schreibens und auch sonst durch
Haltung und Blick beteiligt war. Also wartete er daraus, als dritter in die ehrenvolle
Versöhnung einbezogen zu werden. Der Divisionär kam jedoch nicht weiter
darauf zurück, auch bei dem folgenden Essen und dem Beisammensein richtete er
an den jüngsten Kahnenjunker ein Wort,
nur nicht an kranswitt. Er schien ihn
nicht zu sehen.
Bin ich etwa in üngnade gefallen?
dachte Kronewitt verblüfft.
Lr irrte sich, Gnade und üngnade
standen nicht zur -Erwägung. In diesen
kühlen Regionen wurde der sür un-
zulänglich Erkannte ungeachtet der
früheren Verdienste kalt fallen gelassen:
man hielt sich nicht mit ihm aus, er
würde ja noch Erledigung der not-
wendigen Kormalitäten seinen Blauen
Brief bekommen. So etwas dauert«
monatelang: so lange mochte der Haupt-
mann Kranewitt sich trösten mit der
Vermutung einer üngnade, die sich schon
beizeiten wieder aushellen werde.
Bewährt in Krieg und Niederlage:
ungeeignet sür die Reichswehr.
Doch auch Shnhaus irrte sich in der
Meinung, er erlebe einen ungetrübt
glücklichen Tag. Strengstens unter vier
Augen: „Ich Habs den unseligen Bries
gelesen, den der Regierungspräsident
von Norberg an Sie gerichtet hat. Vieser
Herr mißdeutet Ihr Verhalten auf seine
Weise. Sie kennen ihn persönlich?"
„Ich war zu einem Lmpsong bei
ihm kommandiert, Herr General."
„Was sür einen Eindruck hatten
Sie?"
„Ich soll mich ossen äußern? Lin
Narr! Gefährlich sür diejenigen, die er
unter seinem Daumen hat."
„Lieber Shnhaus. Sie erhalten einen
Auftrag, hinter dem die Ehre der
Reichswehr steht. In unfern Kreisen ist
ein sicheres Gesllhl sür Richtung und
Größe unsrer Arbeit weit verbreitet,
voll unterrichtet ist nicht einmal ein
Regimentskommandeur. Klar durch-
gsdacht haben es nur wenige. Sie sind
ein solcher. Sie werden die unbedingte
Notwendigkeit einsehen, daß wir den
großen demokratischen Kindern eine er-
heblich abgsschwächte Lesart von der
Reichswehr beibringen müssen. .^,<1
»sum Delpbini. Nun werden Sie im
ßLnrrel, in el«n keiililing ^atnatzme: t-t. Sacknionn, <cZeb.-ISger-i!gt. Ivo