Lesen und natürlich auch zum Kartenspiel. Viel Ab-
wechslung gibt es also hier nicht. Denn wir in der
Kaserne liegen, ist das Leben schon gehaltvoller, denn
unsere Stuben sind noch nicht so eingerichtet, wie wir
es gerne haben möchten. Der Pole hat alles in einem
saumäßigen Zustand hinterlassen. In Komorowo gibt
es also neben dem üblichen und täglichen Ausdil-
bungsdienst, neben pserde-, Dassen- und Wagenpslege
allerhand zu basteln und zu bauen."
Ls ist schon ties in der Äacht, als wir nach einer
rumpelnden Kohrt durch die Mondnacht in der Kaserne
todmüde in unsere Keldbetten fallen.
Ls ist auch immer noch dunkel, als uns di« nach-
haltigen Klopstöne des vnterossiziers, der uns sein
Zimmer überlassen hatte, von der Matratze hochjagen.
Schnell gewaschen, angezogen und gesrühstückt.
Draußen hat sich inzwischen der Panjewagen von
gestern in eine etwas asthmatisch aussehende Kalesche
verwandelt, die aber ihre Insassen bedeutend schonen-
der dehc.idelt als der stoßende und springende Panje-
wagen.
Aus der großen Straße, die weit über die hügelige
Landschaft der östlichen polnischen Lbene läuft, ver-
sperrt plötzlich ein Schlagdaum mit einem Schild
„Demarkationslinie" das Weitergehen. Neben einer
kleinen Schuhhütte aus Stroh steht ein Doppelposten,
der gerade einen wildgestikulierenden und palavernden
panje nach seinen Papieren sragt, während sein Kame-
rad den Wagen sorgfältig nach Schmuggelware und
verbotenen Dassen untersucht. Mit gleichgültiger
Miene schauen die Insassen dem Treiben der Deutschen
zu. Ls ist alles in Ordnung, auch die Papiere, aber
über die Demarkationslinie dürfen die panjes nicht,
obwohl sie fürchterlich lamentieren. Venn oorläusig ist
auch der kleine Srenzoerkehr nicht zugeiaffen.
Links und rechts der Sperre zieht sich eine kleiner
sies ausgetretener Pfad über den Sturzacker hin. Auf
seiner Spur stehen in die Lrde eingelassene Stöcke, an
denen ein Strohwisch baumelt: Die Demarkations-
linie. — Ich frage mich unwillkürlich, ob ich mir dies
alles während meiner Kahrt von Berlin bis hierher so
vorgestellt habe, wie ich es jetzt vorfinde. Ls ist so
merkwürdig, an einer Grenzscheide zu stehen, die erst
seit kurzem von zwei Völkern gezogen wurde. Vas
Land senkt sich ein wenig gegen Rußland zu, in der
Kerne stehen Wände dunkelgrüne Wälder, nur ad
und zu unterbricht nach Kilometern die Silhouette
eines Gehöftes die fade Linie des in der Unendlichkeit
oerschwimmenden Horizontes. Vor zählbaren Wochen
noch raste hier der Krieg. Zu dieser Stunde kann ich
mir keine sriedvollere Landschaft vorstellen als diese.
Die Stille wird nur durch das Stampfen der Posten
gestört, die sich aus der harten Straße warm trampeln.
In der Kerne bellt hin und wieder einer der kleinen,
schrecklich vollgesreffenen Polenhunde. Mir sagte ein-
mal ein Soldat: „In drei Zähren kriegen die Powes
ihre Schweine nicht so fett, wie ihre Hunde in drei
Wochen."
Immer noch — indes mein Kamerad den Verschluß
seiner Kamera klacken läßt — horche ich in diese Ein-
samkeit. Ls ist schwer, sich nicht von dieser Landschaft
gewordenen Melancholie einschläsern zu lassen. Viel-
leicht gehören für einen Wachposten mehr Nerven
dazu, hier immer wachzubleiben, als für einen Ver-
kehrspolizisten in Berlin, die Ruh« zu bewahren.
Gerade überquert, aus Richtung Südosten kom-
mend, eine Streife die Straße am Schlagbaum. Wir
begrüßen die beiden, schließen uns an und solgen
ihnen westlich der Straße bis zum nächsten Gehöft.
Die sich später herausstellte, sind wir leider nach der
verkehrten Richtung gegangen, denn aus der anderen
Seite der Straße hotte gerade zu dieser Zeit «ine
Streife zwei Polen beim Schmuggeln erwischt.
sZournalistenpechls Was die beiden Verdächtigen dann
auf der Wache im Schloß auspackten, beseitigte jeden
Zweifel: Aber 40 goldene und silberne Uhren, Ringe
und sonstige Schmuckgsgenständ« zauberten sie neben
Wurst und Brot ssür 2 Wachens aus ihren schmierigen
Aktenmappen heraus. Das genügte, um sie unter
dem „Ehrengeleit" eines Postens mit ausgepslanztem
Bajonett zur Polizei nach Sstrow-Mazowiecka zu ent-
senden. Dort sind sie auch gut angekvmmen
macht doch wenigstens noch Laune, wenn man so 'nsn
goldenen Kong macht", meinte der Posten, der die
beiden Verbrecher erwischt hatte.
wacke der Klagen rum (-otterbarmen. (-ottrei-
danlc sind di« krrenträger. die von der Karerns
tagtäglick den Proviant bringen, nickt mekr
weit, kleute gibt er kludeln mit kindHeirck
die kurfälle bei der veratrungr-
a r me e r is m l »ck g eri ng - ^ ^—
lungrreick genug. Immer nock ist
stwar ru basteln uncl ru bauen.
Klier riebt man deutrcke Soldaten ikre
Kenntnirre aus ibrem rivUen ^aurer-
beruf in di« l'at umrstren. KM l-lilf«
polnircker klandwerlcer bauen rje ricb
eine eigene Kraftwagenkalle
Der Tag war sür uns viel zu schnell vergangen,
und ich glaube, für das ganze Kommando der Keld-
wache auch, das mit Begeisterung uns geholfen hatte.
Lange noch winkten sie unserem Wagen nach:
„Grüßt die Heimat! Wenn Krieden ist, besuchen wir
euch in Berlin!" - „
Dr. Lrich Lorenz
Oer rckönrte 'Pag in Polen irt nock
bei jedem Soldaten der Hg der
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