AUS DEM TAC/EBUCH
EINES
SOWJETKOMMISSARS
MIT LÄ7QE UND QENICKSCHUSS
Der politische Kommissar einer Sowjet-Division. Bald
nach Beginn des Ostfeldzuges hatte Stalin den poli-
tischen Kommissaren im Sowjet-Heer wieder die alten
Vollmachten zurückgegeben und sie dadurch zumin-
desten indirekt zu Herren über Tod und Leben der
bolschewistischen Soldaten gemacht. Von der Bruta-
lität und Rücksichtslosigkeit dieser Kommissare erzählt
das Tagebuch, das an der Ostfront erbeutet wurde
Aufnahmen: PK-Arndf, PK-Schneider (Scherl)
Mitgeteilt durch Kriegsberichter Günther Heysing
Nachfolgend wird das Tagebuch eines bolsche-
wistischen Divisic iskommissars der Öffentlichkeit
übergeben. Die Tagebuchaufzeichnungen be-
ginnen mit dem 22. Juni, also am Tage des Kriegs-
beginns gegen die Sowjetunion. Sie enden am
29. Juli. Wenige Tage später, am 5. August,
wird das Tagebuch im Walde südlich Chawra-
towka, einem südlich von Smolensk gelegenen
Dorfe, neben zerschlagenen und fortgeworfenen
Gewehren gefunden, über das Schicksal des
Divisionskommissars ist nichts bekannt. Dennoch
interessieren seine Aufzeichnungen, aus denen
deraufmerksamelesersich ein ungefähresBild von
der Psyche bolschewistischer Militärkommissare
machen kann. Die Aufzeichnungen des Bolsche-
wisten wurden von einem Dolmetscher so wort-
getreu übertragen, daß sie auch in der fremden
Sprache noch die roheVerschlagenheit und Verlo-
genheit des Tagebuchschreibers erkennen lassen.
26. JUNI: Am 22. Juni erfuhr ich gegen 12 Uhr
vom Beginn des Krieges. Vom 23. bis 26. Juni habe
ich bei der Mobilisation mitgewirkt. Die Stimmung bei
den Einberufenen war nicht schlecht. Die Trup-
penteile sind vorbereitet, in den Kampf
zu treten, Das wichtigste in der parteipolitischen
Arbeit während der Mobilisation besteht darin, die
Einberufenen erst dann darüber zu informieren, daß
sie in den Krieg ziehen müssen, wenn ihr Abtrans-
port zur Front erfolgt. Vorher ist ihnen über ihre
Einberufung für den Krieg nichts zu erwähnen.
Sofort sind alle Kommissarvorbereitungen für den
Kriegszustand zu treffen. Dazu gehört a) jeder Kom-
missar muß das Gewehr ständig scharf geladen mit sich
führen, b) jeder trägt immer die Gasmaske mit sich,
c) jeder steckt zahlreiche Kampfmunition ein, d) der
Militäreid wird abgenommen, e) Herausgabe der Er-
kennungsmarken, f) für reguläre Beschäftigung zur
Stärkung der Disziplin sorgen, g) Informationen über
die laufende Politik herausgeben.
29. JUNI: Vom 26. bis 29. Juni einen Marsch un-
ternommen. Die Kommissare müssen während des
Marsches darauf achten, daß sich kein Sowjetsoldat
auf ein Fuhrwerk setzt. Der Kommandeur hat an der
Spitze der Kolonne auf dem Pferde zu reiten. Die
Kommissare haben darauf zu achten, daß keine
Sowjetsoldaten davonlaufen. Es sind Fälle vorgekom-
men, daß aus der 4. Kompanie des 236. Regiments in
der 187. Schützendivision Sowjetsoldaten sich in einem
Hause versteckten und von dort aus, nach Abzug der
Truppe, in den Wald liefen, wo sie sich deutschen
Soldaten ergaben. In solchen Fällen sind die Sowjet-
soldaten sofort zu erschießen.
I. JULI: Gestern nacht erlebte ich zum ersten Male
ein Bombardement aus der Luft, was sehr gefährlich
war. Die Detonation der Bomben und das Maschinen-
gewehrfeuer der Flieger konnten einen um den Men-
schenverstand bringen. Ich konnte die ganze Nacht
nicht schlafen, weil sich die Bombardierung vornehm-
lich gegen die Stabsunterkünfte richtete. Dabei ist die
Frontlinie etwa 100 Kilometer von hier entfernt. Die
Kämpfe am Tage erscheinen mir nicht so gefährlich
wie in der Nacht. Bald werden wir in der vordersten
Linie eingesetzt werden.
Formen der Kommissararbeit: Alltäglich erfolgt eine
Information über die Tagesereignisse, wobei die leiten-
den Organe genau über die Lage an der Front berichten
und dann Aufgaben für den nächsten Tag erhalten. Es
stehr schlecht mit Zeitungen. Auch Radio ist nicht
vorhanden. Nur der Apparat auf der Maschine des
Divisionskommandeurs kann benutzt werden.
5. JULI: Der 14. Kriegstag. Einzelne Teile unseres
Armeekorps haben schon in den Kampf eingegriffen.
Wir haben schon Gefallene und Verwundete. Der
Adjutant unseres Armeekorps, Sergiew, ist verwundet.
Der Regimentskommissar Jegorow war gestern, bewaff-
net mit einer Pistole, in einen Kampf mit vier feind-
lichen Panzern verwickelt. Der Feind erlitt dabei be-
stimmt keine Verluste. Jegorow kam verwundet zurück.
Verschiedene Truppenteile unseres Armeekorps kamen
noch nicht an die Front, da sie durch die unterbunde-
nen Eisenbahnwege an verschiedene Orte verstreut
wurden. Gestern wurde die Scation Tschaussy schwer
bombardiert. Sobald sich ein Militärzug der Station
näherte, waren die deutschen Flugzeuge da und warfen
Bomben ab.
Die örtlichen Parteiorgane agitieren lebhaft für die
Sowjetmacht. Zu ihnen gehört der älteste Propagandist
von Mogilew, Monarchkow. Es gibt aber auch Ele-
mente, die stark gegen'die Sowjetmacht agitieren.
II. JULI: Bis jetzt war von einem Vorgehen an
der Front von unserer Seite noch nichts zu merken.
Erst in den letzten Tagen hat Stalin in seiner Rede
darauf hingewiesen. Unsere wichtigste Arbeit besteht
darin, allen Sowjetsoldaten die Rede Stalins klarzu-
machen, Es ist festgestellt worden, daß bei irgend-
welchen Rückzügen zuerst Feldküchen und andere im
Hintergrund befindliche Abteilungen flüchten.
In bezug auf die politischen Kommissare habe ich
den Eindruck, als hätten sie zu wenig Rechte und als
mangele es ihnen an Energie. Sie sind in politischer
Hinsicht schlecht vorbereitet. Es müßte eine Hoch-
schule für politische Kommissare geschaffen werden.
Ein Teil der politischen Arbeiter ist nur daran in-
teressiert, ihr Leben zu schützen und leitet den Kampf
schlecht. Die besten politischen Arbeiter sind Ermakow
und Egorow. Häufig erweisen sich die Soldaten der
Reserveabteilung als Verräter und bleiben zurück, was
ich praktisch in Tschernikow miterlebte. Im 292.
Schützenregiment der 187. Schützendivision und in
dem 496. Schützenregiment der 148. Schützendivision
gibt es viele Flüchtlinge. Das ist darauf zurückzuführen,
daß die dort eingesetzten Kommissare und Offiziere,
besonders Major Strelkowski, ihre Waffen zu wenig
gegen die zurückweichenden eigenen Leute in Anwen-
dung bringen. Auch gibt es noch viele, die der Sowjet-
union feindlich gegenüberstehen.
12. u. 13. JULI: Diese beiden Tage gehen in die
Geschichte meines Lebens als ganz besondere Tage ein:
1. weil ich selbst schießen mußte und 2. weil ich die
Macht des Feindes erkannt habe, der so viele Opfer
von uns fordert. Unser Stab wurde von feindlichen
Panzerkräften und von Infanterie eingeschlossen. Nach
einigen Tagen erst fanden wir einen Ausweg aus dem
Kessel, wodurch der Stab gerettet wurde.
Es war ein furchtbarer Kampf. Nachbartruppenteile
wurden zurückgezogen, woran deren Kommandeure
schuld waren, die sich weit hinten in Schützenlöchern
verborgen hielten. Auch haben die Offiziere und Kom-
missare die ihnen zustehenden Strafmaßnahmen gegen
die Flüchtlinge nicht angewendet und sie nicht nieder-
schießen lassen. Sie haben sich vielmehr selbst zuerst
zurückgezogen.
17. JULI: Wir versuchen all die Tage aus dem
feindlichen Kessel herauszukommen. Wir befinden
uns gegenwärtig unweit von Kritschew. Die westliche
Armee hält sich tapfer mit Ausnahme der 13. Armee.
Getötet ist der älteste Politruk (Bataillonskommissar),
Schwirjanski. Der Regimentskommissar jegorow' ist
verwundet.
Es gibt sehr viele unverschämte Sowjetsoldaten. So
fuhr z. B. ein Maschinenfahrer an einem verwundeten
Fortsetzung auf Seite21
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EINES
SOWJETKOMMISSARS
MIT LÄ7QE UND QENICKSCHUSS
Der politische Kommissar einer Sowjet-Division. Bald
nach Beginn des Ostfeldzuges hatte Stalin den poli-
tischen Kommissaren im Sowjet-Heer wieder die alten
Vollmachten zurückgegeben und sie dadurch zumin-
desten indirekt zu Herren über Tod und Leben der
bolschewistischen Soldaten gemacht. Von der Bruta-
lität und Rücksichtslosigkeit dieser Kommissare erzählt
das Tagebuch, das an der Ostfront erbeutet wurde
Aufnahmen: PK-Arndf, PK-Schneider (Scherl)
Mitgeteilt durch Kriegsberichter Günther Heysing
Nachfolgend wird das Tagebuch eines bolsche-
wistischen Divisic iskommissars der Öffentlichkeit
übergeben. Die Tagebuchaufzeichnungen be-
ginnen mit dem 22. Juni, also am Tage des Kriegs-
beginns gegen die Sowjetunion. Sie enden am
29. Juli. Wenige Tage später, am 5. August,
wird das Tagebuch im Walde südlich Chawra-
towka, einem südlich von Smolensk gelegenen
Dorfe, neben zerschlagenen und fortgeworfenen
Gewehren gefunden, über das Schicksal des
Divisionskommissars ist nichts bekannt. Dennoch
interessieren seine Aufzeichnungen, aus denen
deraufmerksamelesersich ein ungefähresBild von
der Psyche bolschewistischer Militärkommissare
machen kann. Die Aufzeichnungen des Bolsche-
wisten wurden von einem Dolmetscher so wort-
getreu übertragen, daß sie auch in der fremden
Sprache noch die roheVerschlagenheit und Verlo-
genheit des Tagebuchschreibers erkennen lassen.
26. JUNI: Am 22. Juni erfuhr ich gegen 12 Uhr
vom Beginn des Krieges. Vom 23. bis 26. Juni habe
ich bei der Mobilisation mitgewirkt. Die Stimmung bei
den Einberufenen war nicht schlecht. Die Trup-
penteile sind vorbereitet, in den Kampf
zu treten, Das wichtigste in der parteipolitischen
Arbeit während der Mobilisation besteht darin, die
Einberufenen erst dann darüber zu informieren, daß
sie in den Krieg ziehen müssen, wenn ihr Abtrans-
port zur Front erfolgt. Vorher ist ihnen über ihre
Einberufung für den Krieg nichts zu erwähnen.
Sofort sind alle Kommissarvorbereitungen für den
Kriegszustand zu treffen. Dazu gehört a) jeder Kom-
missar muß das Gewehr ständig scharf geladen mit sich
führen, b) jeder trägt immer die Gasmaske mit sich,
c) jeder steckt zahlreiche Kampfmunition ein, d) der
Militäreid wird abgenommen, e) Herausgabe der Er-
kennungsmarken, f) für reguläre Beschäftigung zur
Stärkung der Disziplin sorgen, g) Informationen über
die laufende Politik herausgeben.
29. JUNI: Vom 26. bis 29. Juni einen Marsch un-
ternommen. Die Kommissare müssen während des
Marsches darauf achten, daß sich kein Sowjetsoldat
auf ein Fuhrwerk setzt. Der Kommandeur hat an der
Spitze der Kolonne auf dem Pferde zu reiten. Die
Kommissare haben darauf zu achten, daß keine
Sowjetsoldaten davonlaufen. Es sind Fälle vorgekom-
men, daß aus der 4. Kompanie des 236. Regiments in
der 187. Schützendivision Sowjetsoldaten sich in einem
Hause versteckten und von dort aus, nach Abzug der
Truppe, in den Wald liefen, wo sie sich deutschen
Soldaten ergaben. In solchen Fällen sind die Sowjet-
soldaten sofort zu erschießen.
I. JULI: Gestern nacht erlebte ich zum ersten Male
ein Bombardement aus der Luft, was sehr gefährlich
war. Die Detonation der Bomben und das Maschinen-
gewehrfeuer der Flieger konnten einen um den Men-
schenverstand bringen. Ich konnte die ganze Nacht
nicht schlafen, weil sich die Bombardierung vornehm-
lich gegen die Stabsunterkünfte richtete. Dabei ist die
Frontlinie etwa 100 Kilometer von hier entfernt. Die
Kämpfe am Tage erscheinen mir nicht so gefährlich
wie in der Nacht. Bald werden wir in der vordersten
Linie eingesetzt werden.
Formen der Kommissararbeit: Alltäglich erfolgt eine
Information über die Tagesereignisse, wobei die leiten-
den Organe genau über die Lage an der Front berichten
und dann Aufgaben für den nächsten Tag erhalten. Es
stehr schlecht mit Zeitungen. Auch Radio ist nicht
vorhanden. Nur der Apparat auf der Maschine des
Divisionskommandeurs kann benutzt werden.
5. JULI: Der 14. Kriegstag. Einzelne Teile unseres
Armeekorps haben schon in den Kampf eingegriffen.
Wir haben schon Gefallene und Verwundete. Der
Adjutant unseres Armeekorps, Sergiew, ist verwundet.
Der Regimentskommissar Jegorow war gestern, bewaff-
net mit einer Pistole, in einen Kampf mit vier feind-
lichen Panzern verwickelt. Der Feind erlitt dabei be-
stimmt keine Verluste. Jegorow kam verwundet zurück.
Verschiedene Truppenteile unseres Armeekorps kamen
noch nicht an die Front, da sie durch die unterbunde-
nen Eisenbahnwege an verschiedene Orte verstreut
wurden. Gestern wurde die Scation Tschaussy schwer
bombardiert. Sobald sich ein Militärzug der Station
näherte, waren die deutschen Flugzeuge da und warfen
Bomben ab.
Die örtlichen Parteiorgane agitieren lebhaft für die
Sowjetmacht. Zu ihnen gehört der älteste Propagandist
von Mogilew, Monarchkow. Es gibt aber auch Ele-
mente, die stark gegen'die Sowjetmacht agitieren.
II. JULI: Bis jetzt war von einem Vorgehen an
der Front von unserer Seite noch nichts zu merken.
Erst in den letzten Tagen hat Stalin in seiner Rede
darauf hingewiesen. Unsere wichtigste Arbeit besteht
darin, allen Sowjetsoldaten die Rede Stalins klarzu-
machen, Es ist festgestellt worden, daß bei irgend-
welchen Rückzügen zuerst Feldküchen und andere im
Hintergrund befindliche Abteilungen flüchten.
In bezug auf die politischen Kommissare habe ich
den Eindruck, als hätten sie zu wenig Rechte und als
mangele es ihnen an Energie. Sie sind in politischer
Hinsicht schlecht vorbereitet. Es müßte eine Hoch-
schule für politische Kommissare geschaffen werden.
Ein Teil der politischen Arbeiter ist nur daran in-
teressiert, ihr Leben zu schützen und leitet den Kampf
schlecht. Die besten politischen Arbeiter sind Ermakow
und Egorow. Häufig erweisen sich die Soldaten der
Reserveabteilung als Verräter und bleiben zurück, was
ich praktisch in Tschernikow miterlebte. Im 292.
Schützenregiment der 187. Schützendivision und in
dem 496. Schützenregiment der 148. Schützendivision
gibt es viele Flüchtlinge. Das ist darauf zurückzuführen,
daß die dort eingesetzten Kommissare und Offiziere,
besonders Major Strelkowski, ihre Waffen zu wenig
gegen die zurückweichenden eigenen Leute in Anwen-
dung bringen. Auch gibt es noch viele, die der Sowjet-
union feindlich gegenüberstehen.
12. u. 13. JULI: Diese beiden Tage gehen in die
Geschichte meines Lebens als ganz besondere Tage ein:
1. weil ich selbst schießen mußte und 2. weil ich die
Macht des Feindes erkannt habe, der so viele Opfer
von uns fordert. Unser Stab wurde von feindlichen
Panzerkräften und von Infanterie eingeschlossen. Nach
einigen Tagen erst fanden wir einen Ausweg aus dem
Kessel, wodurch der Stab gerettet wurde.
Es war ein furchtbarer Kampf. Nachbartruppenteile
wurden zurückgezogen, woran deren Kommandeure
schuld waren, die sich weit hinten in Schützenlöchern
verborgen hielten. Auch haben die Offiziere und Kom-
missare die ihnen zustehenden Strafmaßnahmen gegen
die Flüchtlinge nicht angewendet und sie nicht nieder-
schießen lassen. Sie haben sich vielmehr selbst zuerst
zurückgezogen.
17. JULI: Wir versuchen all die Tage aus dem
feindlichen Kessel herauszukommen. Wir befinden
uns gegenwärtig unweit von Kritschew. Die westliche
Armee hält sich tapfer mit Ausnahme der 13. Armee.
Getötet ist der älteste Politruk (Bataillonskommissar),
Schwirjanski. Der Regimentskommissar jegorow' ist
verwundet.
Es gibt sehr viele unverschämte Sowjetsoldaten. So
fuhr z. B. ein Maschinenfahrer an einem verwundeten
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