daß Sic es bemerkt hätten, sogar eingetreten? Sie haben
angegeben. Sie hätten mit Engelshausen ,geplaudert,
Zigaretten geraucht, den Chartreuse getrunken' . . .“
„Was sonst sollte ich getan haben-?“
„Hat er Sie denn nicht wenigstens geküßt?“
Sie gab keine Antwort,
„Kurz und gut“, sagte er, „wer hatte außer ihm, oder
hat noch, Interesse für Sie?“
Sie streifte ihn mit einem Blick.
„Glauben Sie, was Sie wollen“, murmelte sie.
„Es handelt sich nicht darum“, sagte er, „daß ich
wissen möchte, was damals geschehen ist. Es gibt nichts
Langweiligeres als anderer Leute Liebesgeschichten, und
ich habe auch sonst keinerlei Absicht, in Ihre Geheim-
nisse zu dringen. Meinetwegen mögen Sie damals getan
haben, was Sie wollen. Verzeihen Sie, daß ich so un-
verblümt rede, — aber bedenken Sie doch, daß, wenn
es der Polizei wirklich gelingen sollte, des Täters hab-
haft zu werden, die ganze Geschichte in einer für Sie
besonders unangenehmen Form zur Sprache kommen
müßte . .
„Nun, und ist die Polizei des Täters etwa schon
habhaft geworden?“
„Nein. Bis jetzt noch nicht. Aber es unterliegt, für
mich wenigstens, keinem Zweifel, daß es ihr gelingen
wird.“
„So? Und weshalb?“
„Weil dieser Mensch, wenn er wirklich die Tat nur
um Ihretwillen begangen hat, festzunehmen sein muß.
Weil er Sie, wenn Sie schon die Ursache gewesen sein
sollten, daß er sich zu einer solchen Tat hat hinreißen
lassen, schlechterdings nicht wird aufgeben können.
Weil er den Versuch nicht unterlassen wird, die Frau,
die er liebt, immer wieder zu sehen, — geschweige
denn, daß er sich entschließen könnte, sich etwa im
Auslande in Sicherheit zu bringen. Kurz: weil die
Polizei eigentlich gar nichts zu unternehmen, sondern
bloß zu warten braucht, bis er ihr ins Netz geht. Die
Menschen begehen nun einmal mit Vorliebe Dumm-
heiten, wenn man sie aber um seines Herzens wollen
begeht, so sind dies noch die entschuldbarsten unter
ihnen.“
Sie antwortete nicht sogleich. Schließlich sagte sie:
„Und Sie sind also der Meinung, daß, kennte ich den
Täter, ich mich mit ihm immer noch träfe; daß ich
ihm behilflich wäre, sich zu verstecken; ja, daß ich ihn
sogar überreden könnte, zu flüchten. Wünschen Sie
das nicht geradezu? Denn wozu sonst erzählen Sie mir
alle diese Dinge, — was freilich um so unangebrachter
ist, als ich keine Ahnung habe, wer es war, als ich einen
Menschen, der ein solches Verbrechen begangen haben
könnte — oder wenigstens nicht bewußt — kenne, als
ich ihn wahrscheinlich nie gesehen . .
„Das hätte ich nicht gedacht“, sagte er, „daß Sie
nichts anderes würden zu sagen w'issen als bloß: ,Ich
weiß von nichts, ich kenne den Menschen nicht, ich
habe keine Vorstellung von ihm!1 Ich'hätte Sie anders
eingeschätzt. Warum machen Sie nicht wenigstens den
■Versuch, sich auf eine überzeugendere Art aus der
Affäre zu ziehen . .
„Weil ich nicht die Absicht habe, mich mit Ihnen
endlos über diese Dinge . .
„Aber vielleicht“, sagte er, „ist es wirklich jemand
gewesen, der Sie, ohne daß Sie ihn kennen, liebt . . .“
„Das ist lächerlich!“ rief sie. „Niemand tut etwas
eines anderen wegen, — und am wenigsten, wenn er
ihn nicht einmal kennt.“
„Sagen Sie das nicht. Jemanden nicht zu kennen,
ist vielleicht die einzige Entschuldigung dafür, daß man
etwas um seinetwillen tut. Vielleicht hat wirklich ein
Mensch, der Sie nicht kennt und den Sie nicht kennen,
die Tat verübt. Denn in Wahrheit, wer kennt alle die
unendlichen Möglichkeiten des menschlichen Herzens!
Kennt ein Herz doch kaum sich selber. Wer wüßte
vor allem, welche Verirrungen zu verheimlichen es
fähig ist! Vielleicht wäre sogar die ganze Leidenschaft,
die diesen Menschen zu Ihnen ergriffen hat, in dem
gleichen Augenblick zu Ende, in welchem Sie von ihr
erführen. Ja, vielleicht hat sie ihn überhaupt nur er-
griffen, weil er sie verheimlichen muß. Die Leute be-
haupten, er müsse ungeheure Kraft in den Armen
haben. Aber vielleicht ist diese ganze Kraft, welche
nötig war, die Tat auf so grausame Art zu verüben,
nichts weiter als die Folge1 solcher verheimlichten Ge-
walten. Denn das Gewaltsame sind ja nicht der Kopf
oder die Arme, das Gewaltsamste ist das Herz.“
Sie sah ihn an. „Ich finde Ihre Vermutungen ab-
surd“, sagte sie schließlich.
„Frauen“, erwiderte er, „glauben immer, für absurd
halten zu müssen, was ihnen gefällt. Haben Sie denn
niemals einen Menschen von offenbar sehr großen
physischen Kräften wahrgenommen, der ihnen längere
Zeit nachgestellt hat, — nein, nicht nachgestellt; der
Ihnen bloß nachgeht und Sie betrachtet? Haben Sie
niemanden entdeckt, der zeitweise vor Ihren Fenstern
steht und hinaufsieht . .
„Nein“, sagte sie. „Niemanden als Sie.“
„Mich?“
„Ja, Sie.“
„Sie hatten entdeckt, daß ich heute . .
„Allerdings.“
„Nun“, lachte er, „das schadet ja nichts. Ich hatte
nicht gewußt, wie ich Sie sprechen sollte, und habe
doch nicht geradezu bei Ihnen eindringen wollen . . .
Haben also nicht schon längst Leute, ungefähr auf
meine Weise, vor Ihren Fenstern . . .“
„Nein.“
„Es ist merkwürdig“, sagte er, „— andere Frauen
fürchten sich immerzu vor viel mehr Gefahren, als
vorhanden sind. Sie lehnen sogar die, welche zu fürch-
ten sind, ab. Sie scheinen jemanden sehr zu lieben . .
„Warum?“
„Weil Sie so furchtlos sind. Sitzt denn zum Beispiel
nicht auch jetzt, unter den hier Anwesenden, irgend-
wer, der Sie beobachtet? Nicht bloß ansieht, sondern
beobachtet? Ich meine auch nicht den Kellner, der Sie
fortwährend anstarrt, — wenngleich Sie eben auf diese
Art von Leuten mehr Eindruck machen mögen als
SOIlSt . . ' Fortsetzung folgt
KÄMPF UM TOBRUK
Fortsetzung von Seite 9
Wummeln ist als wenn es dem Nachbarn gilt. Mit schweren Brocken schießt er
täglich auf den Bunker X, das dickste Werk. Da liegen 60 Tommys begraben als
Opfer einer Stukabombe. Wir gehen nicht hin, denn das Werk ist unbrauchbar.
Wenn es morgens hell wird, reiben sich die Soldaten die Augen, blinzeln und
den ken, wie spät es nun wohl sein mag. Kaum einer besitzt noch eine Uhr. Sie
alle sind dem Sand erlegen, die teuren und die billigen, die guten und die schlechten.
Aber es geht auch so, und man lernt, welche Schatten am Morgen um sechs die
Kisten da vorne werfen und welche am Abend um fünfe. Obertags muß man nach
der Sonne schauen, die allen Schatten frißt, oder auf den Magen horchen, ob es
Zeit ist, die kalte Verpflegung herunterzudrücken. Dann ist es Mittag. Warm gibt
es erst abends. Die Essenträger kommen und manchmal Post, nur daß sie immer
für die anderen ist und man selber nie etwas dabei hat.
So sind zwei lange Wochen vergangen. D»r Friedhof am Kilometer 31 ist
gewachsen und auch an der Piste des Ras el Medauuar ist ein kleiner Friedhof
entstanden. Er liegt mitten in der unendlichen Einsamkeit der Halbwüste und
von weitem zaubert die Sonne das kleine Steinmal, das da aufgeschichtet wurde,
wie einen riesigen Turm über den Horizont hinaus. Die Soldaten sind hart gewor-
den in dieser Zeit. Sie tragen jetzt nur noch das Hemd mit weithin aufgekrempel-
ten Ärmeln, die kurze Hose und die langen Stiefel, deren Oberteil aus porösem
Stoff ist. Der Tropenhelm tut gute Dienste aber zumeist tragen ihn nur die
Anfänger, die Blaßgesichter, die gerade erst Afrikas Boden betraten. Die Mützen
haben wir lieber. Sie sind schön weich, durchgeschwitzt und haben weiße Ränder
vom Pistenstaub. Der Tropenhelm ist für Sonntags ganz gut und außerdem tut
hier vorne der gute alte Stahlhelm wieder Dienst.
Dann und wann, greift der Tommy an. Warum, weiß man nicht. Er wird jedes-
mal abgeschmiert. In einer Nacht sind es betrunkene Australier, die sogar, ver-
wundete Italiener massakrieren. Ein andermal werden Panzer abgeschossen und die
Besatzungen gefangen. Die Italiener halten dabei wacker mit. Es sind gute Truppen
und tapfere Männer. Viele tragen bald das Eiserne Kreuz.
ln diesen Tagen erzählt man von dem Gefreiten, der vorne, vor der italienischen
Linie, an seinem Draht lag, im Morgengrauen einen Panzerangriff meldete, ihn an
sich vorbeirollen ließ, indem er sich totstellte und über seinen Apparat warf, dann
wieder zum Hörer griff und trotz schwerer Verwundung eine so exakte Schilde-
rung des rollenden Angriffs gab, daß sofort die notwendigen Abwehrmaßnahmen
bei der Division ergriffen werden konnten. So gibt es manche Geschichte von
diesem und jenem, der vorbildlich seine Pflicht erfüllte. Männer, die sonst still
und unbemerkt ihren Dienst tun und sich dann plötzlich in Stunden ernster Gefahr
bewähren, sich als Meister erweisen, Vorbild sind.
„Sieh mal an“, sagen dann die Landser. „Der Kleine! Wer hätte das von dem
gedacht!“
Am Spätnachmittag des 15. Mai wollen wir in den Bunker x 4. Wir gehen am
Drahtzaun entlang, passieren ihn und schreiten die Piste herunter. Ein paarmal
macht cs Ratsch-Bum und pfeift nach rechts.
Zweihundert Meter hinter uns kommen die Essenträger. Mit schweren Schritten
schreiten sie daher, den Rücken leicht gebeugt von der Last der Kanister. Wieder
kommt es angezwitschert, heult kurz auf, Ratsch-Bum und nun ist es zwischen die
Männer geschlagen. Drei von ihnen sind verwundet. Als wir uns hinwarfen, da
war es schon geschehen und als wir uns nun erheben, sagt der Gefreite plötzlich:
„Hier ist der Eingang“ und verschwindet.
Ein paar Kisten hegen hier mit leeren Konservendosen gefüllt. Vor uns, im
Dämmer des Abends, stehen ein paar Holzkreuze. Es sind die Toten vom 30. April,
die hier fielen. Tief konnte man nicht graben. Die Erde gibt sich den Menschen
nicht. So nahm man ihre Steine, deckte sie über die Kameraden, steckte Kreuze
dazwischen und wer immer den Ras el Medauuar hier betritt, muß an den Holz-
kreuzen vorbei.
Hinter den Kisten ragen zwei dünne eiserne Stangen etwa 20 Zentimeter aus
dem Boden. Zwischen ihnen erscheint jetzt der Kopf des Gefreiten und schaut,
warum wir nicht folgen. Hier also ist der Eingang des Bunkers. Wer ihn nicht
kennt, läuft vorbei.
Auf den ersten Blick verstehen wir, warum das auch in der Angriffsnacht
geschah und unsere Stoßtrupps dann von hinten Feuer bekamen. Eine kleine Leiter
schwingen wir uns jetzt herab. Es geht schnell, denn wieder liegen die Einschläge
nahe und kommen langsam auf den Bunker zu.
Ein enger Gang, der sich alsbald verbreitert. Er wird so drei Meter haben. An
den Wänden Gepäck, Decken, dicht bei dicht die Schützen, sie schlafen. Im zittern-
den Schein einer Kerze schreibt einer einen Brief. Zwei Männer haben eine Zeitung
auseinandergefaltet und lesen, daß Serbien kapituliert hat und wie der Einmarsch
in Belgrad war. — „Na ja. In Tobruk wird’s nicht so schön aussehen.“
„Tobruk?“ Der andere spukt verächtlich neben die Kiste, die ihnen als Tisch
dient. Rechter Hand führt es in einen Raum von fünf mal vier Meter. Es ist der
Bataillonsgefechtsstand, der Raum des Kommandeurs, in dem auch Adjutant, Stabs-
arzt und Ordonnanzoffizier hausen. Beim Schlafen liegen sie dicht nebeneinander.
Es kann kein Apfel mehr einen Platz finden. .
Der Major heißt uns willkommen. Er ist ein Weltkriegsoffizier mit den Span-
gen zu beiden Kreuzen, ein Mann Ende Vierzig mit offenen, gütigen Augen, einer
klaren, dunklen Stimme. Dieser Mann wirkt so außerordentlich durch seine Er-
scheinung und seine Art, daß man auch ohne Abzeichen den Kommandeur sofort
erkennt. Er trägt das Hemd. Es ist vorne offen. Um Backen und Kinn liegt der
Bart von drei Wochen.
In dem engen Raum trinken wir einen Schluck kalten Tee, kauen eine Zitrone
dazu und rauchen dann englische Zigaretten. Offiziere kommen und gehen. Die
letzten Befehle für die Nacht sind ausgefertigt. Noch immer hört man das Ratsch-
Bum des Gegners durch die Luke. Der Draht zur Dritten ist wieder unterbrochen.
Das ist heute das fünfte Mal, das er zerschossen wurde. Fünfmal muß der Störungs-
sucher im Artilleriefeuer zu dem entlegensten Werk. Herr Gott, sind das Männer.
Bei jedem Wetter, bei jedem Feuer, zu jeder Stunde nehmen sie den Draht in die
Faust, fühlen sie sich vor, bis sie die Stelle gefunden haben. Sie flicken und kom-
men -dann atemlos vom schnellen Lauf zurück, aber es ist noch immer keine Ver-
bindung hergestellt und abermals müssen sie hinaus.
Essenträger, Wasserträger, Störungssucher, Melder — wer spricht von ihnen?
Sie tun ihre Pflicht, still und bescheiden. Es ist alles so selbstverständlich. Und
wenn dieser und jener einmal nicht ankommt, auch das ist selbstverständlich.
Jedem kann es geschehen, heute, morgen, ihm, dir oder mir.
Die eisernen Hammerschläge dröhnen wieder auf. Man hört jetzt nur die
Einschläge.
„Schade, daß es dunkel ist“, sagt mein Kamerad. Natürlich. Denn es ist ja auch
selbstverständlich, daß man dies alles in der Wochenschau sieht, den Krieg und
Afrika und Palmen und Oasen, die wir nur noch aus Büchern kennen. Und dann
trinkt man daheim selbstverständlich auch sein Bier und der Pimpelhuber haut
auf den Tisch und ist längst in Tobruk, wenn sie ihn nur gelassen hätten, den
Maulverreißer. Aber die Atmosphäre, die Sonne, die Nacht, den Wind, die Ge-
spräche der Soldaten, den Staub und wie man in Afrika spukt und sich räuspert,
das kann man nicht im Film und nicht in geschriebenem Wort festhalten. Das ist
in uns und um uns und wir spüren es selber kaum mehr, weil es nichts anderes
daneben gibt.
Die verwundeten Essenträger sind verbunden worden. Der Stabsarzt hat sich
die Hände gewaschen. Der gepflegte Chirurg aus Elberfeld sieht freilich mehr wie
ein Abruzzenräuber aus. Die drei Landser rauchen ihre Zigarette.
Fortsetzung folgt
Hauptschriftleiters Bernd E. H. Overhues (im Felde). Stellvertreter: Karl Fischer. Graphische Gestaltung: Herbert Dassel (alle in Berlin). — Verlag „Die Wehrmacht'' K.-G.,
Berlin SW 68, Schützenstrasse 18—25. Fernruf: 17 47 21. Postscheckkonto: Berlin Nr. 382, — Alleinauslieferung und Anzeigenverwaltung: Berliner Verlagsanstalt G. m. b. H.,
Berlin SW 68, Schützenstraße 18—25. — Verantwortlich für Anzeigen: Dr. Horst Harff (im Wehrdienst). Stellvertreter: Dipl.-Kfm. Ge rta E c k h a rd t, Berlin. — Rotat.-Kupfertiefdruck
Wilhelm Herget, Stuttgart. — Einzelpreis: 25 Rpf. — Für die Zustellung durch Boten werden 3 Rpf. Bestellgeld erhoben. — Postbezugspreis: Monatlich 55 Rpf. zuzüglich 4 Rpf. Bestellgeld,
angegeben. Sie hätten mit Engelshausen ,geplaudert,
Zigaretten geraucht, den Chartreuse getrunken' . . .“
„Was sonst sollte ich getan haben-?“
„Hat er Sie denn nicht wenigstens geküßt?“
Sie gab keine Antwort,
„Kurz und gut“, sagte er, „wer hatte außer ihm, oder
hat noch, Interesse für Sie?“
Sie streifte ihn mit einem Blick.
„Glauben Sie, was Sie wollen“, murmelte sie.
„Es handelt sich nicht darum“, sagte er, „daß ich
wissen möchte, was damals geschehen ist. Es gibt nichts
Langweiligeres als anderer Leute Liebesgeschichten, und
ich habe auch sonst keinerlei Absicht, in Ihre Geheim-
nisse zu dringen. Meinetwegen mögen Sie damals getan
haben, was Sie wollen. Verzeihen Sie, daß ich so un-
verblümt rede, — aber bedenken Sie doch, daß, wenn
es der Polizei wirklich gelingen sollte, des Täters hab-
haft zu werden, die ganze Geschichte in einer für Sie
besonders unangenehmen Form zur Sprache kommen
müßte . .
„Nun, und ist die Polizei des Täters etwa schon
habhaft geworden?“
„Nein. Bis jetzt noch nicht. Aber es unterliegt, für
mich wenigstens, keinem Zweifel, daß es ihr gelingen
wird.“
„So? Und weshalb?“
„Weil dieser Mensch, wenn er wirklich die Tat nur
um Ihretwillen begangen hat, festzunehmen sein muß.
Weil er Sie, wenn Sie schon die Ursache gewesen sein
sollten, daß er sich zu einer solchen Tat hat hinreißen
lassen, schlechterdings nicht wird aufgeben können.
Weil er den Versuch nicht unterlassen wird, die Frau,
die er liebt, immer wieder zu sehen, — geschweige
denn, daß er sich entschließen könnte, sich etwa im
Auslande in Sicherheit zu bringen. Kurz: weil die
Polizei eigentlich gar nichts zu unternehmen, sondern
bloß zu warten braucht, bis er ihr ins Netz geht. Die
Menschen begehen nun einmal mit Vorliebe Dumm-
heiten, wenn man sie aber um seines Herzens wollen
begeht, so sind dies noch die entschuldbarsten unter
ihnen.“
Sie antwortete nicht sogleich. Schließlich sagte sie:
„Und Sie sind also der Meinung, daß, kennte ich den
Täter, ich mich mit ihm immer noch träfe; daß ich
ihm behilflich wäre, sich zu verstecken; ja, daß ich ihn
sogar überreden könnte, zu flüchten. Wünschen Sie
das nicht geradezu? Denn wozu sonst erzählen Sie mir
alle diese Dinge, — was freilich um so unangebrachter
ist, als ich keine Ahnung habe, wer es war, als ich einen
Menschen, der ein solches Verbrechen begangen haben
könnte — oder wenigstens nicht bewußt — kenne, als
ich ihn wahrscheinlich nie gesehen . .
„Das hätte ich nicht gedacht“, sagte er, „daß Sie
nichts anderes würden zu sagen w'issen als bloß: ,Ich
weiß von nichts, ich kenne den Menschen nicht, ich
habe keine Vorstellung von ihm!1 Ich'hätte Sie anders
eingeschätzt. Warum machen Sie nicht wenigstens den
■Versuch, sich auf eine überzeugendere Art aus der
Affäre zu ziehen . .
„Weil ich nicht die Absicht habe, mich mit Ihnen
endlos über diese Dinge . .
„Aber vielleicht“, sagte er, „ist es wirklich jemand
gewesen, der Sie, ohne daß Sie ihn kennen, liebt . . .“
„Das ist lächerlich!“ rief sie. „Niemand tut etwas
eines anderen wegen, — und am wenigsten, wenn er
ihn nicht einmal kennt.“
„Sagen Sie das nicht. Jemanden nicht zu kennen,
ist vielleicht die einzige Entschuldigung dafür, daß man
etwas um seinetwillen tut. Vielleicht hat wirklich ein
Mensch, der Sie nicht kennt und den Sie nicht kennen,
die Tat verübt. Denn in Wahrheit, wer kennt alle die
unendlichen Möglichkeiten des menschlichen Herzens!
Kennt ein Herz doch kaum sich selber. Wer wüßte
vor allem, welche Verirrungen zu verheimlichen es
fähig ist! Vielleicht wäre sogar die ganze Leidenschaft,
die diesen Menschen zu Ihnen ergriffen hat, in dem
gleichen Augenblick zu Ende, in welchem Sie von ihr
erführen. Ja, vielleicht hat sie ihn überhaupt nur er-
griffen, weil er sie verheimlichen muß. Die Leute be-
haupten, er müsse ungeheure Kraft in den Armen
haben. Aber vielleicht ist diese ganze Kraft, welche
nötig war, die Tat auf so grausame Art zu verüben,
nichts weiter als die Folge1 solcher verheimlichten Ge-
walten. Denn das Gewaltsame sind ja nicht der Kopf
oder die Arme, das Gewaltsamste ist das Herz.“
Sie sah ihn an. „Ich finde Ihre Vermutungen ab-
surd“, sagte sie schließlich.
„Frauen“, erwiderte er, „glauben immer, für absurd
halten zu müssen, was ihnen gefällt. Haben Sie denn
niemals einen Menschen von offenbar sehr großen
physischen Kräften wahrgenommen, der ihnen längere
Zeit nachgestellt hat, — nein, nicht nachgestellt; der
Ihnen bloß nachgeht und Sie betrachtet? Haben Sie
niemanden entdeckt, der zeitweise vor Ihren Fenstern
steht und hinaufsieht . .
„Nein“, sagte sie. „Niemanden als Sie.“
„Mich?“
„Ja, Sie.“
„Sie hatten entdeckt, daß ich heute . .
„Allerdings.“
„Nun“, lachte er, „das schadet ja nichts. Ich hatte
nicht gewußt, wie ich Sie sprechen sollte, und habe
doch nicht geradezu bei Ihnen eindringen wollen . . .
Haben also nicht schon längst Leute, ungefähr auf
meine Weise, vor Ihren Fenstern . . .“
„Nein.“
„Es ist merkwürdig“, sagte er, „— andere Frauen
fürchten sich immerzu vor viel mehr Gefahren, als
vorhanden sind. Sie lehnen sogar die, welche zu fürch-
ten sind, ab. Sie scheinen jemanden sehr zu lieben . .
„Warum?“
„Weil Sie so furchtlos sind. Sitzt denn zum Beispiel
nicht auch jetzt, unter den hier Anwesenden, irgend-
wer, der Sie beobachtet? Nicht bloß ansieht, sondern
beobachtet? Ich meine auch nicht den Kellner, der Sie
fortwährend anstarrt, — wenngleich Sie eben auf diese
Art von Leuten mehr Eindruck machen mögen als
SOIlSt . . ' Fortsetzung folgt
KÄMPF UM TOBRUK
Fortsetzung von Seite 9
Wummeln ist als wenn es dem Nachbarn gilt. Mit schweren Brocken schießt er
täglich auf den Bunker X, das dickste Werk. Da liegen 60 Tommys begraben als
Opfer einer Stukabombe. Wir gehen nicht hin, denn das Werk ist unbrauchbar.
Wenn es morgens hell wird, reiben sich die Soldaten die Augen, blinzeln und
den ken, wie spät es nun wohl sein mag. Kaum einer besitzt noch eine Uhr. Sie
alle sind dem Sand erlegen, die teuren und die billigen, die guten und die schlechten.
Aber es geht auch so, und man lernt, welche Schatten am Morgen um sechs die
Kisten da vorne werfen und welche am Abend um fünfe. Obertags muß man nach
der Sonne schauen, die allen Schatten frißt, oder auf den Magen horchen, ob es
Zeit ist, die kalte Verpflegung herunterzudrücken. Dann ist es Mittag. Warm gibt
es erst abends. Die Essenträger kommen und manchmal Post, nur daß sie immer
für die anderen ist und man selber nie etwas dabei hat.
So sind zwei lange Wochen vergangen. D»r Friedhof am Kilometer 31 ist
gewachsen und auch an der Piste des Ras el Medauuar ist ein kleiner Friedhof
entstanden. Er liegt mitten in der unendlichen Einsamkeit der Halbwüste und
von weitem zaubert die Sonne das kleine Steinmal, das da aufgeschichtet wurde,
wie einen riesigen Turm über den Horizont hinaus. Die Soldaten sind hart gewor-
den in dieser Zeit. Sie tragen jetzt nur noch das Hemd mit weithin aufgekrempel-
ten Ärmeln, die kurze Hose und die langen Stiefel, deren Oberteil aus porösem
Stoff ist. Der Tropenhelm tut gute Dienste aber zumeist tragen ihn nur die
Anfänger, die Blaßgesichter, die gerade erst Afrikas Boden betraten. Die Mützen
haben wir lieber. Sie sind schön weich, durchgeschwitzt und haben weiße Ränder
vom Pistenstaub. Der Tropenhelm ist für Sonntags ganz gut und außerdem tut
hier vorne der gute alte Stahlhelm wieder Dienst.
Dann und wann, greift der Tommy an. Warum, weiß man nicht. Er wird jedes-
mal abgeschmiert. In einer Nacht sind es betrunkene Australier, die sogar, ver-
wundete Italiener massakrieren. Ein andermal werden Panzer abgeschossen und die
Besatzungen gefangen. Die Italiener halten dabei wacker mit. Es sind gute Truppen
und tapfere Männer. Viele tragen bald das Eiserne Kreuz.
ln diesen Tagen erzählt man von dem Gefreiten, der vorne, vor der italienischen
Linie, an seinem Draht lag, im Morgengrauen einen Panzerangriff meldete, ihn an
sich vorbeirollen ließ, indem er sich totstellte und über seinen Apparat warf, dann
wieder zum Hörer griff und trotz schwerer Verwundung eine so exakte Schilde-
rung des rollenden Angriffs gab, daß sofort die notwendigen Abwehrmaßnahmen
bei der Division ergriffen werden konnten. So gibt es manche Geschichte von
diesem und jenem, der vorbildlich seine Pflicht erfüllte. Männer, die sonst still
und unbemerkt ihren Dienst tun und sich dann plötzlich in Stunden ernster Gefahr
bewähren, sich als Meister erweisen, Vorbild sind.
„Sieh mal an“, sagen dann die Landser. „Der Kleine! Wer hätte das von dem
gedacht!“
Am Spätnachmittag des 15. Mai wollen wir in den Bunker x 4. Wir gehen am
Drahtzaun entlang, passieren ihn und schreiten die Piste herunter. Ein paarmal
macht cs Ratsch-Bum und pfeift nach rechts.
Zweihundert Meter hinter uns kommen die Essenträger. Mit schweren Schritten
schreiten sie daher, den Rücken leicht gebeugt von der Last der Kanister. Wieder
kommt es angezwitschert, heult kurz auf, Ratsch-Bum und nun ist es zwischen die
Männer geschlagen. Drei von ihnen sind verwundet. Als wir uns hinwarfen, da
war es schon geschehen und als wir uns nun erheben, sagt der Gefreite plötzlich:
„Hier ist der Eingang“ und verschwindet.
Ein paar Kisten hegen hier mit leeren Konservendosen gefüllt. Vor uns, im
Dämmer des Abends, stehen ein paar Holzkreuze. Es sind die Toten vom 30. April,
die hier fielen. Tief konnte man nicht graben. Die Erde gibt sich den Menschen
nicht. So nahm man ihre Steine, deckte sie über die Kameraden, steckte Kreuze
dazwischen und wer immer den Ras el Medauuar hier betritt, muß an den Holz-
kreuzen vorbei.
Hinter den Kisten ragen zwei dünne eiserne Stangen etwa 20 Zentimeter aus
dem Boden. Zwischen ihnen erscheint jetzt der Kopf des Gefreiten und schaut,
warum wir nicht folgen. Hier also ist der Eingang des Bunkers. Wer ihn nicht
kennt, läuft vorbei.
Auf den ersten Blick verstehen wir, warum das auch in der Angriffsnacht
geschah und unsere Stoßtrupps dann von hinten Feuer bekamen. Eine kleine Leiter
schwingen wir uns jetzt herab. Es geht schnell, denn wieder liegen die Einschläge
nahe und kommen langsam auf den Bunker zu.
Ein enger Gang, der sich alsbald verbreitert. Er wird so drei Meter haben. An
den Wänden Gepäck, Decken, dicht bei dicht die Schützen, sie schlafen. Im zittern-
den Schein einer Kerze schreibt einer einen Brief. Zwei Männer haben eine Zeitung
auseinandergefaltet und lesen, daß Serbien kapituliert hat und wie der Einmarsch
in Belgrad war. — „Na ja. In Tobruk wird’s nicht so schön aussehen.“
„Tobruk?“ Der andere spukt verächtlich neben die Kiste, die ihnen als Tisch
dient. Rechter Hand führt es in einen Raum von fünf mal vier Meter. Es ist der
Bataillonsgefechtsstand, der Raum des Kommandeurs, in dem auch Adjutant, Stabs-
arzt und Ordonnanzoffizier hausen. Beim Schlafen liegen sie dicht nebeneinander.
Es kann kein Apfel mehr einen Platz finden. .
Der Major heißt uns willkommen. Er ist ein Weltkriegsoffizier mit den Span-
gen zu beiden Kreuzen, ein Mann Ende Vierzig mit offenen, gütigen Augen, einer
klaren, dunklen Stimme. Dieser Mann wirkt so außerordentlich durch seine Er-
scheinung und seine Art, daß man auch ohne Abzeichen den Kommandeur sofort
erkennt. Er trägt das Hemd. Es ist vorne offen. Um Backen und Kinn liegt der
Bart von drei Wochen.
In dem engen Raum trinken wir einen Schluck kalten Tee, kauen eine Zitrone
dazu und rauchen dann englische Zigaretten. Offiziere kommen und gehen. Die
letzten Befehle für die Nacht sind ausgefertigt. Noch immer hört man das Ratsch-
Bum des Gegners durch die Luke. Der Draht zur Dritten ist wieder unterbrochen.
Das ist heute das fünfte Mal, das er zerschossen wurde. Fünfmal muß der Störungs-
sucher im Artilleriefeuer zu dem entlegensten Werk. Herr Gott, sind das Männer.
Bei jedem Wetter, bei jedem Feuer, zu jeder Stunde nehmen sie den Draht in die
Faust, fühlen sie sich vor, bis sie die Stelle gefunden haben. Sie flicken und kom-
men -dann atemlos vom schnellen Lauf zurück, aber es ist noch immer keine Ver-
bindung hergestellt und abermals müssen sie hinaus.
Essenträger, Wasserträger, Störungssucher, Melder — wer spricht von ihnen?
Sie tun ihre Pflicht, still und bescheiden. Es ist alles so selbstverständlich. Und
wenn dieser und jener einmal nicht ankommt, auch das ist selbstverständlich.
Jedem kann es geschehen, heute, morgen, ihm, dir oder mir.
Die eisernen Hammerschläge dröhnen wieder auf. Man hört jetzt nur die
Einschläge.
„Schade, daß es dunkel ist“, sagt mein Kamerad. Natürlich. Denn es ist ja auch
selbstverständlich, daß man dies alles in der Wochenschau sieht, den Krieg und
Afrika und Palmen und Oasen, die wir nur noch aus Büchern kennen. Und dann
trinkt man daheim selbstverständlich auch sein Bier und der Pimpelhuber haut
auf den Tisch und ist längst in Tobruk, wenn sie ihn nur gelassen hätten, den
Maulverreißer. Aber die Atmosphäre, die Sonne, die Nacht, den Wind, die Ge-
spräche der Soldaten, den Staub und wie man in Afrika spukt und sich räuspert,
das kann man nicht im Film und nicht in geschriebenem Wort festhalten. Das ist
in uns und um uns und wir spüren es selber kaum mehr, weil es nichts anderes
daneben gibt.
Die verwundeten Essenträger sind verbunden worden. Der Stabsarzt hat sich
die Hände gewaschen. Der gepflegte Chirurg aus Elberfeld sieht freilich mehr wie
ein Abruzzenräuber aus. Die drei Landser rauchen ihre Zigarette.
Fortsetzung folgt
Hauptschriftleiters Bernd E. H. Overhues (im Felde). Stellvertreter: Karl Fischer. Graphische Gestaltung: Herbert Dassel (alle in Berlin). — Verlag „Die Wehrmacht'' K.-G.,
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