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Die Werkkunst — 1.1905/​1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.57914#0303
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235

VON DER STUTTGARTER KÜNSTLERKOLONIE

welchem die untereWandverkleidung, die
graziösen Eckschränkchen, sowie die Re-
positorien der Saalmitte bestehen, einen
stimmungsvollen, freundlichen und doch
keineswegs aufdringlichen Hintergrund,
von dem sich die Gemälde der Pankok-
Ausstellung ebensogut abheben, wie dies
nach Schluß der Ausstellung auch den
besten modernen Bildern der Stuttgarter
Galerie zu statten kommen müßte. — Eini-
ges von dem,was Pankok alsKunstgewerb-
ler geschaffen, bildet den Inhalt der Eck-
schränkchen; manche seiner schönsten
Arbeiten kann man hier allerdings nur
in der photographischen Reproduktion
kennen lernen. Ein sehr charakteristischer
Musiksalon von Pankok wäre für diese
Ausstellung erreichbar gewesen, da sich
dieses Interieur im Besitze des Württem-
bergischen Landesgewerbemuseums be-
findet; aber man wollte der heurigen Dres-
dener Kunstgewerbeausstellung diese vor-
läufig noch verpackte Sehenswürdigkeit
nicht vorwegnehmen. —
Aber nicht nur der Maler und Kunst-
gewerbler, auch der Plastiker Pankok
kommt in der Ausstellung zu Worte. In
dieser Beziehung interessiert in erster
Reihe das eigenartige Bronzegrabmal, das
der Künstler seinem Vater in seiner west-
fälischen Heimatsstadt Münster errichtet
hat. Es ist, als ob der wackere Mann,
dessen künstlerischer Sinn und handwerk-
liche Tüchtigkeit auf seinen Sohn über-
gegangen sind, noch einmal seine Stimme
aus dem Jenseits ertönen lassen wollte
mit der ernsten Mahnung, an allem Guten
festzuhalten.
Auch der noch um acht Jahre jüngere
PAUL HAUSTEIN, dessen neueste Werke
im Landesgewerbemuseum zu einer Aus-
stellung vereinigt waren, hat wie Pankok
seine entscheidenden Jahre in München
verbracht und wurde dann eines der füh-
renden Mitglieder der Darmstädter Kolo-
nie, bis ihn im Vorjahre ein ehrenvoller
Ruf nach Stuttgart führte. Wie Pankok,
der sich seine Leute gut zu wählen weiß, ist
auch dieser junge Künstler überraschend
vielseitig: Entwürfe für Buchschmuck und
Keramik, für Metalldekoration undSticke-
reien sind ihm gleich geläufig; den schön-

sten Formenreichtum kann er entfalten,
wenn es sich um ganze Zimmereinrich-
tungen handelt, von denen die genannte
Ausstellung zwei vorführt, darunter eine,
die von Stuttgart zur Ausstellung nach
Köln wandern wird. Ungemein zartge-
stimmte Farbentöne zeichnen sie aus; ganz
reizvollpaßtdiePolitur des lichtenHolzes
zurgebeizten,nicht eintönigenLederpolste-
rung, während das gestickte Kissen sowie
die rotbraune Vase einen kräftigeren Far-
beneinschlag bringt, ebenso das Glasmo-
saikfenster mit dem schwefelgelbenMittel-
teil. Die Decke ist in reichem Schablonen-
stuck gehalten, der auch im zweiten Zim-
mer zur Verwendung gelangt_Von den
vielen Objekten gewerblicher Kleinkunst
hat das meiste bereits Liebhaber undKäu-
fer gefunden, ein Beweis dafür, daß die
moderne Richtung in Stuttgart nicht mehr
tauben Ohren zu predigen hat.
EinPortal in der Haustein-Ausstellung
ist im wesentlichen aus weißgrünen, ge-
krackten Fliesen zusammengesetzt; mit
diesen hat Prof. VON HEIDER, der an
der genannten Lehranstalt ein geradezu
mustergültiges keramisches Atelier ins
Leben gerufen hat, vorläufig seine Visiten-
karte abgegeben. Eine größere Ausstel-
lung keramischer Erzeugnisse von Heider
und seiner Schule ist noch für dieses Jahr
ebenfalls im Landesgewerbemuseum an-
gekündigt, und auch Prof. Rochga, der
zur gleichen Kolonie gehört, wird sicher-
lich nicht Zurückbleiben.
Ein Hauptverdienst an dem kunstge-
werblichen Aufschwung in Stuttgart ge-
bührt ohne Zweifel dem Württembergi-
schenKunstgewerbevereine, der unter dem
gleichen Präsidium wie das Landesge-
werbemuseum und unter der tüchtigen
Geschäftsleitung vonDr.FRANCK-OBER-
ASPACH namentlich im Publikations-
undVortragswesen ganz Vorzügliches lei-
stet und für den richtigen Ausgleich der
heterogenen Strömungen sorgt, indem er
nach- und nebeneinander die verschie-
denen führ endenPersönlichkeiten auf dem
kunstgewerblichen Gebiete teils in ihren
Werken, teils persönlich den Stuttgartern
vorführt, z. B. in diesem Winter Olbrich
und Behrens.
 
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