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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Schliepmann, Hans: Kunst und Wirtschaft, [3]
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Aus Galerien und Museen / Aus Akademien und Kunstschulen / Personalinen / Todesfälle / Stipendien und Stiftungen / Aus Künstler- und Kunst-Vereinen / Gerichtsaal / Kunsthandel und Versteigerungen / Vermischtes / Literatur und Kunstblätter / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0477
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Heft ZH.

Die Werkstatt der Kunst.

diners auf die Höhe inoderneu Sichauslebens zu bringen.
Im Gegenteil: die Verkörperet einer Ueberkultur bedürfen
nicht der Förderung; mögen sie zu Wort kommen; im
Konzert unserer Lebensströmungen mag auch ihr Becken-
schlag nicht fehlen; aber sie sind aus den wiegen des
Reichtums hervorgegangen; sie werden uns von selbst
bleiben und mehr als nötig kommen, so lange es blasierten
Ueberfluß gibt. Gesundung und Zurückfinden zur Natur,
zum Großen und Einfachen aber sind wichtiger. In dieser
Richtung läge das Ziel einer Züchtung. Mindestens zu
„begünstigen" wäre also ländliche Beschäftigung, Einsamkeit,
ohne doch wieder den Individualitäten Gewalt anzutun.
Dieselbe Zwanglosigkeit müßte nun für die Produktion
gelten. Nicht ihre Verwertbarkeit dürfte den Maßstab
bilden. Jeder könnte schaffen, wozu sein Herz ihn treibt.
„Da möchte wohl jeder kommen!" lacht man. Schön: also
bedarf es der Einschränkung und Auslese auch hier. Die
ist aber erreicht, sobald inan die Faulpelze und die strebernden
Blender ausschaltet. Auch für den Künstler selbst sei der Er-
folg kein Maßstab mehr. Darum müßten, sagen wir einmal,
alle Werke der Künstler der Brüderschaft zehn Jahre lang ohne
Sonderabrechnung, ja, möglichst sogar ohne den Verfasser-
namen bleiben; veröffentlichte Werke aber gehen, etwa wie
die „Kreutzer"- und die „Waldsteinsonate", unter dem Namen
helfender Brüder, denen das Werk gewidmet ist (für diese
eine weitere Lockung), und alle Verkaufsvorteile bleiben
bei der Brüderschaft, fallen höchstens erst den Nachkommen
des Künstlers zu. wer beim Publikum innerhalb der zehn
Jahre „durch" ist und nun lieber den klingenden Erfolg
seiner Mühen ernten will, tritt aus der Anonymität und
der Brüderschaft heraus, die aber in bezug auf seine früheren
Werke zu ihm im Verlegerverhältnis bleibt. Ebenso scheidet
aus, wer ein Jahr lang gar nichts getan hat. Ich glaube,
daß ein so enges Sieb sicherlich nur die durchlassen würde,
denen es nur auf ihr Werk, nicht auf ihre Person ankommt.
Solche Künstler würden für ihr höchstes Gut, unbehinderte
Zeit und freie Arbeitsmittel, gern auch die Selbstverleugnung,
namentlich etwa die zweier Probejahre bei notdürftiger
Lebenshaltung, gern aus sich nehmen.
Ich will diesen flüchtig angcdeuteten Vorschlag nicht
für em Allheilmittel ausgeben; immerhin böte sich hier ein
neuer weg, dem Talent zur Betätigung zu verhelfen, zu-
mal wenn die ganze Institution aus allgenrein menschliche
Nasseninstinkte zugeschnitten wird, deren Ausnutzung wieder
den Händen der Menge entzogen ist. Denn dies Rezept ist
das einzige, das Erfolg hat: flehe die Hierarchie, auch die
militärische. And es gäbe der Zeit ein etwas reinlicheres
Gewissen; zuletzt könnte keiner mehr sagen, sein Talent sei
von der Not gemordet, zur Fron für den Massengefchmack
gezwungen worden. Der Simonie wäre im Bereich der
Kunst ein Riegel vorgeschoben; denn ausbeuten läßt sich
doch nur die Notlage.
Ich will meinen Gedanken gern preisgeben, sobald
ein besserer auftaucht; wesentlicher ist zunächst aber die Er-
kenntnis, daß ohne eine planvolle und neuartige Gestaltung
des „Kunstbetriebes" (das Wort im weitesten Sinn gefaßt)
die Möglichkeit innerhalb der absehbaren Entwickelung
unserer Wirtschaftsordnung immer geringer wird, großer
Kunst zum Leben zu verhelfen. Eine Aenderung dieser
Ordnung ist noch nicht zu erwarten. Also bleibt nichts
übrig als: neue Bildungen zu versuchen oder mit Bewußtsein
zu verzichten und Künstlers Erdenwallen als von Gottes
Fluch getroffen anzusehen.

Aus Galerien und Museen. (Fortsetzung)
Köln ü. Rh. Das von Professor Wilhelm Trübner
in Karlsruhe gemalte „Reiterporträt des Kaisers" wird als
Geschenk des „Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern
am Rhein" in den Besitz der Stadt Köln übergehen.
München. Der Bericht über die Sezessionsgalerie
bot ein erfreuliches Bild der Fortschritte der Sammlung,
die nunmehr 5-( Nummern zählt und eine Reihe der besten


Namen aufweist. Als außerordentliche Mitglieder, deren
Beiträge zu Galeriezwecken verwendet werden, haben sich
bisher etwa fünfzig Herren und Damen angemeldet, so
daß sich dadurch die verwendbaren Mittel bedeutend ge-
steigert haben.
Nürnberg. (Nürnberger Kunstsammlungen.)
Im abgelaufenen Jahre haben die Sammlungen der
Stadt Nürnberg durch Geschenke und Käufe einen Wert-
zuwachs von 90 (83 Mk. erhalten. Sie sind jetzt mit
(53(3(0 Mk. gegen Brand und Explosion gesichert.
Rom. (Eine neue Verordnung über die Be-
sichtigung der italienischen Kunstdenkmäler) ist
soeben durch die Regierung in Rom herausgegeben worden.
Sie regelt den unentgeltlichen Zutritt zu Museen,
Katakomben, Monumenten und Ausgrabungen und be-
stimmt, daß derselbe ausländischen Künstlern und
Studenten, die irgend ein Werk von Bedeutung veröffent-
licht haben, Professoren der Archäologie, Geschichte, Litera-
tur und Kunst, gleichviel welcher Nationalität, gewährt sei.
Die Freikarten werden auf Iahresdauer ausgestellt.
Solothurn. Herr Eduard Eichorius, Rentner in
Dresden, stiftete dein Museum der Stadt Solothurn
folgende Bilder: Robert Eberle, München ((8(5 — (860),
„Mittagsmahl des Schafhirten", Oelbild; Alexander Ealaun,
Genf ((8(0—(86-(), „Alpenlandschaft", Kohlenzeichnung;
William Linnig d. Aelt., weinrar ((8(9—(885), „Stricke-
rin", Gelbild; Friedrich Dietler, Solothurn-Bern ((80H bis
(8?-(), „Porträt", Aquarell; Gaudenz Taverna, Lhur-
Solothurn ((8(H—(878), „Alte Bernerin", Gelbild.
Aus Akademien und Kuns1sd)ulen.
Leipzig. 33 Leipziger Maler, die durch die Nachricht,
ein Kunstfreund wolle der Stadt zur Errichtung einer
Hochschule für angewandte Kunst 300000 Mk. zur
Verfügung stellen, sich lebhaft beunruhigt fühlen, weil sie
fürchten, daß für die Leipziger Künstler der Kampf um die
Existenz noch schwieriger werden könne, haben an das Stadt-
verordnetenkollegium folgende Eingabe gerichtet: „Einer-
Anregung der Direktion des Kunstgewerbemuseums zufolge,
ist geplant, sich im Rats- und Stadtverordnetenkollegium
schlüssig zu werden über die Gründung einer Hochschule für-
angewandte Kunst in Leipzig. Durch eine solche Gründung
würde die Leipziger Künstlerschaft auf das schwerste in
ihrer Existenz bedroht werden. Denn bei dem Mangel an
Aufträgen und der beispiellos geringen Kauflust des Leip-
ziger Publikums sind die meisten der in Leipzig ansässigen
Künstler genötigt, ihre Exiftenzmittel in denselben Gebieten
zu suchen, die auch die Ziele der in Frage stehenden Kunst-
schule sein sollen: Unterricht in allen Zweigen bildender
Kunst, Arbeit für Buchgewerbe, Entwürfe und Ausführung
kunstgewerblicher Objekte usw. Auch kann ein Bedürfnis
nach gewaltsamer Hebung des Leipziger Kunsthandwerks
auf solche weise nicht geeignet erscheinen. Das Kunsthand-
werk würde vielmehr in hiesiger Stadt ganz von selbst auf
natürliche weise in die Höhe kommen, sobald sich ein leb-
hafteres Bedürfnis nach solchen Erzeugnissen zeigen würde
und man den Künstlern durch verständnisvoll erteilte Auf-
träge Gelegenheit zu höherer Entwicklung ihrer Fähigkeiten
geben würde, anstatt der immer wieder versuchten unglück-
seligen Preisausschreiben mit unklarem Programm. Die
Unterzeichneten sind der festen Zuversicht, daß es nicht in
der Absicht der städtischen Verwaltung liegen könne, die an
sich schon schwierigen Verhältnisse der Leipziger Künstler-
schaft noch unglücklicher zu gestalten, und erlauben sich des-
halb an das Stadtverordnetenkollegium die ergebene Bitte
zu richten, von einer Unterstützung der geplanten Gründung
aus städtischen Mitteln im Interesse der Leipziger Künstler-
schaft absehen zu wollen." Hierzu wird noch gemeldet:
Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig hat bereits den
Künstlern die Zusicherung gegeben, daß sie nichts zu be-
fürchten hätten. Sollte wirklich aus Privatmitteln eine
solche Kunsthochschule gegründet werden, so würde sie keine
Unterstützung aus städtischen Mitteln zu hoffen haben.
 
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