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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Katsch, Hermann: Eine Künstler-G.m.b.H., [2]
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Ergötzliches zu dem Kapitel "Zeitungskritik"
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0039

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35

Die Werkstatt der Kunst.

heft 3.

stoßen, im Gegenteil, alle Fabrikate deutscher, französischer,
belgischer oder englischer Herkunft liegen da friedlich bei-
sammen, als repräsentierten sie das Haager Schiedsgericht.
Ich gehe aber weiter, wozu die Prozente des Engros-
käufers verdienen wollen, wenn man die des Produzenten
verdienen kann? Ls muß gelingen, auf allgemeine Rosten
eine genossenschaftliche Farbenfabrik zu errichten, das Anlage-
kapital ist bei der großen Anzahl der Mitglieder (etwa 3000)
durch einen geringen Beitrag des einzelnen zu decken. Nach
dem Stande des heutigen wissens und Könnens wird ein
Material, welches so gut ist, wie alle bisherigen Fabrikate,
sehr leicht herzustellen sein, da man aber nicht in erster
Linie an den Nutzen, sondern an die Güte des Materials
denken muß, so wird es wahrscheinlich von Anfang an
besser sein als das heute erhältliche. Dann wird der
Genossenschafter P durch billigeres Einkäufen und 2) durch
den Gewinn des Unternehmens, dem sich doch natürlicher-
weise die riesige Schar der Dilettanten als Käufer zuwenden
würde, nach Abschreibung von Reserven, Gehältern und
sonstigen Unkosten alljährlich eine sichere Rente haben.
Natürlich würde eine Beratung dieses Gegenstandes die
Malerschaft Deutschlands in heftig sich befehdende Parteien
spalten, hie Leinöl, hie Mohnöl würde das Feldgeschrei
lauten usw., schließlich aber wird es doch werden, wie ja
unser gutes Deutschland auch schließlich mal geeinigt
worden ist.
2. Mein zweiter Vorschlag geht dahin, das ganze Ver-
vielsältigungswesen einer genossenschaftlichen Reproduktions-
anstalt zu übertragen. Es muß dabei Pflicht eines jeden
sein, Pflicht, die in den Satzungen ausgesprochen sein muß,
nur in dieser und in keiner anderen Anstalt Photographien,
Photogravüren, Holzschnitte usw. usw. unfertigen zu lassen,
hier werden die Herren, die große Reproduktionsanstalten
haben, lächeln und sagen: „versucht es nur, ihr werdet es
bald ausgeben!" Das ist heute auch nicht mehr so schlimm,
denn für gutes Gehalt bekommt man vorzügliche Techniker
für alle diese Verfahren und der Gewinn wäre ganz enorm
wie im ersten Falle. Außerdem fällt die heute fast un-
mögliche Kontrolle des wirklichen Absatzes und das unbe-
hagliche Gefühl, nicht zu wissen, wie das wirkliche Ergebnis
der Verkäufe gestaltet ist, gänzlich fort. Selbstverständlich
müßte diese Anstalt verbunden sein mit einem großen
Bureau, es müßten Reisende in alle Welt gehen usw. usw.
Mit gewissen Stellungen in diesem Betriebe muß ein
Kunstverständnis, ein technisches Verstehen verbunden sein.
Nun, gibt es nicht viele Maler, die in den heutigen Zeiten
des unsicheren Erwerbes ihre mühevoll erlangten Kenntnisse
sehr gern in solchen fest dotierten Stellen verwenden
würden? Der Moloch Kunst führt so viele durch dürre
Jahre und das Leber: ist doch das wichtigste. Die Künstler-
Unterstützungsvereine würden auch durch Empfehlung ihnen
bekannter schlechtsituierter Hinterbliebenen von Künstlern
unendlich mehr Gutes wirken können als sie jetzt dürfen.
Beide Unternehmungen brauchen nicht gleich im allergrößten
Stil begonnen zu werden, aber mit dem festen Entschluß,
die Allgemeinheit allmählich dazu zu gewinnen. Ich weiß
nicht, was die Künstlervereine in vielen Jahren mit ihren
großen Vermögen, die sich doch allmählich der Million
nähern, einmal ansangen sollen, wenn die Dinge wirklich
einmal soweit gediehen sein sollten, daß der einzelne aus
dem Gewinn der Ausstellungsunternehmungen mit einer
Rate bedacht werden kann, so liegt eine solche Möglichkeit
nicht bloß außerhalb der Statuten, sondern auch nicht
außerhalb jeder Zeitberechnung, warum sollen die, die
das vermögen erwerben helfen, nicht schon jetzt ohne eine
Stunde Arbeit mehr und mit dem Risiko von nur wenigen
Markstücken einen Gewinn haben, den jetzt andere einheimsen?
Die Schristleitung hat diesem Aussatze gern Raum
gegeben, weil das wiederholte Austauchen dieser Pläne
zeigt, wie die Künstler immer entschlossener und zielbewußter
zu denken beginnen. Allerdings müßten die Ausführung
doch Nichtkünstler übernehmen, im ersten Falle Ehemiker

und in: zweiten eine sehr umsichtige und im Verlagsbuch-
handel sehr erfahrene Persönlichkeit. — Gb die Allgemeine
Deutsche Kunstgenossenschast in absehbarer Zeit für solche
doch etwas riskante und sehr viel Arbeit erfordernde Pläne
mobil gemacht werden kann, da jetzt so viel anderes vor-
liegt, muß sich aus der jetzt folgenden Diskussion ergeben,
zu der dieser interessante Aussatz des perrn Katsch jeden-
falls Veranlassung sein wird.
Ergötzliches zu clem Kapitel
„Teitungskritik".
X. Paris. Anläßlich des Salon ck'autoinne, der vor
wenigen Tagen eröffnet wurde, kursiert in den Künstler-
Las^s drüben aus Montparcasse die folgende ergötzliche und
zugleich sehr lehrreiche Geschichte. Ich kann für die histo-
rische Wahrheit des Vorfalles, der sicherlich zu denken gibt,
nicht einstehen, und nenne darum auch keine Namen. Aber
selbst wenn sich die Sache auch nur zum Teil so zugetragen
hat, wie sie mir erzählt wurde, läßt sich doch ein ganzes
Stück Erfahrung daraus schöpfen, und ist dem Kapitel
„Zeitungskritik", das in so vielen Formen hier und anders-
wo vielfach besprochen wurde, entschieden eine neue, lehr-
reiche, für den Künstler und seine Umgebung wichtige
Seite abzugewinnen.
Anläßlich der Eröffnung der großen Pariser Salons,
so auch jetzt zum Salon ck'antornne, erscheinen alljährlich
eine Menge Blätter und Blättchen, die in ihrem gewöhn-
lichen hochtrabenden Titel das Wort „Kunst", „Künstler",
„Interessen" usw. usw. führen. Aus manchen liest man:
soundsovielter (gewöhnlich eine recht hohe Nummer) Jahr-
gang, Nr. X. Manche, die anständigeren, setzen zu der
Salon-Eröffnung mit Nr. Jahrgang I ein. Der Inhalt
dieser Blätter besteht gewöhnlich aus einem Ausruf an die
Leser, recht vielen Inseraten von Zeichnungs-Nalrequisiten-
händlern und — und na ja, aus einer langen, langen
„Kritik" über den letzten Salon. Merkwürdigerweise sind
die in dieser Kritik besprochenen Künstler alle große Talente
mit großer Zukunft, der Kritiker ist von ihnen allen ent-
zückt und schwimmt in Wonne über all die viele, herrliche
große Kunst, die sich ihm da eröffnet hat. Nur selten,
dann aber mit Vehemenz, geht er einem oder dem anderen
an den 6als. Allerdings steht's dann dafür. Die Kritik
ist sonst gut geschrieben, und macht ihr Verfasser, der meist
einen in den weitesten Kreisen unbekannten Namen zeichnet,
durchaus den Eindruck des Menschen, der zu der Sache ge-
rochen hat.
Ls ist Ihnen natürlich sicherlich bereits „ausgegangen",
wie diese Blättchen und ihre Kritiken entstehen. Kaum ist
der Ausstellungskatalog erschienen, erhalten Aussteller und
Ausstellerinnen (besonders aus diese wird großes Gewicht
gelegt) Subskribtions-Einladungen aus das Blatt (folgt der
Titel), das „in einem besonders großen Artikel die
aus st eilenden Künstler und ihre Werke zu würdigen
die Absicht hat". Das Blatt ist angesichts der hervorragen-
den Mitarbeiter, des guten Papiers, der „in herrlicher Aus-
führung beigegebenen Reproduktionen ausgestellter Werke
(um deren Photographie die Administration bittet)" freilich
etwas teuer, kostet pro Nummer Francs (sagen wir) und
bittet die Administration um freundliche Mitteilung, wie-
viel Nummern, die den großen Artikel enthalten, sie sich
nach Erscheinen dem Adressaten zu übersenden erlauben
darf. Der Betrag ist im Voraus einzusenden. ^0 Nummern
sind entsprechend billiger, -20 noch billiger und so weiter.
Der Zweck ist durchsichtig — aber er zieht. Je mehr
einer subskripiert, umso kräftiger seine Farbe, eleganter
seine Pinsel- oder Meißelsührung, mächtiger seine Kon-
zeption, umso größer seine Kunst. Die meisten wissen dies,
aber wer widersteht dem gedruckten Lob. Sie gehorchen
schweigend — und subskribieren, je nach Vermögen und
Bedarf. — Auch spart die Administration die Mühe nicht,
Aussteller, besonders die weiblichen in ihrem Atelier auf-
zusuchen, um ihnen in flammenden Worten die hohen
 
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