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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Vor 50 Jahren!
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Kirstein, Alfred: Bemerkungen über den dekorativen Charakter der Grundfarben
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Die Werkstatt der Kunst.

merkwürdige Bild einer geistigen Familie eröffnet
sich unfern Blicken. Das Bingen der Väter war
kein vergebliches; ihre Arbeit erleichterte die der
Enkel; die Mühe und Large ihres Erdenwallens
hinterließ ein unvergängliches Erbe; es ist das
unsere, und wir, wir wissen, daß, wenn unser
Auge bricht, wenn unser Werkstück der sterbenden
Hand entsinkt, daß es von verwandter Hand aus-
genommen und weitergesördert wird zum Ausbau
der geistigen Macht der Nation! G verdenkt
es uns nicht, wenn wir mit heißen Wünschen an
dem Gedanken hangen, daß unsere Kunst eine
nationale Kunst sei! Denn nur auf dem Boden
eines großen Volkes reifen die Menschengedanken
zu weltgeschichtlichem Werte, nur auf dem Boden
eines Volkes treibt der Baum der Kunst tiefe
Wurzeln, breite Aeste, hohe Kronen.
Hat jemals die gütige Vorsehung die Mög-
lichkeit vorbereitet für ein Unternehmen wie das
unserige, so war es in dieser Zeit, so war es an
diesem Grte. Wo und wann wären Bedingungen
zu finden gewesen, günstiger als die uns gegebenen?
Weltsriede; die Jubelfeier einer ernsten Pflanzschule
der bildenden Künste; die gehobene Stimmung
einer Stadt, die sich selber anschickt, ihr sieben-
hundertjähriges Wiegenfest zu feiern; ein weiter
Palast, von staatsmännischer Energie ins Leben
gerufen, der fort und fort seine Mission erfüllt,
nationaler Tätigkeit ein Mittelpunkt zu sein; der
mächtige Schutz eines hochsinnigen Herrschers, der
mit gleicher Sympathie alle Blüten der Intelligenz
versammelt, um seinen Thron mit dem Glanze
der Mediceer zu schmücken, König Maximilian
von Bayern; die Aegide eines anderen Fürsten,
der mit dem ersten Grundstein, den er der Kunst
hier in München setzte, auch den Grund zu
unserem heutigen Unternehmen legte, dessen geistigen
Thron wir noch immer in alter Treue und stets
erneuter Liebe umstehen, König Ludwig! — Wer
sieht hier nicht eine Ueihe von providentiellen
Fügungen, die uns zu Hilfe kommen mußten?
Mit meinen letzten Worten wende ich mich
an die Künstler Deutschlands! Jederzeit, so hoffen
wir, wird diese Vereinigung von Kunst betrachtet
werden als das opfervolle Werk der Pietät, als
das Werk der Liebe, das seine erwärmende Kraft
fortsetzen soll in die nahe und in die ferne Zukunft,
als das Werk unseres gemeinsamen Strebens nach
den höchsten Zielen, nach Schönheit, Wahrheit

Heft 39.
und Harmonie! Nimmer gebe diese ehrwürdige
Auswahl Anlaß zu egoistischem vordrängen, eitelm
Vesserdünken und blinder Parteisucht. Line höhere
Ordnung der Dinge, eine Zeit und Menschheit
beherrschende Idee muß festgehalten werden, um
diese Versammlung zu richten. Vas Urteil
der Kulturgeschichte kennt nicht das hochmütige
Gerede vom überwundenen Standpunkt, ihr sind
alle Momente gleich wichtig und wert. Hier liegt
die Tat eines Volkes eigentümlicher Art vor unseren
Augen; sie zeigt das Gemeinschaftliche im besonderen,
sie predigt laut, daß auch aus unserem Gebiete
die Selbständigkeit des Einzelnen erhalten werden
muß, wenn das Ganze in Macht und Ehren be-
stehen soll, sie offenbaret, was deutsche Kunst
ist! Das ist die Aufgabe unserer Ausstellung und
so will sie betrachtet sein, von ihrer Stätte erhebt
sich der Genius der Kunst, er schwingt sein leuch-
tendes Banner, aus dem in Flammenzügen zu
lesen ist für das Auge des Meisters wie des
Jüngers: ,ich bin das Banner deines Volkes,
mir folge nach, unter meinem Zeichen wirst
du kämpfen und siegen!'"
Dem verlesen dieser interessanten Rede aus ver-
gangener Zeit folgten begeisterte Bravorufe. Prof,
v. Petersen betonte, daß so herrlichen Worten kaum
etwas anderes hinzuzufügen sei, als unser feier-
liches Gelöbnis, festzuhalten und weiterzu-
führen, was uns von unseren Vätern überliefert
wurde, festzuhalten an Liebe zur deutschen Heimat,
zu deutschem Wesen und deutscher Kunst.
Bemerkungen über den dekorativen
Obarakter cler Grundfarben.
Von Alfred Airstein-Haris.
Die elementaren Farben sind bekanntlich Gelb,
Not und Blau, von ihnen leiten sich Orange, Grün
und violett ab. Diese Grundfarben bilden einen
geschlossenen Kreis wie folgt: Gelb, Grange, Not,
Notviolett, Blauviolett, Blau, Grün, Gelb. Ls
haben nun diese Farben, der Neihe nach, einen ver-
schiedenen Helligkeitscharakter; gleichen Sättigungs-
grad vorausgesetzt, ist Gelb am hellsten, Not ist Halb-
dunkel, Blau dunkel; Blauviolett ist die dunkelste Farbe.
Betrachten wir an einem Tage ohne Sonnen-
schein eine wenig belebte Straße einer Stadt, eine
Straße, an deren einer Seite ein Gartengrundstück
liegt, dessen Baumkronen die Mauer überragen, so
teilt sich für unser Auge das, was wir sehen, so-
gleich in drei große Massen: eine Helle Maße, das
ist der Himmel, eine halbdunkle Masse, das ist die
Steinmasse (Häuser, Gartenmauer, Trottoirs, Fahr-
damm), und eine dunkle Maße, das ist das tz.aub
 
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