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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 12.1912/​1913

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Heft 17
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Redaktioneller Teil
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Geber und Nehmer der Kunstbildung, IX: Frauenstudium
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XII, heft 17.

Die Werkstatt der Runst.

227

Redaktioneller Teil.

Seber uncl Nekmer clerlkunktbilclang. IX
^rauenstudiunr*)
von Vr. Hans Schmidkunz-Berlin-Halensee
während die Zulassung der Frauen zum wissenschaft-
lichen Studium, also zumal an die Universitäten, seit
einiger Zeit so gut wie allgemein durchgeführt ist, sind
die offiziellen Stätten des eigentlichen Kunststudiums, das
der „redenden Künste" ausgenommen, den Frauen wenig-
stens in unseren Ländern noch fast überall verschlossen.
Ls wird sich aber doch wohl lohnen, die Frage nochmal
und nochmal „anzuschneiden"; und so, nicht etwa er-
schöpfend, mögen die folgenden Zeilen das Thema be-
handeln.
Die Frauen selbst lassen natürlich nicht locker. Zutritt
haben sie bisher zur „Königlichen Kunstakademie" in Königs-
berg i. pr., zur „Großherzoglich Sächsischen Hochschule für
bildende Künste" in Weimar, zur Königlichen Akademie
in Budapest, zur „Königlichen Kunstschule" in Berlin
(vorwiegend für Zeichenlehre), zu mehreren Kunstgewerbe-
schulen: Berlin, Breslau, Dresden, München und wohl
auch sonst. Die Wirksamkeit einiger Lehrerinnen an
Kunstgewerbeschulen ist hier ebenfalls festzustellen. (Be-
richtigungen zu diesen Angaben sind natürlich sowohl der
Redaktion wie auch dem Verfasser bestens willkommen.)
verschlossen sind den Frauen bisher die altgegründeten
und altberühmten Kunstakademien. Um Zulassung zu den
Königlich preußischen Kunstakademien Berlin und Düssel-
dorf petitionierte eine Eingabe norddeutscher Frauenvereine
an das auch hier sogenannte Kultusministerium. Die uns
vorliegende Petition — die wie so viele Petitionen ihre
Datierung versäumt — legt das Schwergewicht auf offene
Bahn für das Talent. Ueber ihre Erledigung ist uns
nichts bekannt; vorläufig muß jedenfalls mit Ablehnung
gerechnet werden.
Das „Talent" ist natürlich, und nicht ohne Recht, der
Lieblingsbegriff in öffentlichen und privaten Erörterungen
über Kunststudium. Um so bedauerlicher, daß bisher noch
fast gar nichts verläßliches zur Erkenntnis des Wesens
und Bereiches dieser psychischen Macht vorliegt; vereinzelte
Anregungen von dem Referenten und von anderen sind
eben nicht weitergesponnen worden.
Am nächsten kommt einer Behandlung dieses Themas
speziell für unsere Interessen wohl das Buch von G. Hey-
mans, „Die Psychologie der Frauen". (Aus dem Nieder-
ländischen. Heidelberg zqio, L. Winter.) Das Buch ist
vor allem durch seine sorgfältige Methodik wertvoll, sodann
aber auch durch seine sachlichen Ergebnisse, die zwar größten-
teils Bekanntes bestätigen, darüber hinaus jedoch einige
nahezu verblüffende Aufschlüsse enthalten.
Schade, daß dabei die Kunst gegenüber der Wissen-
schaft zu kurz kommtl Sie wird nur auf wenigen Seiten
behandelt, mit Hervorhebung der Verdienste von Frauen
in der Bühnen- und in der Lrzählungskunst, im übrigen
mit Verweisung aus die Resultate der Untersuchungen über
wissenschaftlich studierende Frauen.
Es handelte sich dabei namentlich um Rundfragen bei
solchen Lehrenden, die viel Beobachtungen an Studenten
beiderlei Geschlechts hatten machen können. Analoge
Rundfragen bei Kunstlehrern scheinen noch nicht vorzuliegen,
sind aber dringend erwünscht und würden zu unserem
Thema gewiß mehr und besseres beitragen, als es unsere
„Ansichten" können.
Heymans berichtet über Enquete-Untersuchungen

*) Da die Schlüffe, zu denen der Herr Verfasser hier
gelangt, manchen Widerspruch, besonders im Kreise der künst-
lerisch tätigen Frauen, Hervorrufen wird, so find wir gern
bereit, auch sachliche Gegenäußerungen aufzunehmen. Red.

(S. ss8—sZs), „welche sich auf die Resultate des akade-
mischen Studiums bei den Angehörigen beider Geschlechter
beziehen". Anderen solchen Untersuchungen gegenüber
waren sie wegen des gleichartigen Untersuchungsmaterials
im Vorteil. Line sehr ausgedehnte Fragestellung richtete
sich auf die Eigenschaften und Leistungen, welche als Be-
dingung oder Zeichen wissenschaftlicherBefähigung anzusehen
seien.
Nun sind häufiger bei den weiblichen als bei den
männlichen Studierenden von jenen Eigenschaften und
Leistungen lediglich folgende festgestellt worden: „allge-
meines Schulwissen, Eifer, Beharrlichkeit und Geduld,
treuer Kollegienbesuch, Folgsamkeit, Ordnung und Gewissen-
haftigkeit im Studieren sowie ein gutes Gedächtnis".
Ueber Genauigkeit bei quantitativen Untersuchungen liegen
keine merklichen Unterschiede vor; „in allen anderen Punkten
aber sind die Männer im Vorteil".
Zu diesen Punkten gehören nun alle die, welche sich
— kurz gesagt — auf die Selbständigkeit und Produktivität
sowie auf das innere und direkte Interesse an der Sache
beziehen, welche also nicht wie die ersteren Punkte mehr
nur Vorbedingungen für das akademische Studium, son-
dern vielmehr dessen charakteristische Hauptbedingungen
betreffen. Darin versagen also mehr Frauen als Männer,
und noch mehr scheinen sie nach dem Studium zu ver-
sagen. — Daß sie auch in der ihnen sonst vielseits zuge-
sprochenen manuellen Geschicklichkeit hier ein wenig ver-
sagten, sei nur nebenbei bemerkt.
Aber schon auf der eigentlichen Schulstufe scheint es
ähnlich zu sein wie auf der akademischen: die dort und da
gewonnenen Bilder decken sich im wesentlichen. Auch in
der Schule beruhen nach den Ergebnissen unseres Autors
(S. t2l) bei den Frauen „die ausgezeichneten Leistungen
doch mehr auf Strebsamkeit und Pflichttreue als auf wirk-
lichem Interesse für das Gelernte".
Das uns besonders angehende Ergebnis bei Heymans
ist also, „daß die durchschnittliche Frau sich auf dem Ge-
biete der Wissenschaft nie und nimmer wirklich heimisch
fühlen wird" (S. ZH3). „Die Wissenschaft ist für sie nicht
ein Gegenstand spontaner und unwillkürlicher, sondern
vielmehr ein Gegenstand willkürlicher, ost mühselig er-
zwungener Aufmerksamkeit" (S. IH5). Ueber den „Mangel
an lebendigem Interesse für den Gegenstand des Studiums"
scheinen die Frauen also wenig hinauszukommen (S. t§6).
Es würde nun, wie angedeutet, von außerordentlichem
Interesse und wert sein, wenn analoge Umfragen mit den
nötigen Aenderungen in den bisher vorhandenen Fällen
einer Vergleichbarkeit zwischen Kunstjüngern und Kunst-
jüngerinnen angestellt würden. Die Heymansschen Er-
gebnisse schreiben den Frauen nicht etwa das Plus zu,
das man für das künstlerische gegenüber dem wissenschaft-
lichen Studium verlangen möchte; im Gegenteil.
Auch was über die akademischen Enqueten hinaus
zum Vorschein gekommen ist, ändert daran wenig, aus-
genommen die auch hier wieder feftgeftellte Abneigung der
Frauen gegen das Abstrakte und Hinneigung zum Kon-
kreten, also insonderheit ihre Vorliebe für die ungeteilten,
unanalysierten, komplizierten Einheiten des Individuellen.
Damit ist ja in den Künsten weit mehr zu machen als in
den Wissenschaften; und dadurch würden wir endlich bei
einem für weibliches Kunststudium günstigen Punkt ange-
langt sein.
Nun brauchten die Frauen den Männern nur noch
auf dem Gebiete, das man kurz die Phantasie nennt,
gleich oder gar überlegen zu sein. Aber daran scheint es
nach unserer Vorlage abermals zu fehlen. Der dem weib-
lichen Geschlecht wahrscheinlich unter allen Umständen ver-
bleibende zweite psychische Abstand von den Männern: ihre
Emotionalität, also ihre Gefühlsbetonung, ihre subjektiv
bedingte Vorliebe, nützt für die Kunstbetätigung wohl nur
scheinbar.
 
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