Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

DOI Artikel:
Redaktioneller Teil
DOI Artikel:
Rheinstrom: Steuern und Kunst
DOI Artikel:
Koberstein, Hans: Unzüchtige Postkarten II
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53853#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Kunst.

XIII, Heft ^3.

172

gezeigt. Als ein besonders bedauerliches Moment
ist mir dabei immer erschienen die geringe Glaub-
würdigkeit, die von vielen Rentämtern und Aus-
schüssen den „nach bestem wissen und Gewissen"
gemachten Angaben der Steuerpflichtigen beigemessen
wurde. Ich kenne Fälle, in denen meines Erachtens
ohne tatsächliche Begründung Unterschiede von
30—15L>o/o fischen den Angaben des Steuer-
pflichtigen und der erstinstanziellen Veranlagung sich
ergaben.
Und da unter solchen Verschiedenheiten vor
allem die zu leiden hatten, die der unrichtigen Veran-
lagung nicht peinlich genau geführte Aufzeichnungen
entgegenstellen konnten, sind gerade Künstler häufig die
Betroffenen gewesen, viele haben ja, durch Scha-
den klug geworden, sich nunmehr Aufzeichnungen an-
gelegt (mir liegt ein sehr zweckmäßig eingeteiltes
„Malerhauptbuch" vor, mit Abteilungen für alle Un-
kosten und sonst notwendigen Bemerkungen), aber ein
großer Teil unserer Künstler hat sich noch nicht davon
überzeugen können, daß eine gewisse geniale Unordnung
und Künstlertum nicht notwendig zusammengehören.
Und da sei eine Mahnung nach beiden Seiten ausge-
sprochen: An die Künstler, daß sie wenigstens in
großen Zügen die Ergebnisse ihrer Jahresarbeit auf-
zeichnen, und an die Veranlagungsorgane, daß sie,
besonders in der nächsten für die Künstler ohnedies
wahrhaft schweren Zeit, die Anforderungen an die
Buchführung der Künstler nicht zu hoch schrauben,
daß sie sich vor Augen halten das andere Wort des
Reichsschatzsekretärs, daß man wohl hohe Steuern
nehmen, aber den Steuerpflichtigen nicht schikanieren
dürfe.
Die Beherzigung dieses Wortes ist besonders an-
gebracht für die Steuerveranlagung des Künstlers,
der meist nicht sehr fest an der Scholle klebt und sich
bureaukratischen Schwierigkeiten durch Wegzug zu
entziehen rasch geneigt ist. Also nicht nur aus kul-
turellen, auch aus fiskalischen Gründen: „Schont
eure deutschen Meister!"
Anzircktige Postkarten H
Wir erhalten von Hans Kober st ein folgenden
„(Offenen Brief" als Antwort auf die Ausführungen
Schlichtings in Heft l2.
Lieber Schlichting!
Sie suchen durch krasse Beleuchtung einzelner, kranker
Auswüchse im Kunsthandel eine Maßnahme der Behörden
zu schützen, deren Durchführung nicht nur für uns Künstler,
sondern auch für die Allgemeinheit von unendlichem Schaden
fein würde.
Ls liegt kein Beweis vor, daß der Hansabund in
unserer Sache nur kaufmännische Gesichtspunkte vertritt,
man darf im Gegenteil darauf schließen, daß er sich vor
allem der Wahrung der künstlerischen Rechte annehmen
will, wie die ihm nahe verwandten Linksparteien unserer
staatlichen wie städtischen Parlamente feit langem die
wärmsten Vertreter unserer Interessen sind.
Sie erwähnen in Ihren Ausführungen, eine gute
Verwertung der Künstlerpostkarten komme „sicher bisweilen"
vor, in der Regel würden sie gemißbraucht.
Die Karten dienen nach Ihrer Anschauung demnach

hauptsächlich als Nährboden für die degenerierte Phan-
tasie dummer Jungen oder seniler Lüstlinge.
wie faul müßte der Kern unseres Volkes sein, wenn
es sich in der Hauptsache aus den letztgenannten Elementen
zusammensetzte?
Sie unterschätzen die große Masse der Sammler,
denen die kleine Karte erst ermöglicht hat, mit Pfennigen
zu erwerben, was ihnen alte Kulturstätten und Galerien
erzählten, so einen Besitz an Kunst zusammenzutragen, der
ihnen durch den eigenen Stempel weit mehr sein muß als
die schönsten Sammelwerke der Gelehrten.
Sie vergessen auch die Gesunden und Natürlichen im
Volke — lieber Kollege — oder darf heute ein gesundes
Menschenkind nicht mehr Freude am Anblick schöner Formen
empfinden um ihrer selbst willen?!
Nicht jedem ist es gegeben, den Künstler aus seinen
Werken zu begreifen.
Naive Naturen werden stets in einer Nacktdarstellung
zuerst den schönen Menschen schauen und sich daran ent-
zücken.
Wollen Sie dies Empfinden als unanständig bezeichnen?
Sie meinen, es sei zweifellos ein Mißbrauch der Kunst,
wenn Nacktdarstellungen aus Gründen gekauft würden,
die mit dem Interesse an der Kunst nichts zu tun haben.
Lin zweifellos noch größerer Mißbrauch der Kunst
wäre demnach, wenn Nacktdarstellungen aus Gründen be-
trachtet werden, die mit dem Interesse der Kunst nichts
zu tun haben.
Sollen wir nur wegen ein paar Dutzend Gesinnungs-
lumpen die Schönheit von den Plätzen und Anlagen ver-
bannen?
Lieber Schlichting!
Ls tut mir lang' schon weh,
Daß ich Dich in der Gesellschaft seh'!
Greifen heute die Geister, die Sie rufen, nach der
Postkarte, fo packen sie morgen die Photographie und Ra-
dierung, um am Ende das Kunstwerk selbst zu beschnüffeln.
Ich meine, die Museumsverwaltungen und vor allem
die Künstler selbst sind Manns genug, unsere Kunst vor
jeder „unwürdigen Vorführung und Benutzung" zu be-
wahren.
Darum: Hände weg!
Mit bestem Gruß
Hans Koberstein.
vertun gsscbau
Man schreibt den „Münch. N. N." aus Künstlerkreisen:
Zur Steuerinterpellation:
Line Woche lang wurde kürzlich im (bayerischen) Landtag
eine „Unterhaltung" über die Steuergesetze und deren Vollzug
gepflogen, die schon durch ihre Tatsache ein trübes Licht
mindestens auf deren Vollzug warf; eines aber wurde
ganz klar, die Steuerbehörden haben infolge des Vollzugs,
der nach den ihnen erteilten Vorschriften und Belehrungen
erfolgte, an Achtung im Volk verloren.
Mit großem Geschick wurde eine Reihe von Fragen,
die den Steuerzahler interessieren, in der Steuerdebatte gar
nicht erörtert oder nur gestreift. Der Finanzminister hat
z. B. keine Erklärung darüber abgegeben, wie vielen Be-
rufungen von den lSOZHy des Jahres l9(2 stattgegeben
wurde (außer den 2000 noch unerledigten), er hat nicht
gesagt, welche Summen zu Unrecht erhobener Steuern und
Umlagen zurückbezahlt werden mußten und wie groß der
Zinsgewinn aus diesem „unrechten Gut" war. Das würden
überraschend große Zahlen sein, deshalb schweigt man.
Bei der Reichssteuergesetzgebung hat man eingesehen,
daß es nicht angeht, zu Unrecht erhobene Steuerbeträge
bis nach Erledigung der Berufung monatelang zurückzu-
behalten und sie dann ohne Zinsen wieder zu erstatten, es
werden künftig H °/g Zinsen vergütet. Alle deutschen Staaten
werden diesem Beispiel folgen müssen. Wenn ein Bürger
eine richtige Steuererklärung abgab, hat er seine Pflicht
voll getan und trägt keinerlei Verschulden; die Steuer-
 
Annotationen