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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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Redaktioneller Teil
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Volkmann, A.: Nochmals die Juryfreiheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.53853#0359

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XIII, Heft 26.

Die Werkstatt der Runst.

3§7

Redaktioneller Teil.

Nockrnsls clie Aurytreikeit

Wir erhalten folgende Zuschrift:
Sehr geehrte Redaktion!
Zu den Ausführungen des Herrn Baer in Heft 2 t
der „Werkstatt der Kunst", die sich in sympathischer weise
mit meinem Briefe beschäftigen, gestalten Sie wohl noch
einige Worte. Die von ihm erhobenen Einwände, die in
richtig gefühltem Gegensatz zu meinen damaligen Aus-
führungen den Standpunkt der Praxis betonen, sind, wenn
auch nicht als solche, so doch an und für sich zum großen
Teil zutreffend und ich bin mir ihrer und ähnlicher selbst
stets bewußt gewesen.
Der alte Unterschied von Theorie und Praxis! Doch
hielt ich es sür durchaus angebracht, den idealen Stand-
punkt in dieser scheinbar mehr praktischen Frage zu be-
tonen. Handelt es sich im Grunde doch nicht um die Jury,
sondern um die Kunst selbst, die als eine durchaus ideale
Angelegenheit auch eine Betrachtung und Behandlung von
idealen Gesichtspunkten aus erfordert.
Deshalb, weil eben ein Gegenstand von solch über-
ragender Idealität wie die Kunst im Hintergründe steht,
ist der idealste Standpunkt hier auch der praktischste, weil
sachlichste. Alle anderen „praktischen" Linzelfragen müssen
dahinter zurückstehen, sonst nährt man eine Sache auf
Kosten der anderen und aus untergeordneten Einzelheiten
werden zuletzt Schmarotzer, welche die Herrin Kunst auf-
freffen.
Kommen doch einer geistigen Angelegenheit gegenüber
praktische Maßregeln, mögen sie heißen wie sie wollen,
nur so lange in Betracht, als es sich um die Erhaltung,
Förderung, Nutzbarmachung der in ihrem Dienste geschaffenen
Kullurwerte handeln kann. Doch dürfen die Methoden
nicht Selbstzweck werden.
So bin ich also auch bezüglich der Kunstproduktion
mit Herrn Baer einer Ansicht, daß alle Maßnahmen gut-
geheißen werden müssen, die geeignet sind, eine vorbildliche
Entwicklung und Betätigung auf diesem Gebiete zu er-
möglichen. Dazu gehörte in erster Linie, die Spreu von
dem Weizen zu sondern und diesem womöglich einen guten
Saatboden zu schaffen.
Die Art solcher Maßnahmen ist aber eben das große
Problem, und ich halte die heutige Form der Jury nicht
für eine seiner Lösungen, sondern irr vielen Fällen geradezu
für positiv schädlich, wild wachsen lassen ist im Leben
wie in der Kunst gewiß keine gute Verwaltungsmethode,
bei einer veralteten beharren, ist jedoch weit schädlicher, da
dann die schon bestehenden Uebel um eins vermehrt werden.
Aus dieser Erwägung heraus trat und trete ich noch
auch in der Praxis für Abschaffung der Jurys in
ihrer heutigen Form ein, womit ich aber die Möglich-
keit neuer Lösungen der mit der Kunstbetätigung ver-
bundenen wirtschaftlichen Fragen nicht in Abrede stellen
will. Nur bezweifle ich stark, ob gerade Künstler imstande
sind, derartige verwaltungstechnische Fragen klar zu lösen,
oder ob sie nicht besser tun, dies Fachleuten zu überlassen.
^Diese Fachleute wären je nach der wirtschaftlichen
Frage wieder verschiedene, nämlich vom Verwaltungs-
beamten an bis zum Ingenieur. Damit meine ich, daß
viele Schwierigkeiten aus zu kleinen Ausstellungsbauten
entstehen, deren Art und Größe wieder auf der Finanz-
frage beruht. So ginge die Platzfrage in vielen Fällen
nicht nur den mit dem Vergrößerungsbau beauftragten
Ingenieur an, sondern da sie im Grunde eine Geldfrage
ist, vornehmlich den Bankier, der wieder ein Mäzen sein
müßte. Die meisten der im Besitz von Ausstellungslokalen
befindlichen Künstlergruxxen kommen mir in diesem Falle
aber vor wie eine Lhinesenfamilie von begrenzter Kopf-
zahl, die ihr Haus gerade füllt und übereinkommt, ferneren
Nachwuchs nach Möglichkeit zu vernichten. Nein, eine

gesunde Lebenspolitik sagt nicht „vernichten" oder „Fern'
halten", sondern „wachsenlaffen" und „neuen Platz schaffen".
Sonst lautet ja das Iuryprinzip: „wir müssen, je nach
Maßgabe des übriggebliebenen Platzes, das und das «Quan-
tum eingesandter Werke für schlecht befinden," was gewiß
kein Anhänger der Jury wird sagen wollen.
Die Forderung resp. Beibehaltung der Jury als Schutz-
maßregel für die Kunst ist im Grunde schon ein Denk-
fehler, da sie ein Ablenken von der Hauptsache bedeutet.
Jury denkt in erster Linie an Ausstellung, Ausstellung ist
aber durchaus nicht die logische Folge einer gesunden
Kunstxroduktion, sondern eine Nebenerscheinung. Jury
schützt somit weniger „die Kunst", als renommierte, ton-
angebende Kunstfirmen, und zwar vor „schlechter Kon-
kurrenz".
Also der Schutz einer Art von Kunsthandel, der, im
Gegensatz zum anderen, von Künstlern betrieben wird.
Nun wird sich für seine Person heutzutage kein
Künstler den wirtschaftlichen Fragen entziehen können, wo-
durch er oft für seine Tätigkeit einen empfindlichen Zeit-
verlust erleidet, warum soll er da noch, wie unsere Jury-
künstler, für andere tätig sein und seine eigentliche Herrin,
die Kunst, vernachlässigen? „Niemand kann zween Herrn
dienen".
Lin Künstler ist eben ein Mensch, der in Kunst lebt,
webt und aufgeht. Ist er aber das, so wird er weder ver-
walten, regieren noch jurieren wollen. Er hat einfach
keine Zeit dazu.
Ich habe hier den idealen Typ des Künstlers im
Auge, den Vollblutkünstler. Er zieht sich jedenfalls, wie
die größten Künstlernamen der Vergangenheit beweisen,
von irgendwie gearteter oder benannter Richter- und Ver-
waltungstätigkeit zurück. Da aber, wenn überhaupt ein
Künstler am besten Kunst beurteilen kann, logischerweise
diese Fähigkeit mit der Potenz des Künstlers steigen muß,
so sollte das Ausbleiben der Bedeutendsten der Jury viel
von ihrem Nimbus nehmen.
Den behält sie aber in den Augen der Mehrheit des
Publikums trotzdem, und gerade darin liegt das Begriffs-
verwirrende dieser Einrichtung. Man sieht in ihnen eben
allgemeine Kunstgerichtshöfe, deren Sitze mit den ersten
Künstlern ihrer Zeit besetzt seien.
weder aber ist das der Fall, noch sind die Inhaber
dieser Sitze, da sie trotz allem Künstler bleiben, erstklassige
Richter auf Grund irgendeiner anderen Eigenschaft, da
dies ja von ihrem Künstlertum abhängen soll, noch erst-
klassige Verwaltungsbeamte. Ein idealer Juror müßte
eben gar zuviel sein.
Also deshalb als kleineres Uebel juryfrei. Oder reine
Verwaltungskörperschaften, bloße Platzverteilungskommis-
sionen.
Aber keine anmaßungsvollen Kunstgerichtshöfe, die
unter posaunenschall Urteilssxrüche verkünden, deren „Gut"
oder „Schlecht" vor dem höheren Forum der Geschichte
gleich fragwürdig sind.
Noch einmal zur Praxis. Herrn Baers Ansicht, daß
sich die Jurys im Laufe der Zeit verbessert hätten, teile
ich nicht. Die von ihm angeführte Maßnahme der „Jury-
freien" interessiert mich. Vielleicht stellt sie sich für die
Zukunft als bessere Lösung des „notwendigen Nebels"
heraus.
Man tue, was man kann, und zwar in Bescheidenheit.
Vor allem glaube man nicht, Kunstgeschichte machen zu
können. Das kann selbst der Kunsthistoriker und Museums-
leiter nicht. Das tut einzig und allein im seligen Zustande
weltentrückten Schaffens das künstlerisch tätige Individuum.
Darin gleicht er den Müttern der Linzeimenschen, die da-
mit Mütter der Völker werden. Volbmann.
 
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