Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0094
DOI issue:
Heft 8
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Schütze, Friedrich: Die Bedeutung Ferdinand Hodlers und Jaques-Dalcrozes für das deutsche Volk und seine Kunst
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86 Die Werkstatt der Kunst.XIV, Heft 8.
Redaktioneller Teil.
Vie kedeulung Ferdinand Hodlers und
und leine
von Friedrich s
Man spricht von diesem Kriege als einer Notwen-
digkeit, einem Neinigungsfeuer, das wahre vom Un-
echten zu scheiden. Neben dem politischen ruft er
Erscheinungen und Kragen hervor, zu denen Stellung
zu nehmen, sittliche Forderung ist. Oarf man die
Handlungsweise zweier in engem Verhältnis zu
deutscher Kunst und Kultur stehenden Künstler, die
in deutschen Sanden ebensoviel Anerkennung als För-
derung genossen und dennoch das deutsche Volk un-
begreiflicherweise aufs schwerste beleidigt haben, ent-
schuldigen, wie es Klinger bei Hodler versucht hat?
Kann man Künstlertemperament, kindliche Lebens-
fremdheit für sie geltend machen? weit wichtiger
als diese erscheint mir die Krage: was haben
diese Katastrophen, was haben ihre Urheber
dem deutschen Volk zu sagen, worin liegt
ihr geistiger Nutzeffekt für deutsches Leben,
deutsche Kunst und Kultur? Eine Prüfung der
Bedeutung des Malers Ferdinand Hodler und des
Philosophen, Musikers und Kunstpädagogen Zaques-
Dalcroze in dieser Hinsicht legt die Erkenntnis nahe,
daß diese Vorkommnisse sich wohl zu keiner günsti-
geren Zeit hätten ereignen können, um auf einem
wichtigen Gebiet Klarheit zu schaffen, handelt es
sich doch hier um einen Teil der werte, um welche
in diesem furchtbaren Kriege, neben dem Kampf
um die nackte Existenz, gefochten wird, um einen Teil
der werte, um deren Kampf der wahre Künstler im
Bewußtsein ihrer Größe sein ganzes Leben weiht.
Es erscheint mir aber als Pflicht gerade dem Vater-
land gegenüber, in Zeiten patriotischer Überhitzung
einzelner die nötige Klarheit und Ruhe zu bewahren,
ungerechten Urteilen und Anfeindungen entgegen-
zutreten.
Kein Gebiet verlangt so sehr nach internationaler
Anregung als das der Kunst, denn sie ist eine verständ-
liche Sprache unter den Völkern wie keine andere,
vielleicht ist die Annahme richtig, wir hätten ohne
unsere Schwäche für die Auslandskunst keinen Kall
Hodler und keinen Kall Zagues-Oalcroze. Jedenfalls
hätten für diese Anschwemmungen minderwertiger
ausländischer Kunst nicht Unsummen verschwendet
werden dürfen, die unfern eigenen Künstlern
hätten zugute kommen müssen, wenn es aber den maß-
gebenden Kreisen in Jena und Hannover gelang,
Hodler für die Lösung der von ihnen gestellten monu-
mentalen Aufgaben zu gewinnen, wenn es dem leider
zu früh verstorbenen, um Deutschlands Kultur so hoch-
verdienten Wolf Dohrn geglückt ist, Zagues-Oalcroze
v Ohne uns mit dem Inhalt des vorliegenden Aufsatzes
durchweg einverstanden zu erklären geben wir den Aus-
führungen des geschätzten Malers und Mitgliedes der
A. D. U. G. gern Raum. Die Red. d. w. d. R.
Jaques-Valerozes kür das deutscke Volk
Runfl.*)
ch ütze-Düsseldorf.
für die Erziehungsanstalt in Hellerau, einer ersten Kunst-
und Kulturschule der Welt, zu erwärmen, so kann das
Deutschland nur zur Ehre gereichen; denn
nicht dem Intellekte Deutschlands, wie irrtümlich be-
hauptet wurde, verdanken diese Männer ihre Größe,
sondern diese verdanken sie einzig und allein sich selbst.
Merkwürdig ist, wie sehr sich Ferdinand Hodler
der Maler und Zagues-Oalcroze der Musiker trotz
ihrer verschiedenen Betätigungsgebiete in einem
wesentlichen Punkte berühren, war es dem Genius
des letzteren vorbehalten, den göttlichen Rhgthmus
im Menschen, das fundamentale Geheimnis
jeder großen Kunst, wieder zu entdecken und
vor den erstaunten Blicken zum lebenden Kunstwerk
werden zu lassen, unmittelbar an die alten Zeiten
Griechenlands anknüpfend, so gibt es neben jenem
wohl kaum einen Maler neuerer Zeit, der seine monu-
mentalen Dichtungen durch eine größere Mei-
sterschaft des Rhgthmus an die Architektur ge-
bunden hätte.
Hodler, von den Schweizern für sich in Anspruch
genommen, wurde von uns gern als ein südlichster
Deutscher angesehen, Italien die Hand reichend. Zn
der Tat zeigen seine Werke, auf Grünewald, Holbein
einerseits, auf Lignorelli, Mantegna usw. anderer-
seits wurzelnd, kraftvoll deutsches Empfinden, und
werden von den Kranzosen immer als Zremdes „Bar-
barisches" gewertet werden. Lind auch seine besten
Werke nicht frei von Unvollkommenheiten, so geht es
doch nicht an, sie jetzt als undeutsch hinstellen und
ihnen ihren Platz in der Entwicklungsgeschichte der
deutschen Malerei streitig machen zu wollen. Leine
stolze, herbe, keusche, männliche, persönliche Kunst,
fern von allem weichlichen, schmeichelhaften Wesen,
kommt allerdings nicht zu uns herab, wir müssen es
mutig wagen, zu ihr hinaufzusteigen, wir finden
daselbst Innerlichkeit, Religiosität und gesunde
Mgstik. wie wohltuend gerade in dieser Zeit des
Kampfes die Betrachtung der wuchtigen Gestalten
seiner Lchlachtenfresken. Man möchte sich mit diesen
Giganten erheben, alle Schmach und Knechtschaft ab-
zuschütteln,
Hodler, als einer der Höhepunkte neuer deutscher
Kunst betrachtet, gibt allerdings den nicht erfreulichen
Beweis vom traurigen Tiefstand unserer Kunst, der
selbst der Glaube an die Möglichkeit ihrer Befähigung
geschwunden scheint, den Menschen aus den Tiefen
des Daseins erheben zu können, was doch als ihre
vornehmste Aufgabe gelten und gerade in diesen
Zeiten neben dem wunderbaren nationalen Auf-
schwung als besonders schwer empfunden werden muß.
Und doch ist Hodler mit seinen besten Werken, als
Vorstufe betrachtet, einer der wenigen neueren Künst-
Redaktioneller Teil.
Vie kedeulung Ferdinand Hodlers und
und leine
von Friedrich s
Man spricht von diesem Kriege als einer Notwen-
digkeit, einem Neinigungsfeuer, das wahre vom Un-
echten zu scheiden. Neben dem politischen ruft er
Erscheinungen und Kragen hervor, zu denen Stellung
zu nehmen, sittliche Forderung ist. Oarf man die
Handlungsweise zweier in engem Verhältnis zu
deutscher Kunst und Kultur stehenden Künstler, die
in deutschen Sanden ebensoviel Anerkennung als För-
derung genossen und dennoch das deutsche Volk un-
begreiflicherweise aufs schwerste beleidigt haben, ent-
schuldigen, wie es Klinger bei Hodler versucht hat?
Kann man Künstlertemperament, kindliche Lebens-
fremdheit für sie geltend machen? weit wichtiger
als diese erscheint mir die Krage: was haben
diese Katastrophen, was haben ihre Urheber
dem deutschen Volk zu sagen, worin liegt
ihr geistiger Nutzeffekt für deutsches Leben,
deutsche Kunst und Kultur? Eine Prüfung der
Bedeutung des Malers Ferdinand Hodler und des
Philosophen, Musikers und Kunstpädagogen Zaques-
Dalcroze in dieser Hinsicht legt die Erkenntnis nahe,
daß diese Vorkommnisse sich wohl zu keiner günsti-
geren Zeit hätten ereignen können, um auf einem
wichtigen Gebiet Klarheit zu schaffen, handelt es
sich doch hier um einen Teil der werte, um welche
in diesem furchtbaren Kriege, neben dem Kampf
um die nackte Existenz, gefochten wird, um einen Teil
der werte, um deren Kampf der wahre Künstler im
Bewußtsein ihrer Größe sein ganzes Leben weiht.
Es erscheint mir aber als Pflicht gerade dem Vater-
land gegenüber, in Zeiten patriotischer Überhitzung
einzelner die nötige Klarheit und Ruhe zu bewahren,
ungerechten Urteilen und Anfeindungen entgegen-
zutreten.
Kein Gebiet verlangt so sehr nach internationaler
Anregung als das der Kunst, denn sie ist eine verständ-
liche Sprache unter den Völkern wie keine andere,
vielleicht ist die Annahme richtig, wir hätten ohne
unsere Schwäche für die Auslandskunst keinen Kall
Hodler und keinen Kall Zagues-Oalcroze. Jedenfalls
hätten für diese Anschwemmungen minderwertiger
ausländischer Kunst nicht Unsummen verschwendet
werden dürfen, die unfern eigenen Künstlern
hätten zugute kommen müssen, wenn es aber den maß-
gebenden Kreisen in Jena und Hannover gelang,
Hodler für die Lösung der von ihnen gestellten monu-
mentalen Aufgaben zu gewinnen, wenn es dem leider
zu früh verstorbenen, um Deutschlands Kultur so hoch-
verdienten Wolf Dohrn geglückt ist, Zagues-Oalcroze
v Ohne uns mit dem Inhalt des vorliegenden Aufsatzes
durchweg einverstanden zu erklären geben wir den Aus-
führungen des geschätzten Malers und Mitgliedes der
A. D. U. G. gern Raum. Die Red. d. w. d. R.
Jaques-Valerozes kür das deutscke Volk
Runfl.*)
ch ütze-Düsseldorf.
für die Erziehungsanstalt in Hellerau, einer ersten Kunst-
und Kulturschule der Welt, zu erwärmen, so kann das
Deutschland nur zur Ehre gereichen; denn
nicht dem Intellekte Deutschlands, wie irrtümlich be-
hauptet wurde, verdanken diese Männer ihre Größe,
sondern diese verdanken sie einzig und allein sich selbst.
Merkwürdig ist, wie sehr sich Ferdinand Hodler
der Maler und Zagues-Oalcroze der Musiker trotz
ihrer verschiedenen Betätigungsgebiete in einem
wesentlichen Punkte berühren, war es dem Genius
des letzteren vorbehalten, den göttlichen Rhgthmus
im Menschen, das fundamentale Geheimnis
jeder großen Kunst, wieder zu entdecken und
vor den erstaunten Blicken zum lebenden Kunstwerk
werden zu lassen, unmittelbar an die alten Zeiten
Griechenlands anknüpfend, so gibt es neben jenem
wohl kaum einen Maler neuerer Zeit, der seine monu-
mentalen Dichtungen durch eine größere Mei-
sterschaft des Rhgthmus an die Architektur ge-
bunden hätte.
Hodler, von den Schweizern für sich in Anspruch
genommen, wurde von uns gern als ein südlichster
Deutscher angesehen, Italien die Hand reichend. Zn
der Tat zeigen seine Werke, auf Grünewald, Holbein
einerseits, auf Lignorelli, Mantegna usw. anderer-
seits wurzelnd, kraftvoll deutsches Empfinden, und
werden von den Kranzosen immer als Zremdes „Bar-
barisches" gewertet werden. Lind auch seine besten
Werke nicht frei von Unvollkommenheiten, so geht es
doch nicht an, sie jetzt als undeutsch hinstellen und
ihnen ihren Platz in der Entwicklungsgeschichte der
deutschen Malerei streitig machen zu wollen. Leine
stolze, herbe, keusche, männliche, persönliche Kunst,
fern von allem weichlichen, schmeichelhaften Wesen,
kommt allerdings nicht zu uns herab, wir müssen es
mutig wagen, zu ihr hinaufzusteigen, wir finden
daselbst Innerlichkeit, Religiosität und gesunde
Mgstik. wie wohltuend gerade in dieser Zeit des
Kampfes die Betrachtung der wuchtigen Gestalten
seiner Lchlachtenfresken. Man möchte sich mit diesen
Giganten erheben, alle Schmach und Knechtschaft ab-
zuschütteln,
Hodler, als einer der Höhepunkte neuer deutscher
Kunst betrachtet, gibt allerdings den nicht erfreulichen
Beweis vom traurigen Tiefstand unserer Kunst, der
selbst der Glaube an die Möglichkeit ihrer Befähigung
geschwunden scheint, den Menschen aus den Tiefen
des Daseins erheben zu können, was doch als ihre
vornehmste Aufgabe gelten und gerade in diesen
Zeiten neben dem wunderbaren nationalen Auf-
schwung als besonders schwer empfunden werden muß.
Und doch ist Hodler mit seinen besten Werken, als
Vorstufe betrachtet, einer der wenigen neueren Künst-