H60 Die Werkstatt der Kunst.XIV, Heft 38.
es fehlt die ruhige Meisterlichkeit. Darum herrscht
auch in den Kreisen dieser Künstler eine Kunstpolitik,
die zwischen Kompromiß und revolutionären Kund-
gebungen schwankt, und in die das kleinlich persän-
liche oft in der ärgerlichsten weise hineinspielt.
Bedeutende Künstler der Sezessionen haben sich mit
sich selbst in Widerspruch gesetzt und von den Aka-
demienTitel und würden angenommen; reformierenden
Einfluß aber haben sie trotzdem in den Akademien
nicht gewinnen können. Ls gibt unter den Künst-
lern der Sezessionen einige, die die Kunst unserer
Zeit aufs lebendigste repräsentieren; aber selbst sie,
deren Namen wir stolz und dankbar aussprechen,
haben die reife Kraft der alten Weister nicht er-
reicht, eben weil sie nicht die ganze Nation unsicht-
bar hinter sich haben, weil ihre Autorität unter den
bestehenden Verhältnissen nicht unbedingt sein kann.
Auch für sie wäre es eine Erlösung, wenn die Kunst,
wenn die Akademie endgültig vom Staat getrennt
würde, wenn alle Kräfte frei spielen könnten.
Es bleibt abzuwarten, ob das deutsche Volk da-
mit zufrieden ist, auch nach dem Krieg wieder, dem
alten Kunstkampf zuzusehen. Wan verstehe diese Aus-
führungen recht. Ls ist besser, der alte Zustand bleibt,
besser sogar, die Gegensätze verschärfen sich, als wenn
den Akademien noch mehr Einfluß eingeräumt wird.
Zn der ersten Erschlaffung nach dem Frieden wird
die Akademie wahrscheinlich den Anspruch erheben,
die einzig legitime Vertreterin der nationalen Kunst
zu sein. Schon jetzt ist darum zu betonen, daß die
Sezessionen diesen Anspruch mit weit mehr Recht
erheben können. Die Akademien müßten erst ihrer
staatlichen Autorität entkleidet sein, bevor sie nur
in den Wettbewerb ernsthaft eintreten können. Das
einzusehen ist die Vorbedingung jeder nationalen
Kunstpflege größten Stils. Der Staat würde da-
durch, daß er die Akademien aus seiner Einfluß-
sphäre entläßt, schwerer Sorgen und hoher Kosten
ledig werden. Und er würde die Kunst befreien.
Wit tiefem Grund spricht man von altersher von
den freien Künsten; Freiheit im Künstlerischen
aber heißt die. lebendigen geistigen Kräfte frei
ringen und sich befruchten lassen und die Ernte
dann großen Sinnes nutzen. Der Staat hat, wie
der einzelne Bürger, der Kunst gegenüber keine
andere Pflicht, als sie zu lieben — und sie sich
selbst zu überlassen, wo er nicht lieben kann. Alles
andere ergibt sich dann von selbst.
Heute wie damals und in Deutschland wie
in allen Ländern behält der Waler Gustav
Lourbet mit seinem stolzen Brief recht, den er an
den winister der Schönen Künste waurice Richard
richtete. Zn diesem Schreiben verweigerte er die
Annahme des Ordens der Ehrenlegion und sagte
darin, wie im Namen aller wahren Künstler, diese
unbedingten Worte: „Der Staat ist in Kunstfragen
nicht kompetent, wenn er sich anmaßt, zu belohnen,
so begeht er einen Eingriff in das öffentliche Urteil.
Seine Einmischung wirkt durchaus demoralisierend
und verhängnisvoll für den Künstler, den sie über
seinen eignen wert täuscht, verhängnisvoll für die
Kunst, die sie in offizielle Wohlanständigkeit ein-
zwängt und zu unfruchtbarster Wittelmäßigkeit ver-
dammt. Das weiseste für ihn wäre, sich davon
zurückzuhalten. An dem Tag, an welchem er uns
freiläßt, wird er seine Pflicht gegen uns erfüllt haben".
bnglrmä «nä äie Kunst,
von vr. Hans Wedendorf.
Das Verhältnis Englands zur Kunst ist, solange sich
denken läßt, stets das gleiche gewesen. Das Land hat
sich immer ähnlich benommen wie ein reicher Kaufherr,
der die Künste in seinem Heime pflegt, die Künstler
darin gut und reichlich speist, aber sie doch mit einer
gewissen Verachtung als nutzlose Vergeudung und Ver-
geuder von Zeit betrachtet und selber nichts darin
leistet, nicht einmal etwas davon versteht. Ze nach-
dem er Glück hat, findet er auch einmal eine perle,
da ja nicht notwendig jeder Künstler, der einen Mäzen
ohne Geschmack hat, auch schlecht sein muß.
Tatsache jedenfalls ist, daß England niemals einen
bildenden Künstler von bleibendem wert hervorge-
bracht hat, wohl aber stets Künstler aller Völker heran-
zog, die gerade als die bedeutendsten galten und unter
denen sich dann auch ein oder das andere Mal wirkliche
Meister fanden.
Es soll hier keine kunstgeschichtlich erschöpfende
Übersicht gegeben werden, nur ein paar Beispiele.
Unser größter deutscher Maler aller Zeiten, Holbein,
hat in England reichen Lohn geerntet und dort seine
schönsten Zeichnungen und Bilder hinterlassen, von
den Italienern, die nach England geholt wurden, sei
Zucchero genannt, von den Holländern van Dijk.
von velasquez, von Tizian, von Botticelli, von
Rembrandt und Rubens, um nur einige herauszu-
greifen, finden sich in englischem öffentlichen und
Privatbesitz die hervorragendsten Stücke.
England hat die Künstler, die es rief, wohl durch-
weg als Porträtisten beschäftigt, gibt es doch in London
eine eigne Porträtgalerie, die drei Stockwerke eines
Museums füllt und fast ausnahmslos langweilige,
mittelmäßige Bilder aufweist.
vielleicht täte man Unrecht, die Engländer als ein
eitles Volk zu bezeichnen, jedenfalls sind sie aber ein
ungeheuer anmaßendes, selbstüberzeugtes Volk, und
das kommt in dem sonst sehr lobenswerten Streben,
die Bildniskunst zu fördern, am stärksten zum üusdruck.
Ein jeder wollte sein Konterfei der Nachwelt über-
liefern, nicht aus Zreude am Kunstwerk, sondern aus
Gefallen daran, daß er recht prunkvoll und stattlich
hingestellt wird.
Daher schreibt sich auch der unvergleichliche Erfolg
van Dijks her. Er war der geborene Hofmaler. Seine
es fehlt die ruhige Meisterlichkeit. Darum herrscht
auch in den Kreisen dieser Künstler eine Kunstpolitik,
die zwischen Kompromiß und revolutionären Kund-
gebungen schwankt, und in die das kleinlich persän-
liche oft in der ärgerlichsten weise hineinspielt.
Bedeutende Künstler der Sezessionen haben sich mit
sich selbst in Widerspruch gesetzt und von den Aka-
demienTitel und würden angenommen; reformierenden
Einfluß aber haben sie trotzdem in den Akademien
nicht gewinnen können. Ls gibt unter den Künst-
lern der Sezessionen einige, die die Kunst unserer
Zeit aufs lebendigste repräsentieren; aber selbst sie,
deren Namen wir stolz und dankbar aussprechen,
haben die reife Kraft der alten Weister nicht er-
reicht, eben weil sie nicht die ganze Nation unsicht-
bar hinter sich haben, weil ihre Autorität unter den
bestehenden Verhältnissen nicht unbedingt sein kann.
Auch für sie wäre es eine Erlösung, wenn die Kunst,
wenn die Akademie endgültig vom Staat getrennt
würde, wenn alle Kräfte frei spielen könnten.
Es bleibt abzuwarten, ob das deutsche Volk da-
mit zufrieden ist, auch nach dem Krieg wieder, dem
alten Kunstkampf zuzusehen. Wan verstehe diese Aus-
führungen recht. Ls ist besser, der alte Zustand bleibt,
besser sogar, die Gegensätze verschärfen sich, als wenn
den Akademien noch mehr Einfluß eingeräumt wird.
Zn der ersten Erschlaffung nach dem Frieden wird
die Akademie wahrscheinlich den Anspruch erheben,
die einzig legitime Vertreterin der nationalen Kunst
zu sein. Schon jetzt ist darum zu betonen, daß die
Sezessionen diesen Anspruch mit weit mehr Recht
erheben können. Die Akademien müßten erst ihrer
staatlichen Autorität entkleidet sein, bevor sie nur
in den Wettbewerb ernsthaft eintreten können. Das
einzusehen ist die Vorbedingung jeder nationalen
Kunstpflege größten Stils. Der Staat würde da-
durch, daß er die Akademien aus seiner Einfluß-
sphäre entläßt, schwerer Sorgen und hoher Kosten
ledig werden. Und er würde die Kunst befreien.
Wit tiefem Grund spricht man von altersher von
den freien Künsten; Freiheit im Künstlerischen
aber heißt die. lebendigen geistigen Kräfte frei
ringen und sich befruchten lassen und die Ernte
dann großen Sinnes nutzen. Der Staat hat, wie
der einzelne Bürger, der Kunst gegenüber keine
andere Pflicht, als sie zu lieben — und sie sich
selbst zu überlassen, wo er nicht lieben kann. Alles
andere ergibt sich dann von selbst.
Heute wie damals und in Deutschland wie
in allen Ländern behält der Waler Gustav
Lourbet mit seinem stolzen Brief recht, den er an
den winister der Schönen Künste waurice Richard
richtete. Zn diesem Schreiben verweigerte er die
Annahme des Ordens der Ehrenlegion und sagte
darin, wie im Namen aller wahren Künstler, diese
unbedingten Worte: „Der Staat ist in Kunstfragen
nicht kompetent, wenn er sich anmaßt, zu belohnen,
so begeht er einen Eingriff in das öffentliche Urteil.
Seine Einmischung wirkt durchaus demoralisierend
und verhängnisvoll für den Künstler, den sie über
seinen eignen wert täuscht, verhängnisvoll für die
Kunst, die sie in offizielle Wohlanständigkeit ein-
zwängt und zu unfruchtbarster Wittelmäßigkeit ver-
dammt. Das weiseste für ihn wäre, sich davon
zurückzuhalten. An dem Tag, an welchem er uns
freiläßt, wird er seine Pflicht gegen uns erfüllt haben".
bnglrmä «nä äie Kunst,
von vr. Hans Wedendorf.
Das Verhältnis Englands zur Kunst ist, solange sich
denken läßt, stets das gleiche gewesen. Das Land hat
sich immer ähnlich benommen wie ein reicher Kaufherr,
der die Künste in seinem Heime pflegt, die Künstler
darin gut und reichlich speist, aber sie doch mit einer
gewissen Verachtung als nutzlose Vergeudung und Ver-
geuder von Zeit betrachtet und selber nichts darin
leistet, nicht einmal etwas davon versteht. Ze nach-
dem er Glück hat, findet er auch einmal eine perle,
da ja nicht notwendig jeder Künstler, der einen Mäzen
ohne Geschmack hat, auch schlecht sein muß.
Tatsache jedenfalls ist, daß England niemals einen
bildenden Künstler von bleibendem wert hervorge-
bracht hat, wohl aber stets Künstler aller Völker heran-
zog, die gerade als die bedeutendsten galten und unter
denen sich dann auch ein oder das andere Mal wirkliche
Meister fanden.
Es soll hier keine kunstgeschichtlich erschöpfende
Übersicht gegeben werden, nur ein paar Beispiele.
Unser größter deutscher Maler aller Zeiten, Holbein,
hat in England reichen Lohn geerntet und dort seine
schönsten Zeichnungen und Bilder hinterlassen, von
den Italienern, die nach England geholt wurden, sei
Zucchero genannt, von den Holländern van Dijk.
von velasquez, von Tizian, von Botticelli, von
Rembrandt und Rubens, um nur einige herauszu-
greifen, finden sich in englischem öffentlichen und
Privatbesitz die hervorragendsten Stücke.
England hat die Künstler, die es rief, wohl durch-
weg als Porträtisten beschäftigt, gibt es doch in London
eine eigne Porträtgalerie, die drei Stockwerke eines
Museums füllt und fast ausnahmslos langweilige,
mittelmäßige Bilder aufweist.
vielleicht täte man Unrecht, die Engländer als ein
eitles Volk zu bezeichnen, jedenfalls sind sie aber ein
ungeheuer anmaßendes, selbstüberzeugtes Volk, und
das kommt in dem sonst sehr lobenswerten Streben,
die Bildniskunst zu fördern, am stärksten zum üusdruck.
Ein jeder wollte sein Konterfei der Nachwelt über-
liefern, nicht aus Zreude am Kunstwerk, sondern aus
Gefallen daran, daß er recht prunkvoll und stattlich
hingestellt wird.
Daher schreibt sich auch der unvergleichliche Erfolg
van Dijks her. Er war der geborene Hofmaler. Seine