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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0027
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GRUNDPLAN DER STADT PALMYRA

*9

Die Pforte neben dem östlichsten Turm, nach dem Türsturz etwa 2,85 m breit, scheint erst nachträglich, beim Bau des diocle-
tianischen Lagers, durch die Mauer gebrochen zu sein, schräg und in der Richtung von dessen Via principalis; sie dient auch
heute noch als Durchgang für einen Pfad.

Etwa 15 m nördlich von dem Grabe mit der sechssäuligen Front (Tafel 38 und S. 71 ff) biegt die Mauer energisch nach Norden
um, indem sie sich an eine Reihe von alten Grabdenkmälern anlehnt und diese in ihre Linie aufnimmt. Daß das auch noch
weiterhin bei der Nordmauer der Fall sei, ist bereits auf Grund von Woods und Waddingtons Angaben gesagt worden. Ein
Tor hat man hier noch nicht beobachtet.

Endlich haben wir noch eine Bemerkung über die Südmauer der Stadt zu machen, nämlich daß sie die Südfront der Agora,
einer Anlage aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. geschnitten und vernichtet hat; dicht daneben liegt in der Richtung der
Theaterstraße ein Tor (Tafel 9, Nr. 82).

Überblickt man den ganzen Lauf und die Eigentümlichkeiten der beschriebenen Stadtmauer, so springt ja in die Augen, daß
sie nicht sehr alt sein kann und das Stadtbild von Palmyra ursprünglich ganz anders gewesen sein muß. Wood (S. 38) hielt
die Mauer wegen der Technik für justinianisch, also für christlich, und dazu schien ihm zu stimmen, daß bei ihrem Bau keine
Rücksicht auf die religiöse Weihe der heidnischen Gräber genommen wurde, und einige davon entgegen den Anschauungen
des klassischen Altertums in die Stadt zu liegen kamen. Nach dem Verfall der großen Handelsstadt habe es sich nur um eine
kleine Grenzfeste gehandelt und diese sei mit Ausschluß der südöstlichen Teile auf das Gebiet der öffentlichen Gebäude aus der
Blütezeit beschränkt worden, jedoch mit einer Erweiterung im Norden und im Nordwesten; erst aus mohammedanischer Zeit
stammten die beiden turmlosen Mauerschenkel im Westen.

Dies Urteil ist jedoch nicht richtig. Die letztgenannte Partie ist nicht nur vorjustinianisch, sondern sogar vordiocletianisch.
Denn man hat bei dem Lager entschieden den Eindruck, daß es in diesen Stadtzipfel hineingebaut werden sei, aber nicht, daß
die Mauerlinie aus der Lagerbefestigung Vorteil gezogen habe. Auch ist das Damaszener Tor älter als Diocletian, da es mit der
schon im 2. Jahrhundert n. Chr. existierenden Säulenstraße zusammenhängt. Es braucht nun freilich nicht die fragliche Mauer-
partie mit dem Tor gleichzeitig zu sein, jedenfalls sind die Grabtürme schon in heidnischer Zeit, nicht erst in christlicher, ent-
weiht worden. Wir werden späterhin zeigen, daß der von diesen Mauern eingeschlossene Zipfel mit dem diocletianischen Lager
Reste von profanen und sakralen Bauten des 2. und sogar des 1. Jahrhunderts n. Chr. bewahrt hat.

Ferner muß man daran zweifeln, ob die Anschauung, daß innerhalb des Mauerringes keine Gräber angelegt werden durften,
für Palmyra berechtigt sei. Denn die Ruine auf dem Platze nördlich von der Damaszener Straße (s. u. S. 20) habe ich für jünger
halten müssen als die Straße, und das Grab mit der sechssäuligen Front ist es möglicherweise auch. Auch von dem Grabturm
der jüdischen Familie kann es nach Waddingtons Worten: tombeau pris dans l'enceinte meme de la ville nicht als ganz sicher
gelten, ob er in der Mauerlinie oder innerhalb des Mauerringes steht. Ist ersteres der Fall, dann stammt dieser Teil der Nord-
mauer erst aus der Zeit nach 212 n. Chr. Nur einen noch früheren terminus post quem ergibt für die Südmauer, und zwar wohl
für die ganze Strecke vom Damaszener Tor an, die Bauzeit der Agora. Der hier gefundene Zolltarif (Or. inscr. sei. II S. 324 fr.) aus
dem Jahre 136/37 n. Chr. wird beim Mauerbau verwendet gewesen und dann wieder herausgefallen sein. Das Gebiet außerhalb
der Südmauer könnte bei genauerer Durchforschung noch mehr Daten für die Beurteilung ihrer Bauzeit liefern. Hier hat nämlich
die Säule mit den beiden Ehrenstatuen des Bareicheis und seines Sohnes Mokimos vom April 139 n. Chr. (Wadd. 2587, de
Vog. 2) gestanden, als Pendant zu der gleichzeitigen Ehrensäule des Aeclameis und des Hairanes wohl auch innerhalb der
früheren Stadt und der dem Baalsamin geweihte Altar des Epimeleten der Quelle, Wadd. 2571c vom Okt. 162 n. Chr. Fassen
wir unsere Beobachtungen zusammen, so scheinen sie einstweilen für die Annahme zu sprechen, daß der ganze Mauerring bis
auf das Damaszener Tor vorjustinianisch und etwa unter Aurelian von den palmyrenischen Fürsten errichtet sei.
Infolge eines so späten Mauerbaues bleibt uns von der einstigen Stadtanlage nur das noch kenntlich, was von diesem Ringe
umschlossen wurde. Wenn wir uns der inneren Einteilung zuwenden und zunächst das Diocletianische Lager, das für sich zu
betrachten ist, beiseite lassen, so ziehen vor allen Dingen die Säulenstraßen (Tafeln 9-17 und Tafel 19,2)x) den Blick auf sich.
Die längste davon durchzieht die Stadt vom Belostempel im Osten an bis in die Gegend des Grabes mit der sechssäuligen
Front, und wenn sie auch zweimal geknickt und auf keiner Strecke genau orientiert ist, so hat sie gewiß doch der ostwestlichen
Hauptlinie regelmäßig limitierter Städte entsprochen und darf von uns als die Via decumana bezeichnet werden. Der ideale
Mittelpunkt der Stadtanlage ist in ihrem Zuge durch ein „Tetrapylon" markiert und von dem sie hier - allerdings nicht genau
in rechtem Winkel - schneidenden Cardo steht südlich vom Decumanus noch eine Säulenreihe. Eine andere kardinale, der
nordsüdlichen Hauptlinie nicht ganz parallele Säulenstraße läuft östlich von der Agora, gabelt sich an der Rückseite des
Theaters und mündet rechts und links von der Bühne in den Decumanus. Die vierte der erhaltenen Säulenstraßen endlich,
gleichfalls kardinal, beginnt am Damaszener Tor und endigt auf dem großen, nicht regulierten Platze am Westende des De-
cumanus. Bis in die Nordhälfte der Stadt sind die Säulenstraßen nirgends zu verfolgen.
Wir betrachten im einzelnen zunächst die Reste der Damaszener Straße. Es war ein 22,30 m breiter, rechts und links von Säulen

r) Hierzu die Tafeln 55-59 des Werkes: Alte Denkmale
Th. Wiegand, Berlin 1918.

Syrien, Westarabien und Palastina, herausgegeben auf Befehl von Ahmed Djemal Pascha von
 
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