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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0134
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126

DER BAALSAMIN-TEMPEL

Die Fenster, von denen das nordöstliche schlecht erhalten ist, befinden sich in der Mitte der Cella-Langwände (Abb. 158
und Tafel 65) und sitzen so hoch, daß ihr Sturz der Kapitellschicht entspricht. Ihre Öffnungen, außen 3V12 F.= 0,936 m breit
und 510/12 F. = 1,725 m hoch, innen wegen des allseitig zwei Zoll breiten Anschlages ^/2 F. = 1,035 m breit und 6V3 F. -
1,87 m hoch, sind seitlich von zwei je 11 Zoll breiten Pfosten mit einem sich am Sturze fortsetzenden Rahmenprofile mit
zwei Faszien begrenzt (Abb. 158); die Pfosten stehen innen und außen auf einer Bank, die innen ein lesbisches Kopfprofil zu
haben schien. Über dem Umrahmungsprofil am Sturze liegt noch ein korinthisches Gesims, das aus Eierstab, Konsolreihe und
mit Eierstab geschmückter Hängeplatte zu bestehen schien, und darüber ein Giebel in Neigung 112,5, dessen Sima anscheinend
eine Reihe großer Akanthusblätter trug. Die Eckakroterien waren ganz verrottet; ein Mittelakroterion hätte besonders auf-
gesetzt sein müssen. Die Leibungen haben hinter dem Anschlag Löcher für einen Rahmen und davor kleinere Löcher für
ein Gitter.

Daß die Cella des kleinen Tempels durch zwei so große Fenster beleuchtet war, ist auffällig; es würde erklärlich sein, wenn im
Hintergrunde der Cella, wie es der Regel bei syrischen Tempeln entspricht, ein Adyton mit tiefer Nische gestanden hätte, das
besonders erhellt werden sollte. Vom Einbau eines Adytons ist nun zwar an den Wänden und dem Fußboden keine Spur mehr
wahrzunehmen; das würde aber kein entscheidender Grund gegen die Annahme eines Allerheiligsten sein. Nun wurden
in den mittelalterlichen Bauten an der Ostecke des Tempels einige kleine, in besonderem Steine sehr zierlich und fein ge-
arbeitete Architekturstücke vermauert entdeckt, die sehr wohl zu einem ohne Verband an die Wände gesetzten Adyton gehören
können (Abb. 157). Sie würden eine Front mit großer, von Bündelsäulen eingefaßter Mittelöffnung und je einer seitlichen
Blendtür oder Nische ergeben, wohinter kleine, vom Mittelraume aus zugängliche Seitenräume gelegen hätten (Taf. 67). Da-
von haben wir folgende Stücke gefunden:

1. Die nicht im ganzen Umfange erhaltene Basis einer dreifachen Bündelsäule, woran ein Türpfosten sitzt; sie steht auf einer
Bank mit lesbischem Kyma (Abb. 159).

2. Ein kannelierter Schaft dazu, an seinem unteren Ende ebenfalls mit anhaftendem Zweifaszien-Türpfosten.

3. Teile von zwei Blendtüren und darüber sitzenden Ädiculen. Die Türen standen, wie die Ansätze zeigen, in einer flach ge-
rundeten Nische; ihr Rahmen hatte nur eine Faszie mit kräftiger Simabekrönung, aber diese trug in vertieftem und von Astra-
galen umrahmten Felde in einem Falle eine Kette oder Girlande von Eichenlaub, im anderen von Efeu, und die Sima hatte
einmal eine Reihe von Akanthusblättern, zwischen denen spitze, nur gerippte Blätter sichtbar werden, das andere Mal über
einer gedrehten Schnur Palmetten- und Akanthusblätter; am Sturz sitzt in der Mitte des Feldes eine Rosette. Auch die ganze
Leibung einschließlich des Sturzes hatte ein verziertes Feld, das, von lesbischem Kyma umrahmt, eine Kette von Pflanzen mit
kleinen Rosetten enthält. Als oberer Abschluß diente ein Sturz mit doppeltem Kyma. Die Aediculen über dieser Blendtür
standen auf einer Bank, wurden von Pfeilern mit Halbsäulen davor gebildet, woran Wandpilaster stießen, und enthielten eine
Konche. Vom korinthischen Kapitell ist nur der Ansatz vorhanden und der Aediculagiebel fehlt ganz. Die Konche war von
Pflastern eingefaßt, deren Feld in flachem Relief einen Doppelthyrsos (?) zeigten und deren Hals mit Rosetten verziert war.
Das Kapitell der Pflaster wie der Wand bildete ein Simaprofil. Die Archivolte war über einem Laubstrange mit kleiner Sima
versehen.

Die Beschreibung dieser Bauglieder lehrt, daß sie in älteren Formen gearbeitet sind, die etwa denen des großen Hauptheilig-
tumes von Palmyra entsprechen; während der Baalsamin-Tempel sonst den Eindruck eines ganz einheitlichen Baues macht.
Daß er indes an die Stelle eines älteren Bauwerks getreten sei, kann man aus dem Umstände schließen, daß I. Euting im Jahre
1883 unweit des Tempels, wie er nachträglich angibt, etwa 20 Schritte vor der Front eine Inschrift aus zwei langen Zeilen ko-
piert hat, wonach dem Baalsamin im September des Jahres 77 n. Chr. „diese fünf Säulen und ihre Bedachung dargebracht"
wurden, und zwar von einem Mitglied der Familie Mäzijan, die auch in einer Inschrift unseres Baalsamin-Tempels (Sobern-
heim Nr. 14) genannt wird. Die Inschrift hat wohl auf einem Epistyl gestanden. Leider wird über dessen Gestalt nichts mit-
geteilt, und es läßt sich auch nicht ermitteln, in welcher Beziehung diese Baalsamin-Stiftung zu dem frühestens im Jahre 131
n. Chr. errichteten Tempel steht.
 
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