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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0159
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XVI. DIE KUNSTGESCHICHTLICHE
STELLUNG DER PALMYRENIS CHEN ARCHITEKTUR

Die nachfolgenden Bemerkungen über die kunstgesclüchtliche Stellung der palmyrenischen Architektur, die ich auf An-
regung von D. Krencker und Th. Wiegand beisteuere, sind ohne persönliche Fühlungnahme mit der Denkmälerwelt
Palmyras lediglich auf Grund der mir zugänglichen Photographien und Aufnahmen, meiner Kenntnis der mittel- und süd-
syrischen Denkmäler und meiner Beschäftigung mit der kaiserzeitlichen Architektur geschrieben1). Mein Grundsatz, das
Architekturornament in erster Linie, dann das Denkmal selbst ohne Rücksicht auf die bisher darüber aufgestellten Ansichten
zu befragen, zwingt mich auch hier von den sonst schon in diesem Bande von verschiedenen Mitarbeitern ausgesprochenen
Urteilen und deren Begründung abzusehen.

Die kunstgeschichtliche Würdigung eines Denkmals ist durch die zuverlässige Einreihung in den zugehörigen Denkmälerkreis
bedingt. Was Sicherheit der Festlegung angeht, stehen dafür die Inschriften und historischen Quellennachrichten an erster Stelle.
Aber die nicht selten schiefen und meist zuweitgehenden Schlüsse, die daraus gezogen worden sind, erfordern gerade für unsere
Aufgabe einige Vorbemerkungen.

Unter den spärlichen historischen Nachrichten ist für die Baugeschichte ein bei Stephanus Byzantius2) aufbewahrtes Zeugnis
von Bedeutung, wonach sich die Palmyrener selbst ÄÖQtavojtnXlzai umgenannt hätten, weil die Stadt von diesem Kaiser
„hinzugegründet (sxixria9-elaijc)" d. h. doch wohl erweitert worden sei. Der Aufenthalt Hadrians in Palmyra muß ins Jahr
130 fallen, wofür zwar keine literarische Nachricht, aber der Verlauf der zweiten großen Orientreise Hadrians spricht und eine
für die Geschichte des Baalsamintempels in der Stadt wichtige Inschrift eine Bestätigung liefert3). Demgemäß hat man ange-
nommen, daß die eigentliche bauliche Blüte der Stadt, abgesehen vom Belosheiligtum, wo Inschriften ein Warnungszeichen
aufrichteten, erst von diesem Zeitpunkt ab datiere. Das hat schon aus allgemeinen Gründen keine hohe Wahrscheinlichkeit für
sich. Das wirtschaftliche Gedeihen der Stadt und damit die Voraussetzung für eine größere öffentliche Bautätigkeit hing von
ganz anderen Voraussetzungen ab als von einem Kaiserbesuch, sie lagen in der römischen Orientpolitik seit dem Parther-
vergleich des Augustus im Jahr 20 v. Chr. und der relativen Selbständigkeit, deren sich die Stadt als eine Art Exarchie erfreute.
Der Glanz der Stadt und ihrer öffentlichen Bauten wird der Stiftungsfreudigkeit, der stolzen Großmut ihrer Bürger verdankt,
wovon die überaus zahlreichen Ehreninschriften Zeugnis geben; keine einzige weist bis jetzt darauf hin, daß ein römischer
Kaiser für die Baugeschichte der Stadt etwas bedeutet bis auf Diocletian, zu einer Zeit also, wo die alte Größe der Stadt und ihre
Grundlagen bereits unrettbar zerstört waren. Es wird wohl so sein, daß sich die Palmyrener anläßlich des ersten Aufenthalts eines
römischen Kaisers in ihrer Devotion überboten, wie zahlreiche andere Städte gerade im Osten von diesem Datum eine neue
Epoche ableiten, und die ganze Stadt oder wahrscheinlicher nur die Neustadt Hadrianopolis nennen wollten; aber die Ernüch-
terung muß sehr bald eingetreten sein, nirgends außer im geographischen Lexikon des Stephanus Byzantius ist eine Erinnerung
daran geblieben, Palmyra befindet sich nicht unter den doch nicht wenigen Städten, bei denen sich die Beziehung zum Namen
des Kaisers gegenüber der älteren durchgesetzt und wenigstens eine Zeitlang erhalten hätte4).

Zudem ergibt ja eine Inschrift des Jahres 129 n. Chr. auf einer Säulenkonsole der sog. Damascener Straße, also eines Cardo am
Westende der Stadt, den klaren Beweis dafür, daß die planmäßige Stadterweiterung, die hier zugrunde-, also vorausliegen muß
- das Belosheiligtum und mit ihm die Altstadt liegt am Ostende - schon ein Jahr vor dem Aufenthalt des Kaisers am entgegen-
gesetzten Ende im Ausbau begriffen war. Es kann also höchstens eine noble Geste der Bürgerschaft gewesen sein, wenn sie diese
Neustadt durch die Benennung „Hadriansstadt" noch nachträglich und für die Zukunft unter den göttlichen Schutz des Kaisers

x) Häufiger zitierte Vorarbeiten sind: E. Weigand, Baalbek und Rom, die römische Reichskunst in ihrer Entwicklung und Differenzierung: Jahrb. d. D. Areh.iol.
Inst. 29 (1914), S. 37-91 (Jdl 191+); - Die Stellung Dalmatiens in der römischen Reichskunst: Strena Buliciana, Agram 1923, S. 77-105 (Strena Buh); - Baalbek.
Datierung und kunstgeschichtliche Stellung seiner Bauten: Jahrb. für Kunstwissenschaft 1924, S. 77-99, 165-196 (JbfKw 1924); - Propylon und Bogentor
in der östlichen Reichskunst, ausgehend vom Mithridatestor in Ephesos: Wiener Jahrb. für Kunstgeschichte 5 (1928), S. 71-114 (Wien. Jb. 1928).

1: pi jloXswv (ed. Dindorf, Leipzig 1825) I 233 s. v. Ila)./nv{)u anscheinend aus einer „Arabischen Geschichte" -Apaßixd - des Uranios geschöpft.

3) J. Dürr, Reisen des Kaisers Hadrian, Wien 1881, S. 62, 77, 122; O. Th. Schulz, Leben des Kaisers Hadrian, Leipzig 1904, S. 77 u. a.

4) Vgl. RE s. v. Hadrianopolis.
 
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