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Wieland: Zeitschrift für Kunst und Dichtung — 1.1915-1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.19577#0490
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Der verwundete Türke

Heinrich Steffens schiebt sich mit seinen Begleitern von Busch zu Busch die
Schneise herab.

Halt! jetzt müssen sie in gleicher Höhe mit dein Feinde sein. Sie liegen und
harren und spähen wie Falkcn.

Ihre Rohre drohen in die Schneise. Auf Gestrüpp und Farrenbüschen gleißt
die Sonne.

Ein paar Wedel knicken drüben zur Erde, vorsicbtig hebt sich ein Kopf über
das feine Blätterwirrwarr. Boch einer. Bleiben sekundenlang in der Schwebe
und mustern.

Heinrich Steffens tastet langsam nach dem Gewehre.

„Du rechts, ich links, los!"

Ein kurzer, scharfer Doppelknall fliegt in die Sommerstille/ zwei blutige Köpfe
fallen zurück.

Ein Vogel schreit auf und flattert über die Baumwipfel davon. Die drel am
Waldrande harren ein, zwei Minuten,- drüben regt sich nichts mehr.

Da kriechen sie auf die Schneise,.. da findcn sie die Franzosen. Kopfschufl,-
beide tot.

Schon wollen sie wieder zurück, da tut der Gefreite Kampmann mit einem
Male einen Schrei, macht einen Sprung wie ein gereiztes Tier, und da kniet er
auch schon auf einem dritten Franzosen, der sich noch im Gebüsch verborgen ge-
halten.

„Grad schießen hat er gewollt, Herr Leutnant, da hab ich'n
noch gepackt."

Schnell ist der Franzose überwältigt,- er ergibt sich in sein
Schicksal. Es ist ein Osflzier. Heinrich Steffens nimmt ibm
die Waffe ab,- — da, er stuht, erschrickt: der Gefangene ist sein
Duellgegner vom vorigen Fahr.

Auch der hat ihn wiedererkannt. Ein häßliches Lächeln
zieht abermals um seinen Mund.

„Herr Steffens, nicht wahr!" fragte er sich vergewissernd,
und dann, höhnisch, spöttisch, verächtlich: „zog es Sie deshalb
von meiner Waffe weg, um hier Buschklepperkämpfe ausüben
zu können!"

Heinrich Steffens stand einen Augenblick still, eine heiße
Welle überflog ihn, Iorn und Empörung hämmerten in seinem
Herzen. Seine Augen flammten den Franzosen an.

„Ihre Verdächtigungen beweisen, dafl ich Sie stets recht
eingesckätzt,- aber es soll Ihnen Genugtuung werden und Ihrem
Frevel hoffentlich die rechte Antwort — und zwar jetzt auf der
Stelle!"

Er entnabm dem Bevolver des Franzosen die patronen bis
auf die eine im Laufe und reichte ihm die Waffe zurück.

„Gehen Sie 15 Schritte,- Sie hatten den ersten Schuß,-
mein Bursche wird zählen!"

Der Franzose sah ihn entgeistert an, nahm aber dann die
Waffe, ging, stand.

„Eins . . . zwei . . . drei!"

Arm und Waffe flogen hoch und in sinkendem Kreise nie-
der,- ein roter Strahl blitzte, hart pflff die Kugel an Heinrich
Steffens vorbei.

Der Franzose sah wie entsetzt und ungläubig auf seinen
Gegner, als könne er nicht fassen, daß er gefehlt und jener
noch stehe.

Heinrich Steffens winkte dem Burschen zu. Boch einmal
sah er auf den Franzosen, scharf, firierend. Dem war das
Lächeln aus dem Gesicht gewichen,- fable Blässe hatte es über-
flogen. Und jetzt... ein nicht gemeistertes Schüttern und
Iucken rüttelte in ihm, cin Bangen, wie es durch schwankende
Halme geht, wenn die Sense naht — — —

Hatte ihm eine lehte Ahnung zugeraunt, daß er in Sekunden
ein toter Mann sein würde!

Und jetzt war es an Heinrich Steffens, zu lächeln, zu
triumphieren: „Sie fürchten den Tod!"... Und ein plötzlicber Gedanke durch-
schotz ihn,- es erschien ihm in diesem Augenblick eines deutschen Offiziers un-
würdig, einen Feigling zu erschietzen. „So mag ich Sie nicht! Heben Sie die
rechte Hand hoch!"

Der Stolz des Franzosen war gänzlich geschwunden. Er streckte die Hand.
Weitz hob sie sich von dem Blau des Himmels ab.

Heinrich Steffens wandte sich. Wieder zählte der Bursche. Mit „drei!"
fuhr die Waffe heruin, um eines Augenblickes Tänge hielt sie. Knall und
Blitz. Drüben ein unterdrückter Schrei dcr Wut, des Schmerzes. Eine blutige
Hand fiel.

Heinrich Stcffens stand mit strengen und frohen Augen, langsam kam der
Franzose auf ihn zu.

„Es bedarf der Bersöbnung nicht! das Ieichen wird Ihnen bleiben!
Erzählen Sie später Ihren Freunden und Kameraden von Ihrem Stolze und
Mute, denen Sie Ihr .Handmal verdanken." Verächtlich wandte er ihm den
Rücken zu.

Beschämt, wie ein geschlagener Hund mit gesenktem Kopfe stand der
Franzose.

„So, Kampmann! Nun gehen Sie zur Kompagnie zurück und nehmen Sie
den Gefangenen mit sich. Machen Sie Meldung von dem Vorgefallenen. Ich
bleibe und warte hier auf den posten zur Besetzung der Schneise!"

E. Schilling
 
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