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Wieland: Zeitschrift für Kunst und Dichtung — 1.1915-1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.19577#0534
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ArLillerie. Hans Hal

Friedrich Wilhelm IV.
als Pate des Prinzen von Wales

Windsor Castle, den 26. Januar 1812.

ir und das englische Gefolge des Königs versammelten uns in
seinen Zimmern und erwarteten dort die Ankunft der Herzöge von
Sussex und Cambridge, welche mit dem Könkg in einem Wagen zur nahe-
gelegenen Kapelle fuhren, und wir alle voraus und hinterher. Alles in
den schönsten Equipagen, die man nur sehen kann. Im Schlojz hier und
in der Kapelle waren sehr reichliche und ganz altertümlich gekleidete Helle-
bardierer en kme aufgestellt. Gardekavallerie und Infanterke ebenso
außerhalb. In der Kapelle versammelten sich alle fremden Herrschaften
zuerst in der Wolseyhalle — die Königin und prinz Albert aber in einer
andern, entgegengeseht gelegenen Halle. Auf ein gegebenes Zeichen sehten
sich die beiden Kolonnen der hohen Herrschaften gleichzeitig in Bewegung
und traten in die Kirche ein. Die hohen paten blieben links von dem Erz-
bkschof von Canterbury, welcher den prknzen von Wales taufte. Die
Königkn mit dem prinzen Albert vi8-ä-vi8, rechts des Erzbischofs.

Wie alles plaziert war, erschien der kleine prinz — der ganze Hofstaat
voraus. Nach einem kurzen Gebet des Erzbischofs nahm die Oberhof-
meksterin Herzogin von Burleigh das Kind und brachte es dem Erzbischof,
welcher es in den einen Arm nahm und so die Taufe verrichtete,- das sah
etwas ängstlich aus. Das Kind war sehr ruhig und sah ungemein freund-
lich aus. Die Herzogin von Burleigh nahm dann den prinzen zurück und

übergab ihn wieder der ersten Gouvernante, welche ihn behielt, bis die
Ieremonie vorbei war. Die paten bekamen ihn daher gar nicht zu halten.

Die Kirche ist an sich sehr schön und außerdem aufs prächtigste deko-
riert zu dieser Feier, aber leider viel zu klein, so dah keine Iuschauer hinein-
gelassen werden konnten. Ich glaube, daj; nicht ZO Hersonen in der Kirche
waren, welche nicht zur Zeremonie gehört hatten. Autzer dem Erzbischof
von Canterbury, primas von England, waren noch der Erzbischof von
TZork, der Bkschof von London, der Bischof von Borwich und der Bischof
von Oxford gegenwärtig, sämtliche Minister, sämtliche Ritter des Hosen-
bandordens, das corp8 äiplomätique nur teilweise — die Ambajsadeurs
und die Gesandten der verwandten Höfe. Drei der vornehmsten Damen
waren nur eingeladen, um den gestrigen Feten beizuwohnen: die Her-
zogin von Sutherland, Freundin der Königin und ihre frühere Oberhof-
meisterin, die Marquise Lansdowne und die Herzogin slorthumberland,-
die beiden ersten Damen gehören den Whigbs, die lehtere der Torypartek
an. Dem Herzog von Wellington lkejz die Königin in der Kirche das
Reichsschwert überreichen, um es während der Zeremonie zu halten. Der
arme Herzog hat sehr gealtert und macht einen traurigen Eindruck,- übrigens
ist er viel freundlicher und höflicher als sonst in seiner Glorie.

Die Taufzeremonie war nur kurz,- es wurde aber doch zweimal dabei
gekniet, welches kn der englischen Kirche fast übertrieben wird. Den Schluß
der Zeremonie machte ein Tedeum von Händel, welches schön ausgeführt
wurde. Mit derselben Ordnung wie hin wurde sich wieder zurück aus der
Kirche nach dem Schlosse bewegt."

(Aus den Aufzelchnungen desGeneralsvonTtatzmer.)

r Mit dem vorliegenden Heft sch!ießt der „Wieland" als Wochenschrist (vgl. die Mitteilung auf Seite 9). :

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