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Institut für Österreichische Kunstforschung [Mitarb.]
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte — 3.1924-25

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Frey, Dagobert: Beiträge zur Geschichte der römischen Barockarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.56706#0064
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58 Dagobert Frey Beiträge zur Geschichte der römischen Barockarchitektur
Die Einzelnformen sind kleinlich gehäuft und ineinander geschachtelt in der Art des
römischen Manierismus eines Giacomo della Porta oder Domenico Fontana. Und doch
ist trotz der schablonenhaften Komposition der Fassade in der Betonung des Obergeschosses
durch das Wappen in der scheinperspektivischen Abschrägung der Leibung des mittleren
Blendbogens, die an den Palazzo Barberini erinnert, und vor allem in der Überhöhung des
Mittelrisalites durch die Dachloggia etwas Fremdartiges wie ein Ferment zu fühlen, das die
innere Ruhe zur Gärung bringt, etwas Unruhiges, innerlich Zerrissenes hineinträgt, und
umso stärker das Gedankenarme und Unbefriedigende des Konzeptes empfinden läßt. Dies
zeigt sich noch überzeugender, wenn man mit der Ausführung zwei Vorstudien im Codex
Spada vergleicht. Es sind zarte Bleistiftzeichnungen mit Bister laviert, in Orthogonal-
projektion, in der für die Werkstatt der Rainaldi charakteristischen Ausführung35). Fol. 174
zeigt den älteren Entwurf (Abb. 28). Die horizontale Gliederung, das System des Mittelrisalites
und die beiden unteren Geschosse stimmen mit der Ausführung im wesentlichen überein.
Abweichend ist die Behandlung des zweiten Stockes und des Mezzanins darüber. Der erste
und zweite Stock sind vollkommen gleich behandelt in Geschoßhöhe, Fenstergröße und
Fensterverdachungen; darüber ist ein breites Gebälk mit Mezzaninfenstern in der Frieszone
und eine Attika angeordnet. Der Aufbau über den Mittelrisalit fehlt. Der Entwurf macht einen
weit einheitlicheren und gesammelteren Eindruck als die Ausführung'. Es ist gute alte Über-
lieferung, die aus der geschlossenen Blockform der Baumasse bei gleichmäßiger Wiederholung
der Geschosse und aus der statischen Ruhe des Aufbaues uns anspricht. Wenn auch nicht
von genialer Konzeption, so macht der Entwurf doch den Eindruck eines einheitlichen Wurfes.
Die zweite Studie auf Fol. 173 zeigt dem gegenüber eine seltsame Zerfahrenheit (Abb. 29).
Etwas Fremdartiges dringt ein und sprengt die innere Geschlossenheit. An Stelle der beiden
gleichen Obergeschosse wird nun die dritte Ordnung in die Höhe getrieben, so daß sie zwei
Geschosse, den zweiten und dritten Stock, zusammenfaßt. Der Blendbogen in der Mittelachse
des zweiten Stockes wird dementsprechend stark überhöht und das eingestellte Papstwappen
zum beherrschenden Motiv des Mittelrisalites gesteigert. Ist in diesen umbildenden Gedanken
ein genialer Zug zu fühlen, so zeigt sich doch in der Durcharbeitung der Folgerungen, die
sich für die übrige Fassade daraus ergeben, die Unzulänglichkeit, den Gedanken durch-
greifend zu gestalten. Dies erweist sich vor allem bei den Blendbogen der Risalite, unter
denen an Stelle der rechteckigen Fenster des dritten Stockes hochovale angeordnet werden,
da die rechteckigen Fenster in gleicher Höhe mit denen der Rücklagen unter den Blend-
bogen nicht Platz gefunden hätten. Diese mußten überdies noch stark herabgedrückt werden,
wodurch die durchlaufende Florizontale des dritten Stockes gerade dort, wo in den Blend-
bogen und in den Verdachungen des ersten Stockes eine motivische Steigerung erfolgt,
einsinkt. Das Mezzanin im Fries des Hauptgesimses wird überdies beibehalten, wodurch
sich eine öde Hypertrophie der Fensterlöcher und ein kraftloses Abflauen des Rhythmus
nach oben im Gegensatz zur Steigerung in der Mittelachse ergibt. Ein befremdender Zwie-
spalt durchzieht diesen Entwurf.
Die Ausführung bedeutet dem gegenüber eine Rückbildung und ein Kompromiß (Abb. 30).
Die Höhe der dritten Ordnung wird wieder reduziert und der zweiten angeglichen, die Zwei-
geschossig'keit jedoch beibehalten. Die Fensterumrahmungen des zweiten Stockes sind
genau aus dem zweiten Entwurf herübergenommen, die Fenster des dritten Stockes werden

35) Virgilio Spada a. a. O. Vol. II. fol. 173, 174.
 
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