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Windelband, Wilhelm
Kuno Fischer und sein Kant: Festschrift der "Kantstudien" zum 50. Doctorjubiläum — Hamburg, Leipzig, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.22256#0018
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erscheinen soll, steht zu lesen: VIII. Band: Hegel! Es ist also zu
hoffen, dass in nicht zu langer Zeit der so lebhaft erwartete Band
erscheinen wird, in welchem sich der Natur der Sache nach alle
Linien seiner bisherigen Darstellungen noch einmal zu einer grossen
Einheit zusammenschliessen müssen.

Kuno Fischer steht damit vielleicht vor seiner schwersten, aber
auch vor seiner dankbarsten Aufgabe — jedenfalls vor derjenigen,
der er allein gewachsen ist. Er entstammt noch jener im Ver-
schwinden begriffenen Generation, welche Hegels Lehre unmittelbar
als ihre eigene Philosophie erlebt, welche ihre Sprache gesprochen
und in ihren Formeln die Welt des Geistes gedacht hat: er ist be-
rufen ihr Historiker zu werden. Von ihm allein ist zu erwarten,
dass er aus dem Gewirr einer uns fremd gewordenen Terminologie
den reichen, weltumspannenden Inhalt in seiner reinen Gestalt heraus-
zulösen im Stande sein wird. Seine Kunst der Vereinfachung, seine
Fähigkeit, das Wesentliche mit sicherem Griff zu erfassen, und jener
Zug zum Grossen, Lapidaren, der in allen seinen Darstellungen
waltet, finden hier den geeignetsten Gegenstand. Er ist der delische
Taucher, dessen es hier bedarf. Und auch hier wird die Lösung
der Aufgabe eine That historischer Gerechtigkeit werden. Freilich
wird sich diesmal nicht der Ruf erheben: „Zurück zu Hegel". Denn
das ist der Unterschied, dass mit Kants Lehre auch ihre begriff-
lichen Formen und ihr terminologischer Apparat wieder auferstehen
konnten, und dass dies bei Hegel unmöglich ist. Aber wenn Kuno
Fischer die Hegeische Philosophie in unserer Sprache zu uns reden
lässt, so wird die Welt mit Staunen sehen, wie tief der Geist dieser
Lehre der Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts im Blute steckt.

Möge denn dem verehrten Manne ein freudiger Abend seines
an Segen so reichen Lebens beschieden sein — möge ihm die Rüstig-
keit und die Schaffenslust erhalten bleiben, damit das Jugendfeuer,
das er sich bewahrt, und die männliche Gestaltungskraft sich mit
der reifen Erfahrung des Alters vereinigen, um sein Lebenswerk zu
vollenden!
 
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