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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte (Band 1) — Tübingen, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.19222#0104
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Zum Gedächtnis Spinozas.

(An seinem zweihundertjährigen Todestage, 1877, gesprochen an der
Universität Zürich.)

An zahlreichen Orten, hier in engeren, dort in wei-
teren Kreisen, sind heut andächtige Gemeinden zusammen-
getreten, um in weihevollem Ernst einen Heiligentag der
Wissenschaft zu begehen und das Andenken eines Mannes
zu ehren, der mit dem wunderbaren Zauber seiner Jdeen
so vielen Geist und Herz gefangen genommen hat: es
ist Baruch Spinoza, der einsame Denker, der Märtyrer
der Wissenschaft. Zwei Jahrhnnderte sind hente verflossen,
seit in stiller Kammer, fast freundlos und unbeweint, sein
edler Geist znr Rnhe ging, — kaum mehr als ein Jahr-
hundert ist es her, daß aus dem Grabe verständnisloser
Verachtung seine Gedankenwelt auferstand zur vollen
Glorie staunender Bewunderung: und heute treten nahe
der Stätte, wo der Geächtete seine größten Schmerzen
litt, Männer aller Nationen nnd der verschiedensten Denk-
richtungen zusammen, um den Grundstein fiir ein Denk-
mal zu legen, welches ihn den Blicken der gerechteren
Nachwelt zeigen soll. Zwar mag es manchem wider das
Gefühl sein, daß man gerade diesen Mann, dessen ganzes
Wesen aufging in zarte, scheue Zurückgezogenheit, nun auf
den offenen Markt der volksbelebten Hauptstadt und mitten
in das vielbewegte Treiben der Tagesinteresseu stellen
will, das er verachtete, weil er es durchschaute: aber
willkommen muß einem jeden der Anlaß dieses Tages

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