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Llber die gegenwärtige Lage und Aufgabe
der Philosophie.

(1907.)

Es soll mir vergönnt sein, über die gegenwärtige Lage
und Aufgabe der Philosophie zu sprechen. Eine derartige
Betrachtung ist sür die Philosophie von ganz anderer Be-
deutung und durch ganz andere Anlässe berechtigt, als für
irgend eine der besonderen Wissenschaften. Diese haben
ihren mehr oder minder begrenzten Gegenstand, und ihre
Entwicklung zeigt einen, wenn auch nicht immer völlig
stetigen, so doch im ganzen sicher bestimmten Fortschritt in
der Annäherung an ihr Erkenntnisziel: für eine solche
Einzeldisziplin kann es sich in einem besonderen Augen-
blicke nnr darum handeln, sich aus die Summe des Erreich-
ten au Kenntnissen und Arbeitsweisen zu besinnen und
daraus etwa die nächstliegenden Aufgaben für die Zukunft
zu bestimmen. Der Philosophie aber, die solcher Stetig-
keit in ihrer historischen Bewegung entbehrt, werden ihre
Aufgäben jeweils durch die gesamten Zustände des gei-
stigen Lebens ihrer Zeit bestimmt, und sie ist deshalb
von diesen in viel höherem Maße abhängig als die übrigen
Wissenschaften. Das hängt natürlich damit zusammen,
daß man von der Philosophie nicht die Einsicht in ein
einzelnes Gebiet des Wirklichen, sondern vielmehr eine
gedankliche Arbeit erwartet, die in wissenschaftlicher Be-
gründung eine Weltanschauung und Lebensansicht ge-
währen soll. Diese Aufgabe aber kann niemals nur durch
die theoretischen Ergebnisse des in seine besonderen Gegen-

Windelband, Präludien. 5. Aufl. II 1

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