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Vom Prinzip der Moral.

Jn gewisser Hinsicht ist die Ethik, wie es anch durch
die historische Wirkung der kantischen Lehre bewiesen wird,
derjenige Teil der Philosophie, für welchen die kritische
Methode am meisten auf Anerkennung rechnen zu dürfen
scheint. Denn auf diesem Gebiete sind die Grundbegriffe
der kritischen Methode, diejenigen des Sollens und der
Norm, dem gewöhnlichen Bewußtsein durchaus geläufig,
und auf diesem ist auch das Verhältnis des teleologischen
Zusammenhangs recht eigentlich zu Hause. Trotzdem er-
weist sich gerade dies verlockende Feld voller geheimer
Schlingen. Denn es nimmt zwar jedermann sür seine
moralische Beurteilung Allgemeingiltigkeit durchaus in
Anspruch; wenn man aber näher zusieht, so findet man
den Jnhalt desjenigen, was als Maßstab dafür gilt, schon
von Jndividuum zu Jndividuum, noch mehr aber von
Volk zu Volk und von Zeitalter zu Zeitalter so verschieden,
daß man gerade der Energie gegenüber, mit der an diesen
Überzeugungen jeder festhält, daran verzweifelt, ein all-
gemeingiltiges inhaltliches Prinzip sittlicher Beurteilung
aufzufinden. Verzichtet man auch auf faktische allgemeine
Anerkennung bei allen Spitzbuben und Schurken, so gehen
doch auch die Ansichten der „moralischen" Menschen, wenn
wir alle vergleichen, so weit auseinander, daß die Auf-
stellung eines Sittengesetzes, das sachlich für alle gälte,
nicht möglich erscheint.

Windelband, Prälndien. 5. Anfl. II.

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