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Pessimismus und Wiffenschaft.

(1876.)

Es kann durchaus keine Frage seiu, daß unter deu-
jenigeu Richtungen der allgemeinen Geistesbewegung,
welche das Vorstellungsleben und die Charakterbilduug
des Einzelnen als die „höhereu Mächte" bestimmen und
beherrschen, in unserer Zeit der Pessimismus eineu breiteu
und immer breiteren Raum für sich in Anspruch nimmt:
gleichviel, ob man ihn bekämpft oder vertritt, ob mau
ihu verketzert oder preist, ob man in ihm einen Wahu
oder eine Religion sieht, mau muß ihn als eine Tatsache
betrachten uud mit ihm rechten. Der Pessimismus ist
zweifellos eine der am weitesten, wenigsteus in den Gren-
zen des deutschen Kulturlebens verbreiteten Moden. Es
gibt ganze gesellige und gcsellschaftliche Kreise, in denen
es als unfein betrachtet wird, mit dem Zustande der
Welt zufrieden zu sein, und in denen es zum guten Ton
geworden ist, das Elend des Daseins im gemeinsamen
Gefiihl überlegeuer Verurteilung und in freundlicher Mit-
teilung resignierender Gefühle zu ertrageu. Es gibt ja
nichts auf der weiten Welt, was die persönliche Eitelkeit
angenehmer zu berühren vermöchte, als diese verachtungs-
volle Erhebung nicht über einzelne Wesen, sonderu über
die Gesamtheit alles Seins und Lebens überhaupt! Un-
bedeutende Menschcn mögen zufrieden im Ablauf der
Diuge dahiuwaudelu: wer sich aber dazu aufschwingt,
die Welt zu beurteilen und sie gar zu verwerfen, der zeigt
eben dadurch, daß er au innerer Bedeutung über ihr
steht! Aber es ist nicht nur aristokratisch, Pessimist zu sein:
nicht minder als in den Salons wird der Pcssimismus

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