Von M. Winternitz ° * 15
heiligen Reisbrei, den man im brahmanischen Kulturkreis nur
bei Opfern aß, als ihre tägliche Speise genossen." Von einer
Zubereitung des Reisbreis mit Branntwein steht aber auch
nicht das geringste im Text.
Eine Vergleichung mit ekstatischen Tänzen im alten
Syrien und der Geheimbünde in Ozeanien und Nordamerika
soll beweisen, daß wir es in Ath. XV mit einem ähnlichen
„ekstatischen Glückstanz" zu tun haben.
In der Weise — es ist unmöglich, hier auf alle Einzelheiten
einzugehen — liest Hauer mit kühner, ja oft geradezu be-
wunderungswürdiger Phantasie aus dem Atharvaveda XV
alle möglichen Tänze und Übungen des primitiven Wildeksta-
tikers heraus und kommt so zu dem Schlüsse, daß der Vrätya
ein primitiver Wildekstatiker, ein Vorläufer des Yogin ist.
Ich gestehe, daß diese geistreichen und phantasievollen Aus-
führungen etwas Bestechendes an sich haben und zuerst auch
mich anzogen, aber bei näherem Zusehen fehlt ihnen doch der
Boden der Tatsachen. Ich war wohl einer der ersten, der den
Wert ethnologischer Parallelen für die Indologie betont hat,
und es liegt mir ferne, die Heranziehung solcher Parallelen
tadeln zu wollen. Aber die Ethnologie kann uns doch immer
nur ein Wegweiser sein, sie kann die Richtung angeben, in der
sich die Forschung zu bewegen hat, aber ethnologische Paral-
lelen von Naturvölkern und anderen Völkern können für die
Inder nichts beweisen, sie können die auf indischem Boden
mangelnden Tatsachen nicht ersetzen.
Und wenn wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben,
die uns die indische Literatur bietet, werden wir dem kühnen
Flug ins Land der Phantasie nicht folgen können, sondern
uns mit der nüchternen Annahme begnügen müssen, daß die
Vrätyas einer der vielen indischen Volksstämme sind, die der
brahmanischen Kultur ursprünglich ferne standen, aber durch
die geschickte Propaganda der Brahmanen allmählich in ihren
Kulturkreis und ihre soziale Ordnung hineingezogen wurden.
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heiligen Reisbrei, den man im brahmanischen Kulturkreis nur
bei Opfern aß, als ihre tägliche Speise genossen." Von einer
Zubereitung des Reisbreis mit Branntwein steht aber auch
nicht das geringste im Text.
Eine Vergleichung mit ekstatischen Tänzen im alten
Syrien und der Geheimbünde in Ozeanien und Nordamerika
soll beweisen, daß wir es in Ath. XV mit einem ähnlichen
„ekstatischen Glückstanz" zu tun haben.
In der Weise — es ist unmöglich, hier auf alle Einzelheiten
einzugehen — liest Hauer mit kühner, ja oft geradezu be-
wunderungswürdiger Phantasie aus dem Atharvaveda XV
alle möglichen Tänze und Übungen des primitiven Wildeksta-
tikers heraus und kommt so zu dem Schlüsse, daß der Vrätya
ein primitiver Wildekstatiker, ein Vorläufer des Yogin ist.
Ich gestehe, daß diese geistreichen und phantasievollen Aus-
führungen etwas Bestechendes an sich haben und zuerst auch
mich anzogen, aber bei näherem Zusehen fehlt ihnen doch der
Boden der Tatsachen. Ich war wohl einer der ersten, der den
Wert ethnologischer Parallelen für die Indologie betont hat,
und es liegt mir ferne, die Heranziehung solcher Parallelen
tadeln zu wollen. Aber die Ethnologie kann uns doch immer
nur ein Wegweiser sein, sie kann die Richtung angeben, in der
sich die Forschung zu bewegen hat, aber ethnologische Paral-
lelen von Naturvölkern und anderen Völkern können für die
Inder nichts beweisen, sie können die auf indischem Boden
mangelnden Tatsachen nicht ersetzen.
Und wenn wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben,
die uns die indische Literatur bietet, werden wir dem kühnen
Flug ins Land der Phantasie nicht folgen können, sondern
uns mit der nüchternen Annahme begnügen müssen, daß die
Vrätyas einer der vielen indischen Volksstämme sind, die der
brahmanischen Kultur ursprünglich ferne standen, aber durch
die geschickte Propaganda der Brahmanen allmählich in ihren
Kulturkreis und ihre soziale Ordnung hineingezogen wurden.
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