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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 17): Die " figura in cima al baldacchino" in Verona: Bemerkungen zum Wanddenkmal der Familie Brenzoni in San Fermo Maggiore von 1435-1438 — Freiburg i. Br., 2023

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https://doi.org/10.11588/diglit.66626#0008
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dem Auferstandenen21 identifiziert. Grabbilder22 von Toten waren in italienischen Kirchen
dieser Zeit anscheinend nur an den Grabdenkmälern hoher Geistlicher23 oder bedeutender
Gelehrter (Ärzte, Juristen etc.), bedeutender Künstler, Staatsmänner und Condottiere24
zulässig. Es gibt im Spätmittelalter und in der Frührenaissance in Italien nicht selten auch
Grabdenkmäler vornehmer oder prominenter Verstorbener ohne eine Figur des Toten25.
Warum am sog. „Grabmonument des Niccolö Brenzoni“ eine Figur des Toten fehlt, werde ich
klären.
Untersuchen sollten Kenner dieser Zeit und dieser Kunstlandschaft die zehn Figuren der
„Auferstehung“, die in Größe und Stil nicht recht zusammenpassen. Christus ist auffallend
zierlich, besonders im Vergleich mit den in Steinmulden gedrückten Wächtern unter ihm. Die
Leuchterträger26 gehören weder zum Thema noch an ihre Standplätze. Unklar ist, ob Nanni di
Bartolo vorhandene Figuren benutzte oder Mitarbeiter für sie beschäftigte. Nur die Putti, die
sich mit dem Vorhang wie der Engel auf der Sarkophagecke mit der Deckplatte plagen,
stammen wohl wie die Wächter und der bärtige Inschriftträger von Nanni di Bartolo selbst.
II.
Leicht erklärbar ist das dreifache Trigramm des Bernardino da Siena (1380-1444) an der
Sarkophagfront Christi27 (Abb. 3), das das IHS in einem Kranz aus Flammen und Strahlen
zeigt. Ein Zitat aus Phil 2,10 füllt den Kreisrahmen: I(N) NOMINE IHV OMNE GENV
FLECTATVR CELESTIV(M) TERESTRIVM ET INFERNORV(M). Der Wanderprediger
aus dem Franziskanerorden hat sein Leben der Verbreitung und Verehrung des Namens
Christi gewidmet. „Um 1420“ - notierte ein Vitenschreiber - „erfaßte ihn das Verlangen,
diesen Namen vor alle Könige und Stämme und Völker zu tragen. Daher suchte er sich eine
kleine Holztafel zu beschaffen, auf welcher dieser Name in goldenen Lettern gemalt und
gezeichnet werden sollte. Diese Tafel hielt er den Volksscharen entgegen, die sich täglich zu

21 Hubert Schrade [Die Auferstehung Christi (Ikonographie der christlichen Kunst - Die Sinngehalte und
Gestaltungsformen I), Berlin-Leipzig 1932, 242-243] erkannte: „Das gestaltungsgeschichtlich Neue des
Brenzonigrabmals ist, daß Rosso das Grab Christi und den Sarg Brenzonis, infolgedessen auch den Verstorbenen
und Christus identifiziert hat.“ Es ist schwer zu glauben, aber Wladimir Timofiewitsch (Reclams Kunstführer
Italien II, 2, Stuttgart 1965, 654) hat ihm die krause Vorstellung, Niccolö Brenzoni liege im Sarkophag Christi,
abgenommen.
22 Zu „Grabbildern“ in Italien vgl. u. a. Kurt Bauch, Anfänge des figürlichen Grabmals in Italien, in:
Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 15(1971)227 ff; Ders., Das mittelalterliche Grabbild -
Figürliche Grabmäler des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa, Berlin 1976, 141 ff.; Andrew Butterfieid, La
rinascita del ritratto scolpito nella Firenze del Quattrocento, in: Beatrice Paolozzi Strozzi u. a., La Primavera del
Rinascimento, Firenze 2013, 213 ff.
23 Zahlreiche Beispiele bei Julian Gardner, The tomb and the tiara - Curial tomb sculpture in Rome and Avignon
in the later middle ages, Oxford 1992.
24 Elisabeth Oy-Marra, Florentiner Ehrengrabmäler der Frührenaissance (Diss. Frankfurt 1989/90; Frankfurter
Forschungen zur Kunst 18), Berlin 1994.
25 Während in Deutschland „Grabbilder“ nichtheiliger Personen schon seit dem späten 11. Jahrhundert
nachweisbar sind, erscheinen sie in Italien in größerer Zahl erst ab 1268 (Viterbo: Papst Clemens IV. und Pietro
di Vico, Bischof Paolo di Pafo etc.). Beispiele bei Fritz Burger, Geschichte des florentinischen Grabmals von
den aeltesten Zeiten bis Michelangelo, Strassburg 1904, Abb. 9, 13, 17, 18, 23, 24, 25, 27,28, 29, 34, 42, 45.
Rätselhaft ist immer noch die Entstehungszeit der Grabfigur des 1185 verstorbenen Papstes Lucio III in Verona,
vgl. Frank T. Lang, Veroneser Skulpturen um 1200 (Diss. Bonn 1991; Europäische Hochschulschriften XXVIII,
146), Frankfurt u. a. 1992, 20 ff.
26 Leuchterengel bei einer „Auferstehung“ sind sehr selten. Mir ist nur ein Beispiel bekannt: am Suitbertus-
Schrein aus dem späten 13. Jahrhundert in Kaiserswerth/NW (Gertrud Schiller, Ikonographie der christlichen
Kunst 3, Die Auferstehung und Erhöhung Christi, Gütersloh 1971, Abb. 213).
27 Die Langseiten des Sarkophags Christi sind durchweg nur mit Mustern aus ungegenständlichen Ornamenten,
Kreisen und Vierecken dekoriert.
 
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