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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 17): Die " figura in cima al baldacchino" in Verona: Bemerkungen zum Wanddenkmal der Familie Brenzoni in San Fermo Maggiore von 1435-1438 — Freiburg i. Br., 2023

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https://doi.org/10.11588/diglit.66626#0023
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19

Die - nicht nur wegen der bekannten Vorliebe Pisanellos für die Verwendung verschieden
alter Vorlagen aus seiner eigenen Sammlung und wegen des Verlustes aller vor den Arbeiten
für die Pellegrini und die Brenzoni geschaffenen Fresken - schwierige Diskussion der
Stellung der Wandbilder in San Fermo Maggiore im Gesamtwerk Pisanellos, ihres
Verhältnisses zu den zum großen Teil nur als Sinopien ausgefuhrten Bildern aus der
Artusgeschichte in Mantuas Palazzo Ducale125 sowie ihrer Stellung in seiner künstlerischen
Entwicklung überlasse ich Pisanello-Spezialisten.
X.
Problematisch für die Mehrheit der Forscher war schon immer die Benennung der Gattung
unseres Monuments in San Fermo Maggiore: Es wurde als „monumento Brenzoni“126, als
„mausoleo“127, als „sepolcro Brenzoni“128, als „Grabmal des Niccolb Rangoni di
Brenzone“129, als „epitaffio figurato“130, als „Grabmonument des Nicolo Brenzoni“131, als
„monumento funebre“132 und auch noch als „Wandgrabmal“ bzw. als „Kenotaph des Niccolö
Brenzoni“133 bezeichnet. Doch es ist kein Grabmal, kein Grabdenkmal, kein Wandgrabmal,
kein Kenotaph, kein Epitaph und auch kein Mausoleum!
Es ist schlicht ein „Wanddenkmal“, ein farbiges Wandrelief mit gemalten Zusätzen, zu
dem als zweiter Teil ein Grabstein oder eine Gruftplatte als Bedeckung eines Grabes oder
eines Grufteingangs gehört. Und diese nie von Forschem gehobene Bodenplatte (Abb. 7)134
hat sich in San Fermo Maggiore in der nordwestlichen Ecke der Kirche in ursprünglicher
Lage erhalten. Legt man den Grundriß der Unter- und der Oberkirche übereinander (Abb. 20),
dann erkennt man, daß die obere in der Gotik erheblich nach Westen verlängert worden ist.
Wie beim „Epitaph“135, der verbreitetsten Form des mittelalterlichen Wanddenkmals, haben
wir es mit einem zweiteiligen Werk aus einem Wanddenkmal und einer Bodenplatte über
einer Grabkammer zu tun. Die Platte ist aus gesprenkeltem Rotmarmor und zeigt in der
oberen Hälfte das Wappen der Familie Brenzoni, die untere ist leer. Reste einer In- oder
Umschrift sind nicht nachweisbar. Erhalten sind die beiden Hebehilfen, an denen man sie
hochzog136, um die Grabkammer zugänglich zu machen.
Das Wanddenkmal, das Francesco Brenzoni in Auftrag gab - er spricht von „suo
monumento“ in seinem Testament -, ist als Familiendenkmal konzipiert worden. Diese

125 Zu Pisanello in Mantua vgl. u. a.: Giovanni Paccagnini, Pisanello e il ciclo cavalleresco di Mantova, Venezia
1972; Joanna Woods-Marsden, The Gonzaga of Mantua and Pisanello’s Arthurian Frescoes (Diss.
Cambridge/Mass 1978), Princeton 1988; Annegrit Schmitt, Höfische Werke Pisanellos, in: Degenhart/Schmitt
1995, 195 ff. Die Datierung der Fresken schwankt zwischen 1424/26 (Boskovits 1988), um 1425/30 (Schmitt
2004, 87ffi), um 1439/42 (Syson 2001, 48 ff.) und 1447/55 (Paccagnini 1972,243 ff.).
126 Da Lisca 1909, 93; Biadego 1912/13, 1315.
127 Brenzoni 1932,242.
128 Brenzoni 1952, Beschriftung der Tafeln XI ff.
129 Reclams Kunstfuhrer 1965, 654.
130 Wolters 1976, 268.
131 Schmitt 1995, Titel.
132 Fabrizio Pietropoli, in: Gaudioso 1996,40, 357.
133 Poeschke 2000, 203-204.
134 Informationen zu Material, Größe und Wappen bei Markham Schulz 1997, 74, Anm. 65.
135 Vgl. Heinfried Wischermann: „Monumentum pietatis“ oder „Monumentum rogationis pro deprecatione“?
Das „Epitaph“ als bedeutendster Typ des steinernen Wanddenkmals im Spätmittelalter, in: Jahrbuch des Vereins
für Augsburger Bistumsgeschichte 54 (2020) 65-114; Heinfried Wischermann/Thomas Linz: Das Epitaph der
Barbara von der Sachsen (f 1482) an der Barftisserkirche in Erfurt - Ein Beitrag zur Geschichte des
„Wanddenkmals“, in: Jahrbuch für Erfurter Geschichte 15 (2020) 373-431.
136 Diesen Vorgang, bei dem die gehobene Platte in einem über der Grabstelle errichteten Gerüst hängt, kann
man in den Bettelordenskirchen Venedigs noch gelegentlich beobachten.
 
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