Der Minnesang.
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verfällt. Unmittelbarkeit, Leidenschaftlichkeit und Not-
wendigkeit wird einer Dichtung, wenn sich der Dichter
im Zwiespalt mit seiner Zeit, im Wetterdunkel persön-
lichster Zweifel und Schmerzen zur Klarheit der poeti-
schen Anschauung durchringt — der Atmosphäre gleich,
die sich in Gewittern befreit. Wie aber sollen wir diese
poetische Notwendigkeit empfinden, wo der Dichter
weder wagt noch will, die Welt in sich zu suchen und
zu begründen, wo ihm das Heiligste ist, den überkomme-
nen Anschauungen zu dienen! Nicht sich will der höfi-
sche Dichter in seiner Dichtung befreien, beruhigen
und berichtigen, nirgends trennt er sich vom Publikum,
immer ist er auf den Hörer bedacht: Ihn will er er-
freuen, belehren, beeinflussen, ein Kenner dessen, was
sich schickt.
Selbst Walter von der Vogelweide hat sich aus
dieser ständischen Gebundenheit nicht losgelöst. Gewiß
war es einem Dichter von solcher Bedeutung natürlich
und notwendig, in seinen Gedichten persönliches Leben
zu gestalten. Aber dieses Leben ist nicht das selbst-
bestimmte der freien Persönlichkeit, auch er steht mit
seinen Anschauungen und Forderungen in seiner Zeit.
Es ist nur das reinere Ideal der Vergangenheit, der
ritterlichen Blütezeit, das er der Gegenwart vorhält.
Auch bei Walter kann man „selten oder nie mit Sicher-
heit sagen, wo die Überlieferung aufhört und die Weiter-
bildung anfängt“. (Scherer.) Den engen Kreis persön-
licher Erlebnisse, den die Überlieferung der Poesie ge-
zeichnet, hat er zwar nach allen Seiten durchmessen,
aber auch er ist kaum erheblich über ihn hinausgegangen.
Er ist nur der größte dichterische Vertreter seines Stan-
des — wenn auch gewiß nicht übersehen werden darf,
daß dieser Stand und seine Dichtung für die Entwick-
lung und Bereicherung persönlichen Lebens von grund-
legender Bedeutung ist.
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verfällt. Unmittelbarkeit, Leidenschaftlichkeit und Not-
wendigkeit wird einer Dichtung, wenn sich der Dichter
im Zwiespalt mit seiner Zeit, im Wetterdunkel persön-
lichster Zweifel und Schmerzen zur Klarheit der poeti-
schen Anschauung durchringt — der Atmosphäre gleich,
die sich in Gewittern befreit. Wie aber sollen wir diese
poetische Notwendigkeit empfinden, wo der Dichter
weder wagt noch will, die Welt in sich zu suchen und
zu begründen, wo ihm das Heiligste ist, den überkomme-
nen Anschauungen zu dienen! Nicht sich will der höfi-
sche Dichter in seiner Dichtung befreien, beruhigen
und berichtigen, nirgends trennt er sich vom Publikum,
immer ist er auf den Hörer bedacht: Ihn will er er-
freuen, belehren, beeinflussen, ein Kenner dessen, was
sich schickt.
Selbst Walter von der Vogelweide hat sich aus
dieser ständischen Gebundenheit nicht losgelöst. Gewiß
war es einem Dichter von solcher Bedeutung natürlich
und notwendig, in seinen Gedichten persönliches Leben
zu gestalten. Aber dieses Leben ist nicht das selbst-
bestimmte der freien Persönlichkeit, auch er steht mit
seinen Anschauungen und Forderungen in seiner Zeit.
Es ist nur das reinere Ideal der Vergangenheit, der
ritterlichen Blütezeit, das er der Gegenwart vorhält.
Auch bei Walter kann man „selten oder nie mit Sicher-
heit sagen, wo die Überlieferung aufhört und die Weiter-
bildung anfängt“. (Scherer.) Den engen Kreis persön-
licher Erlebnisse, den die Überlieferung der Poesie ge-
zeichnet, hat er zwar nach allen Seiten durchmessen,
aber auch er ist kaum erheblich über ihn hinausgegangen.
Er ist nur der größte dichterische Vertreter seines Stan-
des — wenn auch gewiß nicht übersehen werden darf,
daß dieser Stand und seine Dichtung für die Entwick-
lung und Bereicherung persönlichen Lebens von grund-
legender Bedeutung ist.