Der Meistersang.
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Spitzfindigkeiten werden biblische Stoffe ausgedeutet:
Wo Gott gewesen, ehe er die Welt geschaffen, wie das
Verhältnis der drei Personen in der Trinität beschaffen,
wie die Gottheit sich von ihrem eigenen Geschöpf habe
gebären lassen können, wie es möglich gewesen, daß
die Geburt Gottes des Sohnes mit der Unbeflecktheit
der Jungfrau habe bestehen können, wie die Ubiquität
Gottes des Sohnes im Sakrament des Altars zu fassen
sei: das waren die Stoffe, daran sich die Dichtung der
ehrbaren Bürger und Handwerker ermüdete. Natürlich
konnte diese Kunst nicht dem Leben genügen. Die
einfachen Zustände des Menschenherzens, Liebe, Leid,
Natur und Geselligkeit wollten ihren dichterischen Aus-
druck. Und während man sich im Meistersang um eine
Fortbildung der ritterlichen Spruchdichtung mühte, half
man sich hier durch Übernahme des alten Minneliedes.
Das „Hoflied“, das höfische Lied der Minnesänger wurde,
oft volkstümlich umgeformt, das eigentliche „Gesell-
schaftslied“ der Städter. Es wurde zur Grundlage musi-
kalischer Unterhaltung bei den geselligen Zusammen-
künften.
So hatte zwar auch der Bürger im Meistersang
seine ständische Dichtung, aber doch nur im äußeren
Sinne. Es gelang ihm nicht, seine innere Lebensart
wahr zu begreifen und zur dichterischen Selbständigkeit
heraufzuheben.
In unvergleichlicher Weise war dies neben ihm dem
Bauernstand gelungen, der mit der Kräftigung und Be-
reicherung seines wirtschaftlichen und geselligen Lebens
das einfache ältere Volkslied wunderbar vertieft und be-
reichert hatte. Die Handwerker hatten die alten Arbeits-
gesänge wohl nicht in die Stadt übernommen. „Denn
im allgemeinen scheint sich zu ergeben, daß in der
Wirtschaftssphäre, der das Handwerk angehört, der
eigentliche Arbeitsgesang abstirbt.“ (Bücher.) Der Über-
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Spitzfindigkeiten werden biblische Stoffe ausgedeutet:
Wo Gott gewesen, ehe er die Welt geschaffen, wie das
Verhältnis der drei Personen in der Trinität beschaffen,
wie die Gottheit sich von ihrem eigenen Geschöpf habe
gebären lassen können, wie es möglich gewesen, daß
die Geburt Gottes des Sohnes mit der Unbeflecktheit
der Jungfrau habe bestehen können, wie die Ubiquität
Gottes des Sohnes im Sakrament des Altars zu fassen
sei: das waren die Stoffe, daran sich die Dichtung der
ehrbaren Bürger und Handwerker ermüdete. Natürlich
konnte diese Kunst nicht dem Leben genügen. Die
einfachen Zustände des Menschenherzens, Liebe, Leid,
Natur und Geselligkeit wollten ihren dichterischen Aus-
druck. Und während man sich im Meistersang um eine
Fortbildung der ritterlichen Spruchdichtung mühte, half
man sich hier durch Übernahme des alten Minneliedes.
Das „Hoflied“, das höfische Lied der Minnesänger wurde,
oft volkstümlich umgeformt, das eigentliche „Gesell-
schaftslied“ der Städter. Es wurde zur Grundlage musi-
kalischer Unterhaltung bei den geselligen Zusammen-
künften.
So hatte zwar auch der Bürger im Meistersang
seine ständische Dichtung, aber doch nur im äußeren
Sinne. Es gelang ihm nicht, seine innere Lebensart
wahr zu begreifen und zur dichterischen Selbständigkeit
heraufzuheben.
In unvergleichlicher Weise war dies neben ihm dem
Bauernstand gelungen, der mit der Kräftigung und Be-
reicherung seines wirtschaftlichen und geselligen Lebens
das einfache ältere Volkslied wunderbar vertieft und be-
reichert hatte. Die Handwerker hatten die alten Arbeits-
gesänge wohl nicht in die Stadt übernommen. „Denn
im allgemeinen scheint sich zu ergeben, daß in der
Wirtschaftssphäre, der das Handwerk angehört, der
eigentliche Arbeitsgesang abstirbt.“ (Bücher.) Der Über-